Pater Anselm Grün über die Eucharistie

Leben und Brot teilen

Veröffentlicht am 01.08.2015 um 06:24 Uhr – Von Margret Nußbaum – Lesedauer: 
Nachaufnahme von Hostien in einem Korb und Hände, in denen eine Hostie liegt.
Bild: © KNA
Eucharistie

Münsterschwarzach ‐ Was feiern wir in der Eucharistie? Wie können wir die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi verstehen? Antworten gibt Benediktinerpater und Buchautor Anselm Grün.

  • Teilen:

"Als Christen feiern wir die Eucharistie nicht zum Gedächtnis an das letzte Abendmahl Jesu, sondern zum Gedenken an alles, was Gott in Jesus Christus getan hat, wie er durch ihn zu den Menschen gesprochen, Krankheiten geheilt, Mutlose aufgerichtet, Sünder zur Umkehr gerufen und allen die Frohe Botschaft verkündet hat", sagt Pater Anselm Grün. Wir gedenken aber vor allem auch des Todes und der Auferstehung Jesu. Bestimmte Texte in den Evangelien können helfen, zu einem besseren Verständnis von Eucharistie zu gelangen. Der Benediktinerpater erklärt: "Lukas schildert Jesus als den göttlichen Wanderer, der vom Himmel herabkommt, um mit den Menschen zu wandern. Auf dem Weg deutet er ihnen das Leben. Dies entspricht dem Denkhorizont der Griechen, die die wichtigsten Lehren ihrer Philosophie entweder beim Wandern oder beim Mahl entfalteten."

Das Geheimnis des Lebens

Ein gelungenes Beispiel dafür liefert uns die Erzählung von den Emmaus-Jüngern. In ihr wird deutlich, wie Lukas die Eucharistie versteht: Jesus deutet den Jüngern, die aus Enttäuschung über ihre zerbrochenen Hoffnungen auf der Flucht sind, das Geheimnis ihres Lebens. Das ist ein wunderbares Bild für die Eucharistiefeier: Wir kommen in den Gottesdienst als Menschen, die oft genug auf der Flucht vor sich selbst sind, die vor den Enttäuschungen ihres Lebens davonlaufen. Da gesellt sich in den Lesungen des Wortgottesdienstes Jesus selbst zu uns und deutet uns unsere eigene Lebensgeschichte. Jesus möchte uns einladen, in der Eucharistie unser Leben im Licht seiner Worte und seiner befreienden und erhellenden Geschichte neu zu sehen und zu verstehen. Eucharistie ist Umdeutung unseres Lebens aus dem Glauben an Jesus Christus."

Anselm Grün ist ein deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter.
Bild: ©KNA

Anselm Grün ist ein deutscher Benediktinerpater, Autor spiritueller Bücher, Referent zu spirituellen Themen, geistlicher Berater und Kursleiter.

Wieder neu Heimat finden

Auch Mahlgeschichten finden wir im Lukasevangelium. Das eucharistische Mahl steht hier als die Fortsetzung der Mahlzeiten, die Jesus mit Gerechten und Ungerechten, mit Armen und Reichen, Schuldigen und Unschuldigen gehalten hat und in denen alle Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit erfahren durften. Jesus hat jede und jeden bedingungslos angenommen. Ein schönes Beispiel hat er uns im Gleichnis vom verlorenen Sohn hinterlassen. "Eucharistie ist das Freudenmahl, das der Vater für uns veranstaltet", interpretiert Pater Anselm Grün dieses Gleichnis. "Wir sind uns – wie der verlorene Sohn – selbst fremd geworden und haben die innere Heimat verloren, an uns selbst vorbeigelebt.

Jetzt stillen wir unsern Hunger mit billigem Zeug. Und es geht uns immer schlechter dabei. In der Eucharistie machen wir uns auf, in das Haus unseres Vaters zu gehen. Hier finden wir wieder zu uns, werden lebendig, indem wir das Mahl des Lebens feiern. Da entdecken wir, wer wir sind und was der eigentliche Grund unseres Lebens ist, nämlich dass wir bedingungslos von Gott geliebt sind, dass Gott auf uns wartet und dass es niemals zu spät ist, aufzubrechen und in das Haus zurückzukehren, in dem wir wahrhaft zu Hause sind."

Geschmack am Leben

Jesu Fleisch und Blut: Oft haben Menschen mit diesen Begriffen Probleme. Dabei sagen wir selber oft "Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen". Dies bedeutet: Ich habe etwas so verinnerlicht, dass es fest in mir verankert und zum Teil meines Selbst geworden ist. "Fleisch und Blut sind Bilder für Jesu Hingabe am Kreuz und damit Ausdruck seiner Liebe bis zur Vollendung", erklärt Pater Anselm Grün. "Durch das Essen des Brotes und das Trinken aus dem Kelch gelangen wir in eine Gemeinschaft mit Jesus Christus, wie sie tiefer nicht gedacht werden kann: Wir bleiben in Jesus Christus, und er bleibt in uns. In der Eucharistie dürfen wir erfahren, was wirkliches Leben ist - ein Leben, das unsere tiefste Sehnsucht erfüllt. Ewiges Leben ist nicht in erster Linie das Leben nach dem Tod, sondern eine neue Lebensqualität, die wir hier schon erfahren dürfen. Es ist ein neuer Geschmack am Leben, der Geschmack der Liebe, der unser Leben erst wirklich lebenswert macht."

„In der Feier bekommen wir Anteil an seinem göttlichen Leben, das den Tod überwunden hat.“

—  Zitat: Anselm Grün

Gottes Traum vom Menschen

Wie lässt sich die Verwandlung von Brot in Fleisch und von Wein in das Blut Jesu Christi erklären? Pater Anselm Grün benutzt bei solchen Fragen gern Bilder wie das folgende: "Wenn ich einem lieben Menschen ein Buch schenke, dann steckt in diesem Buch etwas von meiner Liebe. Es ist erfüllt mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen. Wenn mir ein Mensch wertvoll und teuer ist, dann suche ich nicht irgendein Geschenk für ihn aus, sondern etwas, was ihn mit allem an mich und meine Liebe erinnert. So hat Jesus das gebrochene Brot gewählt, weil darin am besten zum Ausdruck kommt, dass er sich im Tod aus Liebe zu uns zerbrechen ließ, damit wir nicht an der Lieblosigkeit unserer Umwelt zerbrechen.

Und er hat den Wein gewählt als Verdichtung dessen, was er in den Abschiedsreden zu seinen Jüngern gesagt hat: 'Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt' (Johannes 15,13). Wir feiern das Schicksal Jesu Christi, seine Menschwerdung, seine Wundertaten, seinen Tod und seine Auferstehung. Und in der Feier bekommen wir Anteil an seinem göttlichen Leben, das den Tod überwunden hat. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Jesu Christi. Selbst der Tod hat keine Macht über uns. Die Eucharistie stellt in ihren Riten das Geheimnis der Menschwerdung Jesu Christi dar, den Traum Gottes von uns Menschen, die eins werden mit Gott. Gerade im Ritus des Vermischens von Wein mit Wasser kommt zum Ausdruck, dass wir wie Jesus eins werden mit Gott."

Zerbrochenes wird geheilt

Ein wichtiger Ritus bei der Eucharistie ist das Brechen des Brotes. "Indem wir in der Eucharistie unser Leben miteinander teilen, schaffen wir Raum für Gemeinschaft und Gastfreundschaft", erklärt Pater Anselm Grün. "Es entsteht Verbundenheit, Wärme und Fürsorge. Das Brot, das wir füreinander brechen, schenkt uns die Hoffnung, dass auch das Zerbrochene und Gebrochene in uns geheilt wird. Die Bruchstücke unseres Lebens werden neu zusammengesetzt. Das Brotbrechen ist zugleich Einladung, uns füreinander aufzubrechen, unseren Gefühlspanzer zu zerbrechen und unsere Herzen füreinander zu öffnen."

Buch zum Thema

Anselm Grün: Die Eucharistiefeier. Verwandlung und Einswerden. 12,90 Euro, Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach. Das Sakrament der Eucharistie wird täglich in der Kirche gefeiert. Doch immer weniger Menschen nehmen daran teil. Die Feier wirkt auf viele langweilig und oberflächlich. Pater Anselm Grün lässt das Geheimnis dieses Sakraments in einfachen und lebendigen Worten neu aufscheinen. Er erklärt den Ablauf der Eucharistiefeier und ihrer Riten und gibt Anregungen, wie sie heute so gestaltet werden kann, dass in ihr wieder Gemeinschaft entsteht, die verwandelt. Ein wertvolles Buch für Eltern von Erstkommunionkindern, für Gemeindekatecheten und Liturgiekreise und für alle, die (wieder) einen Zugang zu dem Kernsakrament christlichen Lebens suchen.
Von Margret Nußbaum