Sechster Teil der Serie "Deutschlands Basiliken"

Von reuigen Feuerteufeln und angeblichen Kaisertöchtern

Veröffentlicht am 23.03.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die sechste Folge der katholisch.de-Basilikenreihe führt einmal den Rhein flussabwärts, nämlich nach Kiedrich, Koblenz, Köln und Knechtsteden. Aber auch nach Werl in Westfalen und nach Ilbenstadt und Ingolstadt. Und nur eine einzige dieser Basiliken ist keine Kloster- oder Stiftskirche.

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Köln: St. Gereon

Die Kölner Basilika St. Gereon mit ihrer markanten Kuppel.
Bild: ©Luis – stock.adobe.com

Die romanische Kirche St. Gereon in Köln mit ihrer markanten Kuppel.

Die ehemalige Stiftskirche St. Gereon ist wohl eine der außergewöhnlichsten der zwölf romanischen Kirchen Kölns. Der Grund dafür liegt in ihrer Form: der Hauptbau ist ein ovales Zehneck. In frühchristlicher Zeit, als der Ort noch außerhalb der Stadtmauern lag, entstand hier eine kleine Kirche über einem Mausoleum. Die ovalen römischen Mauern haben sich in der Struktur erhalten, sie wurden in späteren Jahrhunderten dann romanisch erweitert und überbaut. Zwischen der Fertigstellung der Hagia Sophia im heutigen Istanbul und dem Bau des Florenzer Domes war die Kuppel von St. Gereon das größte Kuppelgewölbe, das in Europa gebaut wurde. Doch St. Gereon ist nicht nur architektonisch interessant: Im Eingangsbereich der Kirche steht bis heute die sogenannte Blutsäule. An ihr sollen entweder die Märtyrer der Thebaischen Legion um den Kirchenpatron Gereon hingerichtet oder gar Jesus Christus von den Schergen des Pilatus gegeißelt worden sein. In jedem Fall spritzte ganz besonderes Blut an die Säule und machte sie damit zu einem Ort des Gottesurteils. Und tatsächlich: als der Merowingerkönig Thiederich nach dem Mord an seinem älteren Bruder und dessen Sohn in St. Gereon eine Messe feiern wollte und beim Einzug an der Säule vorbeiging, stürzte er tot zu Boden. Die Säule hatte seine Sünden erkannt und ihn gerichtet. 1920 erklärte Papst Benedikt XV. den – neben dem Trierer Dom und der Konstantinsbasilika – ältesten durchgängig genutzten Sakralbau Deutschlands zur Basilica minor.

Weitere Informationen: www.stgereon.de

Ilbenstadt: Abteikirche St. Maria, St. Petrus und Paulus

Blick auf das Kloster Ilbenstadt und die romanische Basilika.
Bild: ©Ilhan Balta – stock.adobe.com

Der Stifter von Ilbenstadt, Gottfried von Cappenberg, liegt hier in der Basilika begraben. Er wird als nichtkanonisierter Heiliger vor allem von den Prämonstratensern verehrt.

Am 2. Februar 1121 passierte den jungen Grafen von Cappenberg ein ungeheuerlicher Unfall: Sie lösten bei der Einnahme Münsters durch die Truppen Lothars von Sachsen einen Brand aus, dem der Dom und die Lambertikirche zum Opfer fielen. Die Zerstörung von Kirchen galt damals als Kapitalverbrechen. Die Familie von Cappenberg zählte zum westfälischen Uradel und zu den reichsten Familien im ganzen Land. Um wirklich Buße zu tun, schenkten die reuigen Brüder Gottfried und Otto auf Anraten des heiligen Norbert von Xanten ihre Burg und die gesamten Besitzungen dem Prämonstratenserorden. Beide Brüder traten in den Orden ein. In Ilbenstadt in der Wetterau errichteten die aus dem französischen Prémontré kommenden Mönche 1159 eine Klosterkirche im romanisch-basilikalen Stil. Nachdem sie im Dreißigjährigen Krieg mehrfach von katholischen und protestantischen Heeren verwüstet worden war, stifteten die Äbte des Klosters eine reiche Barockausstattung. Dazu gehörte auch eine Orgel des Mainzer Orgelbaumeisters Johann Onimus (1689-1759). Ilbenstadt beherbergt heute die einzige erhaltene Onimus-Orgel. Seit 2018 wird sie umfassend restauriert. Im Volksmund wird die Kirche "Wetterauer Dom" genannt. Am 23. Februar 1929 erhob Papst Pius XI. sie zur Basilica minor.

Weitere Informationen: dcms.bistummainz.de

Koblenz: St. Kastor

Die romanische Stiftskirche St. Kastor in Koblenz.
Bild: ©pixs:sell – stock.adobe.com

Die ehemalige Stiftskirche St. Kastor in Koblenz überschaut das Deutsche Eck, den Zusammenfluss von Rhein und Mosel.

Koblenz war bis ins 11. Jahrhundert Königsgut, deshalb gilt als erster Bauherr der Kirche Kaiser Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen. In Wahrheit geht der Bau aber auf Erzbischof Hetti von Trier zurück, der die Kirche 836 auch weihte. Trotzdem hatte St. Kastor als Eigenkirche der Karolinger große Bedeutung. So wurden hier die Verhandlungen für den Vertrag von Verdun gehalten, mit dem die drei Söhne Ludwigs das Reich Karls des Großen unter sich aufteilten. Dies gilt als Anfangspunkt einer Entwicklung, an deren neuzeitlichem Ende die Länder Frankreich und Deutschland stehen. Patron der Kirche ist der heilige Castor, dessen Reliquien aus Karden nach Koblenz überführt wurden. Außerdem wird hier die angebliche Tochter Ludwigs des Frommen, Rizza, verehrt. St. Kastor war zunächst ein einfacher karolingischer Saalbau mit rechteckigem Chor. Doch schon im Laufe des 9. Jahrhunderts wurden das noch heute sichtbare Querhaus und eine halbrunde Apsis gebaut. Ihre heutige Gestalt bekam die Stiftskirche ab 1160. Unter Propst Buvo wurde der Großteil des karolingischen Baus abgetragen und romanisch wiederaufgebaut. Im Osten flankierten nun zwei schmale Türme Apsis und Chorraum, das Langhaus bekam Seitenschiffe und die Türme der Westfassade wurden bis 1230 auf sieben Geschosse erhöht. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden – ganz im Stil der Gotik – Sterngewölbe in den Innenraum eingefügt. Die spätere barocke Ausstattung wurde im 19. Jahrhundert wieder zurückgebaut. Stattdessen wurde der romanische Charakter des Bauwerks betont, was seit den 1890er Jahren durch eine unverputzte Verkleidung aus Tuffstein besonders deutlich wird. 1991 erhob Papst Johannes Paul II. St. Kastor zur päpstlichen Basilika.

Weitere Informationen: www.sankt-kastor-koblenz.de

Ingolstadt: Franziskanerkirche Mariä Himmelfahrt

Die Franziskanerkirche Mariä Himmelfahrt in Ingolstadt.
Bild: ©fotoping – stock.adobe.com

Die Franziskanerkirche Mariä Himmelfahrt in Ingolstadt, wo heute die "Schuttermuttergottes", ein spätgotisches Gnadenbild, verehrt wird.

Zur Zeit der Gründung lagen Kloster und Kirche der Franziskaner noch außerhalb der Stadtmauern von Ingolstadt. Zunächst nutzten die Minoriten die Gebäude. Von der ursprünglichen Kirche, die wohl noch im Stiftungsjahr 1257 begonnen und 1275 fertig gestellt wurde, ist heute nichts mehr erhalten. Die ältesten Materialien stammen aus der Zeit zwischen 1302 und 1304, wie wissenschaftliche Untersuchungen ergaben. Die heutige Form erhielt die Kirche im 14. Jahrhundert. Sie war ein Bau von großer Strenge und Schlichtheit, ganz nach den franziskanischen Ordensprinzipien. Deshalb hat sie auch keinen Kirchturm, sondern nur einen kleinen Dachreiter. 1621 bezogen die Observanten, die heutigen Franziskaner, das Kloster. Nach einem Brand wurde im 18. Jahrhundert die gotische Ausstattung entfernt und durch barocke Elemente ersetzt. Der Hochaltar wurde im spätbarocken Stil gefertigt. Seit der Gründung der Universität Ingolstadt im Jahre 1472 wurden hier die Professoren, aber auch hochrangige Militärs bestattet. Davon zeugen die über 100 Grabmäler und Epitaphen in den Seitenschiffen der Kirche. Am 1. Juni 1964 erhielt die Franziskanerkirche den Titel Basilica minor von Papst Paul VI. 2006 übernahmen die Kapuziner das Kloster und die Seelsorge in der Kirche Mariä Himmelfahrt.

Weitere Informationen: www.kapuziner.de

Werl: Wallfahrtsbasilika St. Mariä Himmelfahrt

Die zwei Türme der Werler Wallfahrtsbasilika.
Bild: ©sehbaer_nrw – stock.adobe.com

Zwischen 1904 und 1906 wurde die Werler Wallfahrtsbasilika gebaut, der Rüthener Sandstein gibt ihr die charakteristische grünliche Farbe.

Weil die Soester Bürger verbotenerweise auf seinem Territorium gejagt hatten, suchte Erzbischof  Maximilian Heinrich von Köln eine Möglichkeit, sie zu bestrafen. Da schlug ihm der Bürgermeister von Werl vor, dass die Soester – neben wirtschaftlicher Buße an den Erzbischof – ihre Madonnenstatue nach Werl geben sollten. Der fromme Erzbischof fand die Strafe angemessen, die mehrheitlich protestantischen Soester hatten keine Einwände und Werl bekam ein wundertätiges Gnadenbild. In der Kirche der Kapuziner, die die Statue 1661 auch nach Werl überführt hatten, kam die "Trösterin der Betrübten" zunächst unter. Etwa 120 Jahre später war sie zu klein für den großen Pilgeransturm geworden. Von 1786 bis 1789 wurde deshalb eine prachtvoll ausgestattete Barockkirche gebaut. Die Kapuziner mussten Werl aufgrund der Säkularisation 1836 verlassen. Erst 1848 konnten die Franziskaner die Verwaltung des Wallfahrtsortes übernehmen. Dem Kulturkampf zum Trotz hatte sich Werl zum wichtigsten Wallfahrtsort des Bistums Paderborn entwickelt. Jedoch wurde der Abriss der zu klein gewordenen Kirche durch das preußische Kulturministerium verhindert. Deshalb wurde die neue Kirche direkt daneben gebaut. Ab 1904 wurden ein neoromanisches Gotteshaus mit Doppelturmfassade und ein Vorplatz mit Atrium errichtet. Außen wird die Kirche vom grünen Rüthener Sandstein charakterisiert. Die Werler Wallfahrtskirche wurde 1953 von Papst Pius XII. zur Basilica minor erhoben. Die ursprünglich reiche Ausstattung des Innenraums musste 1960 einer nüchterneren und modernen Einrichtung weichen. So sollten Ambo, Altar, Tabernakel und vor allem das Gnadenbild stärker in den Fokus gerückt werden. In der Folgezeit, insbesondere von 2002 bis 2003, wurde der Innenraum erneut umgestaltet, um den strengen Kirchenraum wieder lebendiger zu gestalten.

Weitere Informationen: www.wallfahrt-werl.de

Dormagen: Klosterbasilika St. Andreas (Kloster Knechtsteden)

Die romanische Klosterbasilika St. Andreas in Knechtsteden bei Dormagen.
Bild: ©hanseat – stock.adobe.com

Kirchenbau war im Mittelalter eine internationale Angelegenheit: an der Klosterbasilika von Knechtsteden bauten französische und deutsche Handwerker mit.

Nur acht Jahre nach der Gründung des Prämonstratenserordens durch Norbert von Xanten 1120, schenkte Friedrich I. von Schwarzenberg, Erzbischof von Köln, den Mönchen eine kleine Anhöhe an einem heute versandeten Seitenarm des Rheins: Knechtsteden. Zehn Jahre später, 1138, sollten die Bauarbeiten an einer neuen, großen Klosterkirche begonnen werden. Doch es fehlten die Architekten. Denn die großen romanischen Kirchen Kölns waren gerade vollendet, die Bauleute in andere Landstriche zu anderen Bauprojekten abgewandert. Deshalb verpflichtete man französische Architekten, die mit innovativen Ideen an den Niederrhein kamen. 1150 verheerte ein Brand die alte Kölner Rheinvorstadt. Die rheinischen Bauleute kamen zurück und bauten auch in Knechtsteden mit. Während dieses zweiten Bauabschnitts wurde auch das bedeutende Fresko in der Westapsis geschaffen, das Christus als Weltenherrscher zeigt. Deshalb findet man heute einen interessanten Stilmix in der Basilika: französische Hängekuppeln neben dem für das Rheinland und Westfalen typischen Kreuzgratgewölbe. In Knechtsteden offenbart sich die Internationalität mittelalterlicher Sakralarchitektur. Die 1974 zur Basilica minor erhobene Kirche gehört zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken am Niederrhein.

Weitere Informationen: www.kloster-knechtsteden.de

Kiedrich: St. Valentinus und St. Dionysius

Die Kiedricher Kirche ist ein Paradebeispiel der Gotik.
Bild: ©cmfotoworks – stock.adobe.com

Nicht nur die Ausstattung der Kirche St. Valentinus und St. Dionysius ist aus dem Spätmittelalter, auch die Kiedricher Chorbuben singen seit 1333 lateinische Gesänge in der Sonderform des "germanischen Dialekts".

In Kiedrich, im hessischen Rheingau, steht ein "Schatzkästlein der Gotik". Denn in der Kirche St. Valentinus und St. Dionysius hat sich fast die vollständige Innenausstattung aus der Zeit der Gotik erhalten. Sogar die Glocken und die im 19. Jahrhundert restaurierte Orgel stammen aus der Zeit um 1500. Etwas ganz Besonderes ist das Volksgestühl, also die Kirchenbänke für die Gemeinde. Der Schreiner Erhart Falckener schuf diese wertvolle Schnitzarbeit 1510. Damit ist das Volksgestühl das drittälteste in Deutschland und eines von nur zweien, bei denen sich die ursprüngliche Bemalung vollständig erhalten hat. Berühmt ist die sogenannte Gerechtigkeitsspirale auf einer Frontplatte des Gestühls. Die reich verzierte Textspirale zitiert die Psychomachia des christlichen Dichters Prudentius. Dieser Kampf zwischen Tugenden und Lastern hatte auch für die Laien in der Zeit der Reformation, in der Falckener lebte und wirkte, große Bedeutung. Am 29. Juni 2010 von Papst Benedikt XVI. zur Basilica minor erhoben.

Weitere Informationen: kiedrich.bistumlimburg.de

Von Cornelius Stiegemann