Die rechtspopulistische Partei steht auf Kriegsfuß mit den Kirchen

AfD und Kirchen: Das Tischtuch ist zerschnitten

Veröffentlicht am 14.04.2018 um 16:00 Uhr – Lesedauer: 
Parteien

Berlin ‐ Seit fünf Jahren gibt es die AfD – und fast genauso lange steht die Partei schon auf Kriegsfuß mit den Kirchen. Das Verhältnis der scheint irreparabel gestört. Katholisch.de zieht eine Zwischenbilanz.

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Soll er oder soll er nicht? Seit Wochen wird in kirchlichen Kreisen kontrovers über die geplante Teilnahme des AfD-Bundestagsabgeordneten Volker Münz am Katholikentag in Münster diskutiert. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat den kirchenpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion im Februar als ersten Vertreter seiner Partei zu einem Katholikentag eingeladen – und muss sich seitdem jede Menge Kritik anhören. Allen voran der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und eine Gruppe von 47 deutschen Theologen fordern Münz' Ausladung, weil die Politik der AfD für Christen unannehmbar sei und mit der Einladung eine rote Linie überschritten werde.

Die Diskussion um Volker Münz ist symptomatisch für das schwierige Verhältnis zwischen den beiden großen Kirchen und der AfD. Die Partei, die am 6. Februar 2013 in Oberursel aus der Taufe gehoben wurde und am 14. April vor fünf Jahren in Berlin ihren Gründungsparteitag abhielt, steht auf Kriegsfuß mit den Kirchen – und das, obwohl die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel ihre Partei erst im Dezember in einem "Focus"-Interview als "einzige christliche Partei, die es noch gibt" bezeichnet hatte.

"Programmatische Schnittmengen mit christlichen Überzeugungen"

Tatsächlich berufen sich AfD-Politiker bei bestimmten programmatischen Positionen gerne auf eine inhaltliche Nähe zu den Kirchen. "Das Programm der AfD hat sehr große Schnittmengen mit den christlichen Überzeugungen, wie das Thema Lebensrecht für Ungeborene, die Hilfe für Menschen in Not, die Familie als schutzbedürftiger Kern der Gesellschaft und die Ehe als gottgewollte Verbindung zwischen Mann und Frau", behauptete etwa Volker Münz nach seiner Wahl zum kirchenpolitischen Sprecher. Und in der Tat: Mit ihren familienpolitischen und ethischen Positionen spricht die AfD auch viele Christen an, nicht nur aus dem evangelikalen Milieu.

Linktipp: ZdK-Präsident für Abgrenzungsbeschluss zur AfD

Das Ausmaß rassistischer Ausfälle von AfD-Politikern sei unerträglich geworden, sagt ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Deshalb wünscht er sich nun einen entsprechenden Beschluss der katholischen Kirche. (Artikel von Februar 2018)

Trotzdem reißt die Kritik aus den Kirchen an der AfD bis heute nicht ab. Andersherum wüten aber auch Vertreter der Partei immer wieder mit scharfen Worten gegen die Kirchen. Ein Beispiel: "Wir wissen mittlerweile, dass die Amtskirchen, egal ob evangelisch oder katholisch, durch und durch politisiert sind. Die Trennung von Staat und Kirche wird nicht mehr eingehalten. Damit spielen weite Teile der Kirchen bis auf wenige Ausnahmen genau die gleiche unrühmliche Rolle, die sie auch im Dritten Reich gespielt haben" – auch das sagte Alice Weidel in ihrem "Focus"-Interview. Kurz vor Weihnachten war diese Aussage eine gezielte Provokation.

Unüberbrückbare Differenzen in der Flüchtlingskrise

Die Konfrontation zwischen der Partei und den Kirchen zeichnete sich bereits frühzeitig ab. In einem Interview mit dem "Badischen Tagblatt" erklärte der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, schon im Sommer 2013 mit Blick auf die damals vor allem Euro-kritische Partei, er hoffe, "dass es nur ein paar Nostalgiker sind, die nicht in den Bundestag einziehen werden" und bekannte sich zugleich klar zum Euro und zum europäischen Integrationsprozess. Diese Aussagen lösten erste scharfe Kritik von Parteivertretern aus. Beatrix von Storch erklärte in einem offenen Brief an Zollitsch: "Sie missbrauchen ihr Amt, um vor uns zu warnen."

Doch die Auseinandersetzung über den Euro und Europa war nur das Vorspiel für den eigentlichen Konflikt. Unüberbrückbar wurden die Differenzen zwischen den Kirchen und der Partei im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise ab Herbst 2015. Während sich die Kirchen mit Verweis auf die christliche Nächstenliebe stark für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge engagierten, positionierte sich die AfD mit rechtspopulistischen Parolen gegen die Willkommenskultur – unter anderem durch scharfe Kritik an den Kirchen.

Afd-Fraktions-Chefin Alice Weidel
Bild: ©picture alliance/Hauke-Christian Dittrich

Alice Weidel warf den beiden großen Kirchen vor Weihnachten vor "durch und durch politisiert" zu sein und "die gleiche unrühmliche Rolle" zu spielen, die sie auch im Nationalsozialismus gespielt hätten.

So warf der stellvertretende Parteivorsitzende Albrecht Glaser den Kirchen vor, beim Thema Flüchtlinge von einem "naiven Humanitarismus beseelt" zu sein. Und der damalige bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron behauptete gar, die Kirchen würden mit der Flüchtlingshilfe Milliardengeschäfte machen – eine Aussage, die der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, umgehend als "Gequatsche" und "unreflektiertes Gerede" zurückwies.

Keine offiziellen Gesprächskanäle

Spätestens seit dieser Zeit ist das Tischtuch zwischen den Kirchen und der AfD zerschnitten – daran hat auch der Einzug der Partei in den Bundestag im vergangenen September nichts geändert. Offizielle Gesprächskanäle zwischen beiden Seiten gibt es nicht, stattdessen werden von der Partei weiterhin regelmäßig verbale Attacken gegen die Kirchen geritten.

Wie sich das Verhältnis zwischen den Kirchen und der AfD zukünftig entwickeln wird, bleibt also abzuwarten. Zwar können die Kirchen die Partei nicht mehr ignorieren, eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit scheint aber bis auf weiteres ausgeschlossen. Denn neben den verbalen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre sieht eine im Sommer 2017 veröffentlichte Studie auch ganz grundsätzlich eine tiefe Kluft zwischen der Partei und den Kirchen. Konkret mit Blick auf die katholische Soziallehre diagnostizierten Forscher aus München und Münster eine Unvereinbarkeit mit dem Grundsatzprogramm der AfD und öffentlichen Äußerungen von Politikern der Partei.

Linktipp: Studie: AfD und katholische Soziallehre unvereinbar

Ein anderes Gesellschaftsverständnis und diffuse Feindbilder sorgen für Differenzen zwischen Positionen der AfD und der Kirchenlehre. Aber wenigstens beim Familienbild stimmt man überein, oder? (Artikel von Juni 2017)

"Die AfD hat kein positives Verständnis von Verantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität in einer global vernetzten Welt", so die Studie. Darüber hinaus bescheinigten die Forscher der Partei, "eine zutiefst unchristliche, ethno-nationale Bevölkerungspolitik" zu vertreten. So verschreibe sich die AfD der Pflege deutscher Kultur und stilisiere damit eine bestimmte ethnische Zugehörigkeit als Wert an sich. Dies sei der katholischen Soziallehre mit ihren Orientierungen am universalen Gemeinwohl fremd.

Keine Besserung des Verhältnisses in Sicht

Kritisch äußerte sich die Studie auch zu den familienpolitischen Positionen der AfD. Zwar trete die Partei für ein traditionelles Familienbild und den Schutz des ungeborenen Lebens ein. Doch diese Anliegen dienten vorrangig dem Interesse, Deutsche zur Familiengründung anzuregen. Dagegen werde in der Asyl-, Einwanderungs- und Integrationspolitik völlige Abschottung gefordert. Eine solche bevölkerungspolitische Verzweckung der Familie widerspreche dem katholischen Verständnis von Familie und Lebensschutz.

Klar scheint zum fünften Geburtstag der AfD: Solange die Partei den rechtspopulistischen und nationalistischen Kurs der vergangenen Monate weiterverfolgt und Personen wie der umstrittene Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke – zu dessen AfD-Kundgebungen das Bistum Erfurt in der Vergangenheit mehrfach die Beleuchtung des Erfurter Dombergs ausgeschaltet hatte – eine wichtige Rolle spielen, scheint eine Besserung des Verhältnisses zu den Kirchen ausgeschlossen zu sein.

Von Steffen Zimmermann