Spätbarocke Stuckatur, frühgotische Fresken und ganz viel Blattgold
Kevelaer: Marienbasilika
Seit 1642 pilgern Gläubige in die kleine Stadt Kevelaer am Niederrhein. Das waren schon immer viele. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts wurden es schlagartig mehr. Denn Kevelaer war an das neue Eisenbahnnetz angeschlossen worden. Um die großen Pilgergottesdienste feiern zu können, baute man von 1858 bis 1864 neben das "Kapellchen" eine Wallfahrtskirche im neugotischen Stil. Der 90 Meter hohe Turm des Ziegelbaus wurde erst in den 1880er Jahren gebaut. Als die große Wallfahrtskirche von Kevelaer 1923 dann zur Päpstlichen Basilika erhoben wurde, war sie eigentlich noch nicht ganz fertig. Denn die Deckengemälde fehlten noch: Der Kirchenmaler Friedrich Stummel hatte 1891 mit der Ausmalung des Gotteshauses begonnen. Die Finanzierung bereitete der kleinen Gemeinde große Probleme und so zog sich Stummels Arbeit. Er konzentrierte sich zunächst auf die figürlichen Darstellungen im Querhaus. Im linken Querschiff sollte Stummel endzeitliche Szenen malen. Er bedeckte die Wand jedoch mit Szenen der Zerstörungen des Ersten Weltkriegs. Und er machte auch auf deutsche Kriegsverbrechen aufmerksam, indem er die Versenkung der RMS Lusitania darstellte. Auf bischöfliche Anweisung musste er sein Werk übermalen. Für das Kirchenschiff schwebte ihm – weniger provokant – ein goldener Sternenhimmel auf azurblauem Grund vor, ganz wie in der Sainte-Chapelle in Paris. Doch den Kevelaerern ging wieder das Geld aus. Stummels Schüler Heinrich Holtmann übernahm die Arbeit nach dessen Tod. Doch auch er konnte nur den Chor vollenden, das Langhaus blieb unverziert. Erst im Jahr 1991 wurden die Arbeiten im Langhaus – nach Stummels Originalplänen – fortgesetzt. Die Kirche ziert nun endlich ein prächtiger Himmel mit ungezählten Sternen. Nur vorne in den Seitenschiffen ist der Himmel leer – den Kevelaerern war mal wieder das Geld ausgegangen.
Weitere Informationen: www.wallfahrt-kevelaer.de
Augsburg: St. Ulrich und Afra
An diesem Ort soll die frühchristliche Märtyrerin Afra, Stadtpatronin von Augsburg, begraben worden sein. Jedenfalls wird sie hier seit alter Zeit verehrt. An gleicher Stelle standen vor der heutigen Basilika schon ein spätrömischer Bau, eine merowingische und schließlich eine romanische Kirche. In diesem fand auch Bischof Ulrich von Augsburg 973 seine letzte Ruhestätte. Die baufällig gewordene romanische Kirche wurde 1466 Stück für Stück abgerissen, um Platz für einen spätgotischen Neubau zu schaffen. 1474 begannen die Bauarbeiten. 25 Jahre später konnten die kunstvollen Sternnetzgewölbe des Langhauses fertiggestellt werden. Der spätere römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. legte 1500 den Grundstein für den Chor seines "Reichsgotteshauses". Doch sollte er die Vollendung nicht mehr erleben. Die Bauarbeiten wurden 1537 eingestellt. Grund dafür waren die Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken in der Stadt. Trotzdem spendeten namhafte Stifter wie die Familie Fugger eine reiche Ausstattung für den Innenraum der Kirche. Diese ging in der Zeit der Bilderstürme im Zuge der Reformation größtenteils verloren. Erst Anfang des 17. Jahrhunderts waren Chor und Turm fertig. Die verlorene Ausstattung wurde ersetzt. Die Kirche erhielt drei prächtige Altäre. Sie sind im Stil der Renaissance gestaltet, zitieren aber ganz bewusst gotische Elemente. So fügen sich die deutlich später entstandenen Kunstwerke gut in den übrigen Raum ein. 1762 erfolgte eine Umgestaltung des Gotteshauses im Stile des Rokoko. Papst Pius XI. erhob St. Ulrich und Afra am 4. Juli 1937 zur Basilica minor.
Weitere Informationen: www.ulrichsbasilika.de
Weingarten: Basilika St. Martin
Die frühere Stiftskirche der Reichsabtei Weingarten wird auch das "schwäbische St. Peter" genannt. Denn der Bau im Stile des Spätbarocks ist ziemlich genau halb so groß wie der Petersdom in Rom. Das war Absicht: Die Kirche sollte zur Verherrlichung Gottes gereichen, aber auch den großen Einfluss der mächtigen Reichsabtei bezeugen. Mit einer Länge von 102 Metern und einer Kuppelhöhe von 67 Metern ist St. Martin das größte barocke Kirchenbauwerk nördlich der Alpen. Der streng weiße Raum wird durch die farbenfrohen Fresken des berühmten Malers Cosmas Damian Asam eindrucksvoll kontrastiert. Die Orgel von St. Michael zählt 6.666 Pfeifen, gemäß der Peitschenhiebe Jesu. Der Orgelbaumeister Joseph Gabler meisterte die besondere Schwierigkeit, die Westfenster durch das Instrument nicht zu verdecken. Seit 1750 verzaubert die Orgel so Betrachter mit ihrer außergewöhnlich kunstvollen Verzierung und Zuhörer mit der "Vox Humana", einem Register, dessen Klang an die menschliche Stimme erinnern soll. St. Martin verfügt noch über einen besonderen Schatz: 1094 stiftete Judith von Flandern, die Gattin des bayerischen Herzogs Welf IV., den Mönchen eine Heilig-Blut-Reliquie. Dabei handelt es sich um etwas Erde vom Berg Golgatha, die mit dem Blut Christi getränkt sein soll. Man mag es kaum glauben, doch die Schenkungen der Welfen an ihr Hauskloster und ihre Grablege waren derart reich, dass sie zunächst kaum auffiel. Erst ab dem Spätmittelalter entwickelten sich Verehrung und Wallfahrt. Der Bluttritt am Freitag nach Christi Himmelfahrt, bei dem Straßen und Felder mit der Blutreliquie gesegnet werden, gilt als größte Reiterprozession Europas. Anlässlich der 900-Jahr-Feier der Stiftung des Klosters durch die Welfen erhob Papst Pius XII. St. Martin 1956 zur Basilica Minor.
Weitere Informationen: www.st-martin-weingarten.de
Altenstadt: St. Michael
Das ehemalige Schongau lag an der alten Römerstraße Via Augusta und war auch im Mittelalter noch eine wichtige Station für Reisende und Kaufleute auf ihrem Weg von Augsburg nach Tirol und Italien. Der Austausch über die Alpen hinweg erklärt, warum sich die Baumeister der romanischen Kirche stark an norditalienischen Vorbildern orientierten. Sie schufen eine monumentale Basilika ohne Querschiff. Wann genau sich die Bürger des ehemaligen Schongau für einen Neubau ihrer Kirche entschieden, ist nicht überliefert. Dendrochronologische Analysen einiger Holzbalken legen jedoch einen Bau Ende des 12. Jahrhunderts nahe. Noch während der Bauzeit müssen die ersten Bürger der Stadt den zwei Kilometer östlich gelegenen Umlaufberg des Lechs besiedelt haben. Er war verkehrstechnisch günstiger gelegen und einfacher zu verteidigen. Im frühen 13. Jahrhundert wurde die Siedlung schließlich ganz verlegt. Die Bürger nahmen alles mit, selbst den Stadtnamen. So wurde aus der alten Stadt Schongau Altenstadt. Zurück blieben hauptsächlich Bauern. Dieser Umstand war jedoch ein Glücksfall für die Kirche, die aufgrund von Geldmangel in ihrer romanischen Substanz größtenteils unangetastet blieb. Nicht einmal die Barockisierung, die sonst überall im "Pfaffenwinkel" am Lech Einzug hielt, konnte sich hier durchsetzen. Im 19. Jahrhundert vorgenommene Umbauten im neoromanischen Stil wurden 1960er Jahren wieder zurückgenommen. Papst Paul VI. erhob die Kirche 1965 dann zur Basilica minor. Der Innenraum der Basilika offenbart sich dem Besucher als hell und schlicht. Er wird bestimmt von sechs wuchtigen Säulen, auf denen ein rippenloses Gewölbe ruht. Die Apsiden sind steinsichtig, die Seitenwände weiß verputzt. Im Chor hat sich ein frühgotisches Fresko erhalten, das den Erzengel Michael als Seelenwäger zeigt. Im südlichen Seitenschiff der Kirche steht seit 1994 der originale romanische Taufstein von St. Michael. Auch hier findet sich neben Darstellungen der Muttergottes mit Kind und Johannes dem Täufer wieder der Erzengel Michael. Im gleichen Jahr fand man beim Ausbau der alten Orgel ein acht Meter hohes Wandgemälde aus dem Jahr 1200, das den heiligen Christophorus zeigt.
Weitere Informationen: www.pg-altenstadt.de
Saarbrücken: Basilika St. Johann
Der Bau der heutigen Kirche St. Johann war ein interkonfessioneller und interreligiöser Erfolg: Der katholische König von Frankreich spendete 20.000 Francs, der protestantische Landesherr, der Herzog von Oranien-Nassau, stellte das Holz für den Bau aus seinen Wäldern und bat sogar den Papst um Unterstützung, der Kirchturm wurde durch den jüdischen Bankier Cerf Beer finanziert. Das hatte gut 70 Jahre zuvor noch anders ausgesehen: 1683 besuchte der französische König Ludwig XIV. Saarbrücken – musste aber in einer Scheune die Messe feiern. Denn 1575 hatte der Herzog von Oranien-Nassau die Bevölkerung des Saarlandes gezwungen zum Protestantismus überzutreten. Auf Druck des Sonnenkönigs traten die Protestanten die kleine Kapelle St. Johann an die Katholiken ab. Um ihren Einfluss auf das Saarland auszubauen, unterstützten die Könige Frankreichs die schnell wachsende Gemeinde finanziell. Deshalb auch die große Spende für den barocken Neubau von Friedrich Joachim Stengel von 1754. Die ursprünglich reiche Ausstattung der Kirche wurde im Zuge der Französischen Revolution zerstört und im 19. Jahrhundert nur teilweise wiederhergestellt. Erst in den 1970er Jahren wurde der Innenraum umfassend rebarockisiert. Bauliche Veränderungen der letzten Jahrhunderte wurden zurückgenommen. Unter 18 jüngeren Farbschichten wurde die ursprüngliche Fassung der Wände und Decken in Weiß und Meeresgrün entdeckt. Auch die aufwendigen Stuckverzierungen konnten rekonstruiert werden. Pünktlich zum Abschluss der Arbeiten erhielt St. Johann 1975 den Titel einer Päpstlichen Basilika durch Paul VI.
Weitere Informationen: www.pfarrei-st-johann.de
Ulm: Klosterkirche St. Martin
Anfang des 18. Jahrhunderts standen die Benediktiner von St. Martin in Wiblingen vor einem chaotischen Gebilde: Rund um ihre romanische Abteikirche waren im Lauf der Zeit vollkommen ungeordnet Konvents- und Funktionsgebäude gewuchert. Damit sollte jetzt Schluss sein. Nach einer wechselvollen Geschichte erlebte das Kloster gerade eine geistige wie finanzielle Blüte. Das neue Prestige wollten die Mönche mit einem Klosterneubau ausdrücken. Dafür nahmen sie sich den wohl geordnetesten Klosterbau Europas zum Vorbild: El Escorial, den Klosterpalast Philips II. nahe der spanischen Hauptstadt Madrid. 1714 begannen die Bauarbeiten im spätbarocken Stil. Die Klosterkirche sollte als letztes Teil dieses symmetrischen Ensembles fertiggestellt werden. Doch sie wurde nicht ganz fertig. Gleich zwei Äbte hintereinander verschleppten die Bauarbeiten. Die über Eck gestellten Türme und die bewegte Fassade konnten nicht mehr vollendet werden, aller verzweifelten Versuche des letzten Abts, Ulrich Keck, zum Trotz. Der Einmarsch napoleonischer Truppen und wenig später die Säkularisation machten weiter Baumaßnahmen völlig unmöglich. Und so bietet sich dem heutigen Besucher ein starker Kontrast: Die schwingenden Konturen und überbordende Farbenpracht der Rokoko-Bibliothek des ehemaligen Klosters versus einer sandsteinernen, fast asketischen Kirchenfassade. Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, das Betreten der Kirche lohnt sich. Der Freskenmaler Januarius Zick orientierte sich für die Gestaltung des Innenraums nämlich nicht mehr an den letzten Ausläufern des Barock, sondern wählte einen "griechischen Stil". Das heißt, sein Kirchenraum ist im frühen Klassizismus gehalten. Es dominieren hier strenge Geometrien und klare, weiße Formen. Doch schließt das weder reiche Blattgoldverzierungen noch farbenfrohe Deckengemälde aus. Papst Johannes Paul II. erhob die Klosterkirche 1993 zur Basilika.
Weitere Informationen: www.ulm-basilika.de
Boppard: St. Severus
Die Kirche St. Severus in Boppard wurde nicht auf einem bereits bestehenden vorchristlichen Heiligtum errichtet, sondern auf den Resten eines Badehauses. Dieses hatte zu einem Kastell gehört, dass die Römer Mitte des dritten Jahrhunderts am Ufer des Rheins errichtet hatten. Nach einem Brand im fünften Jahrhundert richtete die aus gallorömischen und germanischen Christen bestehende Gemeinde in seinem 32 Meter langen Hauptraum ihr Gotteshaus ein. In den Jahren 1963 bis 1967 stießen Archäologen auf die Überreste eines Ambos und eines Baptisteriums. Neben dem Becken unter dem Chor des Kölner Doms ist es das einzige antike Ganzkörpertaufbecken in Deutschland. Der heutige Bau stammt hauptsächlich aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Zunächst wurde mit den beiden mächtigen romanischen Türmen begonnen. Aufgrund mehrerer Planänderungen wurden Kirchenschiff und Chor mit einiger zeitlicher Verzögerung gebaut. Deshalb zeigt sich an ihnen schon der sogenannte Rheinische Übergangsstil: Die mittelalterlichen Bauleute kannten die aus Frankreich kommende Gotik bereits, wussten allerdings noch nicht, wie man sie statisch umsetzte. Deshalb ahmten sie die Formgebung nur nach. Das kann man sehr gut an den gotisch scheinenden Netzgewölben in St. Severus erkennen. Denn diese sind eigentlich romanische Tonnengewölbe sind, unter deren Streben man Zierrippen einfügte. Der Neubau wurde vermutlich 1225 fertiggestellt. Im Kontext der erneuten Weihe findet sich auch die erste Erwähnung des heutigen Kirchenpatrons St. Severus. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ersetzte man die flachen Rautenhelme der Türme durch weithin sichtbare Spitzhelme. Auf Höhe der Turmuhr wurden diese dann mit einer hölzernen Brücke verbunden, in der der städtische Nachtwächter eine Wachstube hatte. Scherzhaft betitelten die Bopparder diese Konstruktion deshalb als "höchste Brücke am Rhein". 1859 wurde die Brücke jedoch abgerissen. Bei umfassenden Renovierungen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die spätromanische Ausmalung unter jüngeren Putzschichten entdeckt. Weil die mittelalterliche Bemalung nicht mehr gerettet werden konnte, pauste man die Bilder ab und trug sie originalgetreu wieder auf. Als neunte Kirche im Bistum Trier erhob Papst Franziskus St. Severus 2015 zur Basilica minor.
Weitere Informationen: www.sankt-severus.de