Zehnter Teil der Serie "Deutschlands Basiliken"

Von Kuppeln, Kleeblattkonchen und dem Kelch des Löwen

Veröffentlicht am 06.07.2019 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In den Bombardements des Zweiten Weltkriegs gingen sakrale Architekturschätze in Flammen auf. Doch einer Kirche brachte die Zerstörung die langersehnte Vollendung. Von dort aus unternimmt dieser Teil der Basilikenserie eine Rundreise durch Westdeutschland. Es geht an Rhein, Main und ins Oldenburger Land.

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Hannover: St. Clemens

Bild: ©KNA/Michael Althaus

Innenansicht der Propsteikirche Basilika Sankt Clemens in Hannover.

Diese Kirche erinnert nicht ohne Grund an Venedig: Der Vater des Architekten Tommaso Giusti hatte den Bau der Barockkirche Santa Maria della Salute in Venedig geleitet. In Hannover sollte im 18. Jahrhundert erstmals seit der Reformation wieder eine katholische Kirche gebaut werden und da entschied sich auch Giusti für einen barocken Kuppelbau mit flankierenden Türmen. Doch jahrhundertelang hatte die Kirche ein flaches Dach. Der kleinen Gemeinde hatte schlichtweg das Geld dafür gefehlt. Im Zuge der schweren Bombardements Hannovers im Zweiten Weltkrieg brannte auch St. Clemens bis auf die Grundmauern ab. Dadurch wurde aber auch eine Vollendung des Baus möglich. Der Architekt Otto Fiederling ließ sich von den Originalplänen Giustis inspirieren und schuf die fehlende Kuppel. Ganz im Stil der 1950er Jahre vermied er jedoch allen barocken Prunk. Auch der Innenraum beeindruckt heute durch seine Schlichtheit und klaren Formen. 1998 erhielt St. Clemens durch Papst Johannes Paul II. den Ehrentitel einer Päpstlichen Basilika. Die Kirche ist übrigens nicht geostet, ihr Eingang zeigt zur Stadt hin. Das sieht die heutige Gemeinde als Auftrag, den Dialog mit der ganzen Stadtgesellschaft zu suchen.

Weitere Informationen: www.st-clemens-hannover.de

Seligenstadt: St. Marcellinus und Petrus

Die Basilika von Seligenstadt vom ehemaligen Klostergarten her gesehen.
Bild: ©KNA-Bild

Die karolingische Klosteranlage wurden in der Neuzeit barock neu gebaut. Die ursprüngliche Bausubstanz hat sich nur im Langhaus der Klosterkirche erhalten.

Sein Kloster sollte eine ganz besondere Bindung an Rom erhalten. Der unerschütterliche Glaube der Märtyrer sollte auch in dem kleinen Ort Obermulinheim am Main wirken. Dafür holte der Laienabt Einhard, enger Vertrauter von Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen, die Reliquien der heiligen Marcellinus und Petrus dem Exorzisten auf abenteuerlichen Wegen über die Alpen. Die "beseeligende" Wirkung der Gebeine kann man noch heute erkennen: "Obermulinheim" heißt seit dem Mittelalter "Seligenstadt". Von Kloster und Kirche, die Einhard bauen ließ, sieht man jedoch nicht mehr viel. Karolingisch sind nur noch Langhaus und Teile des Querhauses. Außen dominieren vor allem frühgotische Formen. Denn im 13. Jahrhundert wurde die kleine karolingische Apsis zugunsten eines großen Mönchschores abgerissen. Die Spitzbogenfenster des Vierungsturms sollten den Kirchenraum mit Licht fluten. Nach der Verwüstung durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg, stattete man den Innenraum mit barocker Kunst aus. Doch das Ensemble blieb bis ins 19. Jahrhundert einigermaßen harmonisch. Dann setzte man ohne Rücksicht auf die Proportionen der Kirche eine monumentale neoromanische Zweiturmfassade vor das Westportal. Nach umfangreicher Bestandsaufnahme von 1936 bis 1953 wurden die Veränderungen der Geschichte soweit zurückgenommen, dass man nun im Langhaus wieder einen ursprünglicheren Raumeindruck gewinnen kann. Der Volksmund kannte die Kirche schon lange als "Einhardsbasilika", 1925 wurde sie dann zusammen mit dem Wormser Dom St. Peter und Paul durch Papst Pius XI. zur Basilica minor erhoben.

Weitere Informationen: www.pfarrei-seligenstadt.bistummainz.de

Xanten: St. Viktor

Bild: ©Creative Commons/Beckstet

Der Xantener Dom St. Viktor.

Seit Mitte des 13. Jahrhunderts hatten die Formen der Gotik mit dem Bau des Kölner Doms im Rheinland Einzug gehalten. Wohl auch deshalb entschied sich der Bruder des Kölner Erzbischofs, Friedrich von Hochstaden, für einen gotischen Umbau seines Xantener Doms. Außerdem stand Xanten mit dem heiligen Viktor in einer Art Konkurrenz zu St. Gereon in Köln und St. Cassius und Florentius in Bonn. Jede dieser drei Kirchen wollte ihrem jeweiligen Märtyrer der Thebäischen Legion den prächtigeren Tempel bauen. Um so schnell wie möglich wieder die Messe in einem geweihten Raum feiern zu können, begann man mit dem Chor ein ganzes Stück vor der Außenmauer der romanischen Apsis. Dann legte man die alte Kirche von Osten nach Westen Stück für Stück nieder. Im Stil der lothringischen Gotik wurde eine querhauslose Basilika errichtet. Eigentlich plante man dreischiffig, der Bau wurde dann aber fünfschiffig. Deshalb entsteht ein ganz anderer Raumeindruck als im Kölner Dom. Während dessen Pfeiler in lichte Höhen streben, greift die majestätische Breite des Xantener Kirchenschiffs schon den Hallenkirchen vor, die die deutsche Spätgotik prägen sollten. Erstaunlicherweise entschieden sich die mittelalterlichen Baumeister dazu, die mächtigen Westtürme nicht abzureißen. Stattdessen nahmen sie große Anstrengungen auf sich, das niedrigere romanische Gewölbe in Höhe und Form dem gotischen Langhaus anzupassen. Danach erhöhte man die Türme noch und konnte die Kirche nach 300-jähriger Bauzeit vollenden. Durch eine möglichst originalgetreuen Wiederaufbau nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, hat sich dieser Eindruck bis heute erhalten. 1937 hat Papst Pius IX. dem Dom den Titel einer Basilica minor verliehen.

Weitere Informationen: www.sankt-viktor-xanten.de

Bethen: St. Maria, Mutter der Sieben Schmerzen

Die rote Klinkerfassade der neobarocken Wallfahrtskirche von Bethen.
Bild: ©KNA-Bild

Seit 1448 ist die Wallfahrt zur Schmerzensmadonna von Bethen schriftlich belegt. 1929 konnte die neue Kirche geweiht werden.

Während des Ersten Weltkrieges kamen vor allem Mütter, Ehefrauen, Schwestern oder Töchter von Soldaten in den kleinen Ort südlich von Cloppenburg, um vor dem Gnadenbild der Mutter der Sieben Schmerzen für deren unversehrte Rückkehr zu beten. Die Pilgerzahlen stiegen rasant, eine neue Kirche musste her. Sie sollte auch als Gedenkstätte für die Gefallenen der Gemeinden des Oldenburger Landes dienen. Noch während des Krieges wurde mit den Bauarbeiten begonnen, doch verzögerte die Inflation den Bau. Das neobarocke Gotteshaus ist außen besonders schlicht gestaltet: weiße Putzfelder strukturieren die rot verklinkerten Fassaden. Damit fügt sich die große Kirche harmonisch in die Nachbarschaft mit der alten Wallfahrtskapelle aus dem 17. Jahrhundert. Der Innenraum ist in hellen Farben gehalten, die neobarocken Formen überwiegen, doch wurde der alte Hochaltar nach dem Zweiten Vatikanum abgebaut. Der Altarstein wurde umgearbeitet und dient jetzt als Volksaltar. In seiner Front ist ein Behälter mit Reliquien der heiligen Venustus, Grata, Maria Goretti, Papst Pius X. und Bonifatius eingelassen. 1977 wurde die Wallfahrtskirche von Papst Paul VI. zur Basilica minor erhoben. Der im nahe gelegenen Dinklage geborene Kardinal Clemens August Graf von Galen fühlte sich der Wallfahrtskirche in Bethen zeitlebens sehr verbunden. Deshalb vermachte er ihr seinen Primizkelch. In der Krypta der Kirche wird heute eine Reliquie des seliggesprochenen Bischofs von Münster verwahrt.

Weitere Informationen: www.stmarien-bethen.de

Aschaffenburg: St. Peter und Alexander

Die gotische Fassade und der Turm der Stiftsbasilika in Aschaffenburg aus rotem Sandstein.
Bild: © pusteflower9024 – stock.adobe.com

Die Stiftsbasilika St. Peter und Alexander überschaut Aschaffenburg und die Ufer des Mains.

Zu dieser Kirche muss man aus jeder Richtung aufschauen: Auf einem Hügel über dem Main gründeten die Herzöge von Schwaben im Frühmittelalter ein Stift. Sie vermachten es einige Zeit später den Bischöfen von Mainz, für die es zunächst wichtiger Besitz, später sogar Residenz wurde. Der romanische Vorgängerbau besaß wohl eine Doppelturmfassade. Diese wollte man wohl auch im frühgotischen Neubau umsetzen, doch nur einer der beiden Türme wurde fertiggestellt. Nach Einstellung der Bauarbeiten, stifteten die Oberhirten maßgeblich für die Ausstattung der Kirche. Aus der Gründungsepoche ist ein ottonisches Triumphkreuz erhalten geblieben. Die Kirche beherbergte früher den Maria-Schnee-Altar des berühmten Malers Matthias Grünewald. Davon ist in Aschaffenburg heute noch eine auf Tannenholz gemalte Beweinung Christi verblieben. Der Baldachin über dem spätbarocken Hochaltar erinnert nicht ohne Grund an die Altäre im Petersdom oder in Santa Maria Maggiore: die Aschaffenburger Stiftsherren hatten gute Verbindungen in den Vatikan. Die Schäden durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss konnten bis Ende der 1950er Jahre repariert werden. Zur 1000-Jahr-Feier im Jahre 1958 wurde eine vollständig wiederhergestellte Kirche von Papst Pius XII. zur Päpstlichen Basilika erhoben. Sie ist damit die einzige Päpstliche Basilika im Bistum Würzburg.

Weitere Informationen: www.stiftsbasilika.de

Köln: St. Aposteln

Bild: ©Fotolia.com/etfoto

St. Aposteln in Köln.

Die Bewohner der alten Römerstadt Köln fühlten sich auch im Mittelalter Rom noch sehr verbunden. Deshalb wurde auch der salische Bau St. Aposteln nicht – wie sonst üblich – geostet, sondern hatte den Chor im Westen, wie der Petersdom. Erst Mitte des 12. Jahrhunderts verlegte man den Hauptchor des Gotteshauses nach Westen. Anstatt ein weiteres Querschiff wie im Westen zu errichten, entschied man sich für eine sogenannte Dreikonchenanlage: Man formierte drei halbkreisförmige Chöre kleeblattförmig um eine quadratische Vierung. Den Chor flankieren kleine Türmchen, die Vierung wird überragt von einer Kuppel. Im Westen errichtete man über der zugeschütteten Krypta des alten Baus einen mächtigen Turm. Seit dem Hochmittelalter hat sich an diesem Aussehen kaum etwas verändert. Im Zweiten Weltkrieg wurde St. Aposteln von Fliegerbomben getroffen und stark zerstört. Die historisierenden Mosaiken und Wandmalereien, die man im 19. Jahrhundert im Inneren geschaffen hatte, erachtete man nach dem Krieg jedoch als unzeitgemäß und stellte sie nicht wieder her. Der schwierige Wiederaufbau dauerte aufgrund der massiven Schäden bis 1975. Das wertvollste Stück des Kirchenschatzes ist der Heribertkelch; er stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist wohl der älteste Kelch in den Kirchen Kölns. Er zeigt Darstellungen der zwölf Apostel. Seit 1965 ist St. Aposteln eine Basilica minor.

Weitere Informationen: www.gemeinden.erzbistum-köln.de

Duderstadt: St. Cyriakus

pfarrkirche
Bild: ©KNA

Die St. Cyriakus-Kirche im niedersächsischen Duderstadt.

An der Stelle der heutigen Basilika stand früher eine deutlich kleinere romanische Kirche. Damit darin weiter die Messe gelesen werden konnte, entschied man sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Man baute die neue, deutlich größere Kirche einfach um die alte herum. Zuerst begann man mit der frühgotischen Westfassade, die dem romanischen Gebäude vorgesetzt wurde. Der Plan sah eine Doppelturmfassade vor, doch konnte nur einer der beiden Türme realisiert werden. 150 Jahre später ersetzte man den romanischen durch einen hochgotischen Chor. Als letztes nahm man das Langhaus in Angriff. Während in der romanischen Kirche noch immer Gottesdienste gefeiert wurden, wuchsen die gotischen Mauern um sie herum. 1490 schloss man die Gewölbe der Staffelhalle, eine Sonderform der spätgotischen Hallenkirche, ab. Nach einem Brand im Jahr 1852 wurde die barocke Innenausstattung regotisiert und auch der zweite Turm der Westfassade errichtet. Papst Franziskus erhob St. Cyriakus 2015 zur Basilica minor.

Weitere Informationen: www.kirche-duderstadt.de

Von Cornelius Stiegemann