60 Jahre nach Beginn des Konzils brauche es weiter Reformen

ZdK-Präsidentin: Nicht auf Visionen des Zweiten Vatikanums ausruhen

Veröffentlicht am 11.10.2022 um 12:24 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Köln/Innsbruck ‐ Vor 60 Jahren begann das Konzil, das die Kirche dialogfähig mit der Gegenwart machen sollte. Auf den Errungenschaften der Konzilszeit dürfe man sich aber nicht ausruhen, betont die ZdK-Präsidentin – und fordert mehr Reformbereitschaft in Rom.

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Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, mahnt angesichts des 60. Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils dazu, sich nicht auf den Visionen vergangener Jahrzehnte auszuruhen. Man könne nicht darauf verzichten, die Kirche zukunftsfähig zu machen, sagte die ZdK-Präsidentin am Dienstag. "Die Welt dreht sich weiter, und eine Kirche, die das nicht spürt, kommt nicht mehr mit. Heute ist die Gleichberechtigung von Frauen, ist die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft und das Verlangen nach Macht- und Gewaltenteilung bei Entscheidungsprozessen in der Kirche drängend", betonte die ZdK-Präsidentin. Wenn die Kirche sich an diesen Punkten nicht verändere, werde sie immer mehr Mitglieder verlieren und sich mindestens in Europa auch gesellschaftlich marginalisieren.

Beim Konzil seien die Zeichen der Zeit gedeutet worden. Stetter-Karp würdigte die damals gefundenen Innovationen im theologischen Denken. Dazu gehörten das Verhältnis zu anderen Religionen, die Liturgiereform und ein neues Denken über das Verhältnis zwischen Kirche und Mensch sowie eine neue Teilhabekultur, aus der auch das ZdK in seiner heutigen Form hervorgegangen sei. Umso bedauerlicher sei es, dass die aktuellen, weltweiten Ansätze zur Erneuerung der Kirche im Vatikan auf teils irritierende Widerstände stießen, so die ZdK-Präsidentin weiter: "Synodale Wege werden überall kritisch beäugt. Der Synodale Weg, auf den wir uns in Deutschland zusammen mit den Bischöfen begeben haben, ist in jüngster Zeit in Rom besonders stark kritisiert worden." Immer noch sei das Gesprächsangebot des Synodalpräsidiums in Rom nicht angenommen worden.

KDFB mahnt mehr Gleichberechtigung an

Auch der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) setzte das Konzil mit dem Synodalen Weg in Beziehung. Das Konzil wirke nach, und noch seien nicht alle Ressourcen gehoben. "Seit dem Konzil ist die gesellschaftliche und politische Partizipation von Frauen weiter fortgeschritten. Leider ist die Kirche dieser Entwicklung nicht gefolgt", bedauerte die KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth am Dienstag. Dabei habe das Konzil dies in seinem Dekret über das Laienapostolat selbst gefordert, in dem es als "von großer Wichtigkeit" bezeichnet wird, dass Frauen "auch an den verschiedenen Bereichen des Apostolats der Kirche wachsenden Anteil nehmen". "Wir appellieren daher an die Bischöfe, die Chance des Synodalen Wegs zu ergreifen und kraftvoll den vor 60 Jahren mutig begonnenen Reformprozess fortzusetzen", so Flachsbarth weiter. Ziel müsse eine Kirche sein, in der Frauen und Männer ihrer Berufung folgen und in gleicher Weise Verantwortung für eine zukunftsfähige Kirche und eine starke Gemeinschaft der Glaubenden übernehmen könnten.

Der emeritierte Innsbrucker Dogmatiker Roman Siebenrock sieht noch nicht alle "Hausaufgaben" des Zweiten Vatikanums als erledigt an. Im Interview mit dem Vorarlberger Kirchenblatt bezeichnete er Forderungen nach einem neuen Konzil daher als verfrüht. "Ein neues Konzil kann es nur geben, wenn Frauen vollgültig mitstimmen dürfen und wenn es zu einer substanziellen ökumenischen Einheit dadurch kommen könnte und unsere Kirche sich nicht dadurch noch mehr spalten würde, als sie eh schon gespalten ist", so der Theologe. Es sei aber möglich, dass der von Papst Franziskus angeregte weltweite synodale Prozess eine erste Etappe auf ein kommendes Konzil hin darstellen könnte. Dabei müsse sich aber die Kirche in Europa dessen bewusst sein, dass mit dem Zweiten Vatikanum die Kirche zu einer echten Weltkirche geworden sei. Das werde auch Auswirkungen auf weitere Konzilien haben und verlange vom Westen ein radikales Umdenken: "Das bedeutet, dass wir Europäer nicht mehr die erste Geige spielen werden, sondern die Kirchen des Südens wesentlich mitentscheiden. Das bedeutet ganz konkret, und dieses Bewusstsein ist im deutschen synodalen Prozess kaum vorhanden, dass z.B. im Bereich der normativen Sexualität und Lebensformen auch andere Kulturen ein gewichtiges Wort mitreden werden", so der Dogmatiker weiter.

Das Zweite Vatikanische Konzil wurde am 11. Oktober 1962 durch Papst Johannes XXIII. eröffnet, um die Kirche pastoral und ökumenisch zu erneuern. Bis zur letzten Sitzungsperiode im Jahr 1965 berieten die Konzilsväter Beschlüsse und Erklärungen, die heute noch von grundlegender Bedeutung sind. Zu den wichtigsten Dokumenten des Konzils gehören die Pastoralkonstitution “Gaudium et spes” über die Kirche in der Welt von heute sowie die Dogmatische Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”. (fxn)