Es ist das meist gesprochene Gebet der Christen in aller Welt und in allen Sprachen.

Das Vaterunser – Das bekannteste Gebet

Veröffentlicht am 25.03.2020 um 11:15 Uhr – Von Margret Nußbaum – Lesedauer: 

Bonn ‐ Jesus selbst hat es seine Jünger zu beten gelehrt. Sehr viel Substanz steckt im Vaterunser. Die folgende Betrachtung erklärt nicht nur die Bedeutung dieses Gebetes, sondern soll auch zum Nachdenken und Meditieren anregen.

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Das Vaterunser ist das im Christentum am weitesten verbreitete Gebet, das Jesus Christus seine Jünger selbst gelehrt hat. Es ist das meist gesprochene Gebet der Christen in aller Welt. Sehr viel Substanz steckt in diesem Gebet. Die folgende Betrachtung erklärt nicht nur die Bedeutung des Vaterunser, sondern soll auch zum Nachdenken und Meditieren anregen.

Der Text des Vaterunser

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Die Betrachtung des Vaterunser

Vater unser im Himmel

Wir dürfen Gott Vater nennen, denn durch die Taufe und durch den Glauben an Jesus Christus sind wir zu Kindern Gottes geworden. Gott, unser Vater, kennt uns von Mutterleib an, er hat uns geformt, uns ins Leben gerufen. Und in der Taufe hat er uns zugesagt: "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein." (Jesaja 43,1)

Wir gehören alle zu Gottes Familie, und deshalb beten wir auch nicht "Mein Vater", sondern "Vater unser im Himmel". Jesus ruft uns in die Gemeinschaft seiner Jüngerinnen und Jünger. Er war den ersten von ihnen ein guter Lehrer und Ratgeber. Und sie haben uns alles, was er gelehrt und bewirkt hat, als Vermächtnis hinterlassen. In der Gemeinschaft derer, die mit uns im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind, üben wir Nächstenliebe, die Bereitschaft, andere anzunehmen, wie sie sind, und auch denen zu vergeben, die uns das Leben schwer machen. Keine leichte Aufgabe – aber wir dürfen der Hilfe Gottes, unseres Vaters sicher sein.

Geheiligt werde dein Name

Gottes Namen zu heiligen, heißt, Gott zu verehren, ihn zu lobpreisen – im Gebet, aber auch in den Handlungen unseres Alltags. Nehme ich mir täglich Zeit fürs Gebet? Für ein "Dank sei Gott!", wenn eine Sache gut ausgegangen ist? Für ein "Bleib bei mir, Gott!", wenn ich vor einer schwierigen Aufgabe stehe? Für ein "Verlass mich nicht, Gott!", wenn ich einen Schicksalsschlag hinnehmen muss? Lebe ich so, dass ich mir der Würde bewusst bin, die Gott mir in der Taufe mit seiner Zusage verliehen hat: "Du bist mein geliebtes Kind"? Bemühe ich mich, ehrfürchtig von Gott, meinem Vater, zu reden? Behandle ich andere mit Liebe und Respekt, weil Gott mich so innig liebt, dass er auch dann nicht von mir lässt, wenn ich mich von ihm abwende?

Betendes Mädchen beim Kindergottesdienst in der Kirche von Titicachi, Bolivien.
Bild: ©Adveniat/Achim Pohl

Das Vaterunser wird weltweit gebetet, auch beim Kindergottesdienst in der Kirche von Titicachi, Bolivien.

Dein Reich komme

Was meinen wir, wenn wir beten "Dein Reich komme"? Betrachten wir unsere Welt, fällt es uns schwer, das Reich Gottes darin zu erkennen. Wir sehen Krieg, Terror, Gewalt, Krankheit, Leid und Tod. Täglich lesen wir in den Zeitungen von Korruption, Mord, Totschlag, Katastrophen. Wir sehen zerrüttete Familien, Kinder, um die sich niemand kümmert, wir hören von Hunger und Elend in den Entwicklungsländern.

Als gläubige Christen befinden wir uns mittendrin in einem riesigen Widerspruch. Wir spüren die Verbindung zu Gott, erleben sein Wirken in und an uns. Andererseits fühlen wir uns hilflos in einer immer gottloser werdenden Welt, die ihre eigenen Regeln hat, die Gott außen vor lässt. Mit der Bitte "Dein Reich komme" gehen wir ein Versprechen ein, nämlich alles zu tun, was in unserer Macht steht, die Welt ein klein wenig menschlicher und gottgefälliger zu gestalten – Tag für Tag aufs Neue, ohne zu resignieren.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden

Was wäre, wenn Jesus gebetet hätte "Hilf mir, meinen Willen durchzusetzen und das zu tun, was ich mir vornehme!"? Was passiert, wenn ich immer nur mich und meinen eigenen Weg sehe - ohne Rücksicht darauf, ob ich andere mitnehme oder stehen lasse? Es wäre kein guter Lebensweg – ohne Besinnung auf den Willen Gottes und ohne darauf zu hören, was mir Gott, mein Vater, sagen möchte. Jede und jeder hat öfter schon erfahren, dass sich das Durchkreuzen eigener Pläne im Nachhinein als Segen erwiesen hat. Dass man feststellen musste: Zum Glück ist es so gekommen und nicht, wie ursprünglich geplant. Ist der Gedanke daran, dass Gott da vielleicht seine Hand im Spiel hatte, wirklich ausgeschlossen? Immerhin hat er sich etwas dabei gedacht, als er uns erschaffen und uns Talente und Fähigkeiten mit auf den Weg gegeben hat. Versuchen herauszufinden, was Gott von uns will, können wir vor allem im Gebet. Vielleicht offenbart er uns öfter seinen Willen, als wir es bisher wahrgenommen haben. Beten hilft, alle Sinne zu schärfen und (wieder) einen neuen Blick auf unsere Gottesbeziehung zu erhalten. Wenn wir beten "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden", bitten wir Gott, uns zu lenken und uns – wie das Navigationssystem unseres Autos - auf den richtigen Weg zurückzuführen.

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Video: © katholisch.de

Die Dominikanerin Schwester Ursula Hertewich aus Koblenz betet das "Vater unser" und erklärt, was das Gebet bedeutet.

Unser tägliches Brot gib uns heute

Gott nimmt Anteil, wenn wir uns um unser tägliches Brot, um unseren Arbeitsplatz, um unsere Gesundheit und die unserer Familie sorgen, wenn wir unter Existenzängsten leiden. Er nimmt uns in unserem Alltag wahr. Welcher Vater sorgt sich nicht um seine Kinder?! Es ist gut, Gott jeden Tag um das Notwendige für unser Leben, unsere Erfüllung, unser Glück zu bitten, darauf zu vertrauen, dass er uns gibt, was wir brauchen. Um dieses Vertrauen in die Güte des Vaters geht es in dieser Bitte des Vaterunsers. Aber auch der Blick über unseren Tellerrand hinaus ist dabei wichtig. Wenn wir beten „Unser tägliches Brot gib uns heute“, denken wir nicht nur an uns, unsere Familie, unsere Freunde, sondern vor allem auch an Menschen, die nicht wissen, wo sie heute ihr tägliches Brot herbekommen sollen. Die Nahrung auf unserem Planeten ist ungerecht verteilt. Die Gier der Reichen nimmt den Armen jegliche Lebensgrundlage. Daran erinnert uns die Bitte des Vaterunsers um das tägliche Brot. Sie soll uns zur Geschwisterlichkeit aufrufen mit Menschen, denen es am Nötigsten fehlt.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern

Was dies konkret bedeutet, erzählt Jesus im Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger (Matthäus 18,23-35): Ein König hat Mitleid mit einem Diener und erlässt ihm die ganze Schuld. Der Diener aber lässt einen andern, der ihm Geld schuldet, ins Gefängnis werfen. Der König wird zornig und übergibt den Diener, dem er die Schuld erlassen hatte, den Folterknechten. Die Goldene Regel, die in vielen Religionen Maßstab ethischen Handelns ist, bringt die Bitte des Vaterunsers und das Gleichnis Jesu auf den Punkt: Behandle andere so, wie du auch behandelt werden möchtest. Natürlich ist das nicht immer einfach. Wie sollen wir jemandem verzeihen, der uns so tief verletzt hat, dass wir die dadurch zugefügten Verletzungen nur durch therapeutische Hilfe heilen können? Doch Gott überfordert niemanden. Wir dürfen mit allem zu ihm kommen – auch mit unserem Unvermögen zu verzeihen. Aber wir können ihn bitten, uns zu helfen, im Laufe der Zeit versöhnlicher gestimmt zu sein. Und wir können sicher sein, dass er uns unsere Sünden vergibt – auch unsere Schwierigkeiten mit dem Versöhnen. Wer auch immer Gott um Vergebung bittet, dem wird vergeben. Im ersten Johannesbrief (1,9) heißt es: "Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht."

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Video: © katholisch.de

Was bedeutet Beten? Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Wir alle haben den Willen zum Guten in uns. Wenn da nicht die vielen kleinen und größeren Versuchungen wären, die uns anders handeln und reden lassen, als wir es uns eigentlich vorgenommen hatten: Sich für die gemobbte Kollegin stark machen? "Sie hat selber Schuld an der Situation. Soll sie doch schauen, wie sie klar kommt!" - "Meinem Bruder mitsamt Familie auf dem Weg in den Urlaub Quartier bei mir zu Hause bieten? Das ist mir viel zu lästig. Da sag ich besser, dass ich gar nicht zu Hause bin." - "Meiner Mutter am Telefon geduldig zuhören? Das nervt doch nur, da nehme ich besser erst gar nicht den Hörer ab, wenn ich ihre Nummer auf dem Display erkenne." Jede und jeder von uns kann da auf eine ganze Reihe von Versuchungen zurückblicken. "Erlöse uns von dem Bösen": Das Böse ist mitten unter uns. Auch Jesus hat es zu spüren bekommen, als er in der Wüste vom Teufel versucht wurde. Betend widersagte er den Verlockungen des Bösen. Und so lehrt uns diese Vaterunser-Bitte, dass wir nur den Versuchungen des täglichen Lebens, den Einflüsterungen des Bösen entkommen und sie entlarven können, wenn wir Gott inständig darum bitten.

Von Margret Nußbaum

Vater unser - Notre Père - Padre nuestro

Zehn Personen haben für katholisch.de das meistgesprochene Gebet der christlichen Welt in verschiedenen Sprachen gesprochen.

Aktualisiert am 25. März 2020.