"Die Kreuztragung": Der Weg des christlichen Glaubens in dieser Welt
Dass Simon von Kyrene Jesus auf dem Weg nach Golgota hilft, seine Last zu tragen, gehört zum Kern jedes Kreuzwegs. "Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Kyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage", berichtet der Evangelist Lukas (23,26). Bei Matthäus (27,32) ist weiter zu erfahren, dass sie ihn regelrecht dazu zwingen mussten. Bei Markus (15,21) wird betont, dass er bloß zufällig vorüberging und der Vater von Rufus und Alexander war.
Simon von Kyrene drängt sich nicht auf. Er ruft nicht: Lasst mich doch tragen! Keiner von uns, der die Hand ohne zu zögern hebt, wenn es darum geht, das Kreuz auf sich zu nehmen. Auch der Mann aus Kyrene handelt bloß auf Zuruf: Weil es ihn plötzlich von der Seite her trifft. Weil er nicht damit gerechnet hat, er nicht schnell genug wegkommen kann – weil die Macht nach ihm greift und ihm die Last des Anderen auf die Schultern legt.
Wer ist dieser Simon, der auf seinem Heimweg von der Feldarbeit plötzlich aufgeschreckt wird, um in einen unerwarteten Dienst zu treten? Der aber nicht zaudert und zögert, sondern einfach zupackt, obwohl er diesen Jesus gar nicht kennt? Wir wissen es nicht, denn wir kennen ihn nicht. Das einzige, was wir von ihm wissen, ist, dass er nicht tat, was er wollte, sondern das, was er musste und dass er tat, was er musste, weil er es wollte. Und genau auf diese Weise kam er ins Evangelium.
Er beginnt, das Holz zu schleppen, weil man ihn zwingt. Weil ein schroffer Legionär ihn zum Dienst presst. Aber Simon bleibt nicht passiv. Er trifft eine Entscheidung. Er fragt nicht; er rechnet und richtet nicht, nimmt das Folterwerkzeug auf seine Schultern und begleitet den, der die Hauptlast zu tragen hat, klaglos. Ist das nicht der Weg des christlichen Glaubens in dieser Welt? Eines Glaubens, der versucht, die Situation anzunehmen, statt immer weiter "Warum?" lieber zu fragen "Wozu?" – und was kann ich in dieser Situation tun.
Keiner kann die Pandemie mit einem Befehl beenden; keiner die Kontaktsperre zwischen Kindern und Eltern in Pflegeheimen einfach außer Kraft setzen. Keiner kann ungeschehen machen, dass Tausende täglich sterben – in Italien, Spanien, in den USA, aber auch bei uns –, ohne dass Angehörige an ihrer Seite stehen, ihre Hand halten und ihnen das letzte Geleit geben. Aber wo ist selbst im Schlimmsten und Schmerzhaftesten, wo in Furcht und Zittern, wo in der gegenwärtigen Corona-Krise etwas zu entdecken, das an das Gute im Menschen erinnert? An Solidarität und Mittragen?
Ich erinnere mich: Als Kind habe ich damit begonnen, die Kreuzwegstationen unserer Kirche forschend zu betrachten. Ich war auf der Suche nach einer Figur, mit der ich mich identifizieren konnte: Wohl denen, die es in diesen Tagen wie Pflegerinnen und Pfleger, Krankenschwestern und Ärzte, Seelsorgerinnen und Priester, wagen, ein Simon von Kyrene zu sein: Menschen, die das Kreuz von einer Station zur nächsten tragen.