Den Weg gemeinsam gehen
In der Regel dauert die Vorbereitung auf die Erstkommunion ein halbes Jahr. "Viele Eltern sind heute nicht mehr innerhalb eines religiös geprägten Umfeldes aufgewachsen", sagt Albert Biesinger, Professor für Religionspädagogik und Erwachsenenbildung an der Universität Tübingen. "Noch vor einigen Jahrzehnten waren Familie, Kirche und Gesellschaft eng miteinander verzahnt. Das hat sich geändert. Der christliche Glaube hat an gesellschaftlichem Einfluss verloren, Religion ist zur Privatsache geworden." Der Religionspädagoge und Leiter des Projektes Familienkatechese ( www.familienkatechese.de ) setzt bei Eltern, die zu den Treffen im Rahmen der Vorbereitung auf die Erstkommunion ihrer Kinder kommen, deshalb kein religiöses Wissen voraus.
Umso offener könne er ihnen begegnen, sie in ihren zum Teil komplizierten Lebenssituationen würdigen. "Vor allem habe ich aufgehört zu klagen, dass früher alles besser war", sagt er. Mit dem von ihm initiierten "Kommunionweg als Familienkatechese" hat der Religionspädagoge positive Erfahrungen gemacht. Bei den monatlichen Elterntreffen sei eine Glaubenskommunikation entstanden, die es vorher nicht gegeben habe. Immerhin ließen sich über 50 Prozent der Mütter und Väter auf diesen Weg der Vorbereitung von Kindern und Eltern ein.
Alltagstaugliche religiöse Erziehung
Seine Forschungen in Südamerika sowie Interviews mit Eltern und Kindern und mit katechetischen Institutionen mündeten in diesen neuen Weg der Kommunionbegleitung von Eltern und Kindern in ihren Familien. "Religiöse Erziehung muss alltagstauglich sein", sagt Professor Biesinger. "Entscheidend bei der Familienkatechese ist: Nicht nur das Kind, sondern die ganze Familie geht zur Kommunion. Mütter und Väter haben also bei der Vorbereitung auf die erste heilige Kommunion eine zentrale Bedeutung. Was sie ihrem Kind zu Hause vermitteln, ist unersetzlich. Deshalb ist der gemeinsame Weg der Gottsuche von Eltern und Kindern ein wichtiges Anliegen der Familienkatechese."
Niemand wird schief angesehen
"Wir verurteilen niemanden, im Gegenteil, wir freuen uns über Eltern, die sich im Rahmen der Erstkommunion-Vorbereitung gemeinsam mit ihren Kindern auf den Weg machen, um Glauben neu und positiv zu erfahren", sagt Marion Gerdes, Pastoralreferentin in St. Elisabeth und St. Wiho in Osnabrück sowie St. Josef im Osnabrücker Landkreis und Mitarbeiterin der Liturgischen Kommission des Bistums Osnabrück. Jahr für Jahr sucht sie Mütter und Väter, die bereit sind, als Katecheten eine kleine Gruppe von Kindern auf ihrem Weg zur Erstkommunion zu begleiten – natürlich unter Anleitung und ausgestattet mit Material für die Gruppenstunden. Die Pastoralreferentin weiß, dass sie nicht selten bei null beginnen muss: "Da kommen Kinder ohne Grundkenntnisse und Erfahrungen im Bereich von Religion zu uns. Deshalb ist es wichtig, immer die Lebenswelt des einzelnen Kindes mit den jeweiligen religiösen und sozialen Vorprägungen zu berücksichtigen. Jedes Mädchen und jeder Junge bringt hier unterschiedliche Voraussetzungen mit."
„Raum schaffen für die Erfahrung von Gott als einem, der befreit und rettet, der liebt und verzeiht.“
Eltern etwas zutrauen
Interessierte Mütter und Väter oder andere Gemeindemitglieder, die Kinder auf ihrem Weg zur Erstkommunion begleiten möchten, sind immer herzlich willkommen. Marion Gerdes macht ihnen Mut – auch wenn sie sich unsicher fühlen. "Wir suchen ja keine theologischen Fachleute, sondern Christen, die von ihrem Glauben erzählen, ihn leben und Freude daran haben, Kindern etwas davon weiterzugeben", erklärt sie und nennt einen weiteren großen Vorteil: "Eltern gehen ja nicht nur täglich mit den eigenen Kindern um, sondern haben darüber hinaus oft auch Kontakt zu den Freunden ihrer Kinder, die zum Spielen, Essen und manchmal sogar zum Übernachten kommen. So verfügen Mütter und Väter nach Jahren der Erziehung über vielerlei Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für das Arbeiten und den Umgang mit Kindern unverzichtbar sind."
Das Gottesbild korrigieren ...
Pfarrer sowie Pastoral- und Gemeindereferenten leisten oft auch Überzeugungsarbeit bei Erwachsenen mit einem einseitig geprägten Gottesbild. "Viele Erwachsene erfahren Gott auch heute noch als unbarmherzigen 'Buchhalter', der in Gut und Böse einteilt", sagt Professor Biesinger. "Sie sehen sich überfordert von einem 'Leistungsgott', der viel zu viel verlangt, um ihm folgen zu können und zu wollen. Solche Gottesbilder bestimmen bis heute den Glauben vieler Menschen. Hier gilt es, Gegenimpulse zu setzen, Raum zu schaffen für die Erfahrung von Gott als einem, der befreit und rettet, der liebt und verzeiht."
... und ein neues entstehen lassen
Welche Beispiele im eigenen Leben können zu einem neuen Gottesbild verhelfen? Auf jeden Fall der Blick auf das eigene Miteinander in der Ehe, in der Familie, in Freundschaften. Wer in Beziehungen lebt, muss sich gut kennenlernen und sich aufeinander einstellen. Dies setzt voraus, sich mit dem Gegenüber zu beschäftigen, herauszufinden, wie der andere denkt, was ihm wichtig ist, welche Wertvorstellungen ihn prägen. Hier brauchen wir gute Vorbilder, an denen wir uns orientieren können – Eltern und Großeltern, Verwandte und Freunde. Genau darauf kommt es bei der Neuentdeckung des eigenen Glaubens an.
"Das Zeugnis eines konkreten Menschen ist von so enormer Bedeutung, weil es einen konkreten Lebensentwurf als Modell anbietet, ohne zu diesem Lebensentwurf zu zwingen oder zu überreden", erklärt Professor Biesinger. "So wie jeder Weg immer mit dem ersten Schritt beginnt, verhält es sich auch mit dem Glauben. Nur wer beginnt, auf diesem Weg erste Schritte zu gehen, wird mit ihm vertraut werden." Gibt es eine schönere Einladung für Eltern, sich gemeinsam mit ihren Kindern auf diesen Weg zu begeben? Junge Familien, die einmal Feuer gefangen haben, bleiben oft nach der Erstkommunion weiter am Ball. "Etwa fünf bis zehn Prozent der Eltern engagieren sich, indem sie etwa bei Familiengottesdiensten mithelfen, Gesprächskreise gründen oder als Katecheten weiterarbeiten", freut sich Marion Gerdes.