Generalsekretär zu Synode: Themen des Westens in Indien nicht relevant
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Allein schon wegen der schieren geografischen Größe des Gebietes, für das die CCBI verantwortlich ist, war der synodale Prozess wohl eine der größten landesweiten Aktionen der vergangenen Jahre in der Kirche. Zu Beginn war vielen Gläubigen noch nicht klar, was genau unter einer Synode zu verstehen ist. Viele hatten das Wort "Synode" noch nie gehört. Daher haben Bischöfe, Priester und Laien die Gläubigen zunächst über die Bedeutung und den Umfang der Synode informiert. Das "Gebet für die Synode", das Vorbereitungsdokument und das Vademecum aus dem Vatikan wurden in 49 lokale Sprachen übersetzt. In jeder Diözese wurden Ansprechpartner ernannt, die die Schulungen der Moderatoren koordinierten.
Obwohl die regelmäßige Durchführung von Diözesansynoden kirchenrechtlich vorgesehen ist, gibt es in Indien zahlreiche Diözesen, in denen lange keine Synode mehr stattgefunden hat. Deshalb reagierten einige Bischöfe und Priester zögerlich und hinhaltend, als es darum ging, effektive Strukturen und Mechanismen für die Konsultationen zu schaffen.
„Für viele war es das erste Mal, dass sie sich zu Stärken und Schwächen der Kirche äußern konnten.“
Doch davon abgesehen waren die meisten Menschen von dem Prozess des "Zuhörens und Redens" wirklich begeistert. Das wurde auch in den Diözesansynoden spürbar, die überwiegend im Mai 2022 stattfanden. Insgesamt 129 der 132 Diözesen der Kirche in Indien führten die Konsultationen für die Weltbischofssynode durch und legten einem zentralen Koordinationsteam der CCBI ihre Zusammenfassungen vor. Es kamen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zu Wort: Kinder, Jugendliche, Eheleute, getrenntlebende Menschen, LGBTQIA+-Menschen, aber auch in Armut lebende Menschen, Menschen mit Behinderung, Migranten oder Gefängnisinsassen. Zum Teil wurden auch Angehörige anderer Kirchen, kirchlicher Gemeinschaften und Glaubensrichtungen in die Beratungen einbezogen, und sie brachten ihre Wertschätzung für diese Initiative der Katholischen Kirche zum Ausdruck.
Aus den Beiträgen der Teilnehmenden wurde deutlich, dass sie die Bemühungen der Kirche begrüßten, einen Prozess des Nachdenkens und des Dialogs einzuleiten. Für viele war es das erste Mal, dass sie gebeten wurden, sich zur Kirche, zu ihren Strukturen, ihren Stärken und Schwächen und zu ihrer eigenen Teilhabe am Leben der Kirche zu äußern. In den Teilnehmenden wuchs das Bewusstsein dafür, dass die Ortskirche Teil der Weltkirche ist. Nach den pandemiebedingten Schließungen empfanden viele Gläubige den Prozess auch als einen Art Neubeginn für die Kirche.
Die Zusammenfassungen, die aus den 129 Diözesen beim zentralen Koordinationsteam eingingen, umfassten mehr als 1.500 Seiten. Eine zehnseitige Synthese daraus wurde dann an das Generalsekretariat der Synode in Rom übermittelt.
Auf dem gemeinsamen Weg dieses Vorbereitungsprozesses für die Weltbischofssynode ließ sich die Kirche in Indien vom Licht des Heiligen Geistes leiten. Einerseits erfüllten zahlreiche Lichtblicke die Gemeinschaft der Gläubigen mit Trost und Hoffnung. Andererseits waren auch die Schatten nicht zu übersehen, die über der Kirche liegen. Sie sind für die Kirche ein Weckruf. Der nun zurückgelegte Weg lässt sich anhand der folgenden fünf Themenfelder nachvollziehen, für die ich zur Darstellung auch hier gerne unsere Gliederung nach den Kategorien Lichtblicke, Schatten und der weitere Weg verwenden möchte.
Priester, Ordensleute und Laien müssen intensiver zusammenarbeiten
Lichtblicke: Im Großen und Ganzen haben Bischöfe, Priester und Gläubige das Gefühl, dass alle gut in die kirchlichen und gemeinschaftlichen Aktivitäten eingebunden sind. So wurden beispielsweise besonders die kirchlichen Basisgemeinden herausgehoben, also nachbarschaftliche Gruppen, die sich zum Bibelstudium und Gebet versammeln und sich für Arme sozial engagieren.
Schatten: Unter den Katholiken in Indien besteht grundsätzlich ein Gefühl der Einheit. Sorge bereitet jedoch der Zusammenhalt unter den Diözesen, zwischen Diözesen und Ordensgemeinschaften und unter den drei eigenständigen katholischen Kirchen. Diskriminierung aufgrund der Kastenzugehörigkeit, der Sprache, der ethnischen Herkunft, des wirtschaftlichen, akademischen und sozialen Status spaltet die Gemeinschaft. Auch das wurde festgestellt.
Kurz zum Verständnis: Es ist schwierig, von der "Kirche in Indien" als einer homogenen Einheit zu sprechen, denn das Land ist von einer beispiellosen Vielfalt an Regionen, Religionen, Sprachen, Kulturen und Traditionen geprägt. Es gibt in Indien drei eigenständige katholische Kirchen – die Römisch-Katholische, die Syro-Malabarische und die Syro-Malankarische Kirche –, von denen jede ihren eigenen liturgischen Ritus, ihre eigene Theologie und ihre eigene Überlieferung hat. Trotz der Unterschiede in Bezug auf die Theologie, die sakramentale und liturgische Praxis und das kirchliche Leben stehen die drei Kirchen zusammen, wenn es um bestimmte Angelegenheiten geht, die die gesamte Gemeinschaft der Katholiken in Indien betreffen. Da ich der Römisch-Katholischen Kirche angehöre, beschränken sich meine Beobachtungen und Überlegungen hier auf diese Kirche.
Der weitere Weg: Priester, Ordensleute und Laien müssen sich stärker einbringen und intensiver zusammenarbeiten. Seelsorgerische Familienbesuche sind für den Aufbau von Pfarrgemeinden unentbehrlich. Jugendliche möchten stärker in das kirchliche Leben eingebunden werden.
Teilhabe der Laien: Wir brauchen mehr Weiterbildung und Kompetenzstärkung
Lichtblicke: Die Gläubigen erkennen, dass sie durch die Taufe zur Teilhabe berufen sind, arbeiten in der Verwaltung aktiv mit und übernehmen Aufgaben in Leben und Sendung der Kirche, wenn sie die Gelegenheit erhalten. Sie helfen mit, Kindern und Erwachsenen den Glauben zu vermitteln, helfen bei Liturgiefeiern und der Evangelisierung von Dörfern, übernehmen Führungsaufgaben in kirchlichen Basisgemeinden, beleben die Seelsorgearbeit durch verschiedene Gremien und halten den Betrieb in den Pfarrgemeinden und Einrichtungen am Laufen.
Schatten: Es gibt interne und externe Hürden für eine umfassende Teilhabe der Laien. Kirchenvertreter zeigen sich ängstlich, unwillig und zaghaft, wenn es um eine umfassende Teilhabe von Laien geht. Bei den Gläubigen sind zum Teil eine mangelnde Bereitschaft und Gleichgültigkeit festzustellen. Die meisten Gläubigen beschränken ihr Engagement auf die Teilnahme an den Sonntagsgottesdiensten. Ihnen fehlt es an Möglichkeiten, sich die nötigen Kompetenzen für eine aktive Teilhabe anzueignen.
Der weitere Weg: Die Gläubigen müssen mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung und Kompetenzstärkung erhalten. Sie sollten besser in die pastorale Planung eingebunden werden. Die Gläubigen sollten auf ihre Rechte und Pflichten hingewiesen werden.
„Kirchenvertreter zeigen sich ängstlich, unwillig und zaghaft, wenn es um eine umfassende Teilhabe von Laien geht.“
Frauen, Jugendliche und Ordensfrauen stärker an Entscheidungen beteiligen
Lichtblicke: Es gibt kompetente Führungskräfte, die sich hingebungsvoll in den Dienst der Kirche stellen, und viele kirchliche Angelegenheiten werden gemeinsam beraten und entschieden. Auf Diözesan- und Gemeindeebene gibt es zudem zahlreiche Entscheidungsgremien.
Schatten: Frauen, Jugendliche und Ordensfrauen werden nicht ausreichend an Entscheidungen beteiligt. Innerhalb der Kirche herrscht ein gewisser Klerikalismus, der sich in Beleidigungen, sexuellem Missbrauch oder finanzieller Ausbeutung Ausdruck verschafft.
Der weitere Weg: Durch eine stärkere Dezentralisierung und intensivere Zusammenarbeit soll erreicht werden, dass die Menschen in Führungspositionen sich stärker in den Dienst der Kirche stellen. Die Menschen am Rande der Gesellschaft (wie die "Dalits", die auch als Unberührbare bezeichnet werden, und ethnische Minderheiten) müssen stärker in den kirchlichen Gremien vertreten sein.
Glaubensvermittlung unter Druck der sozialen Medien und Gleichgültigkeit
Lichtblicke: In der Kirche Indiens pulsiert das sakramentale, liturgische und geistliche Leben. Die Gläubigen dürsten nach Gotteserfahrungen und versammeln sich, um bei Familiengebeten, in stiller Meditation, in Andachtsübungen, häufigen Eucharistiefeiern, Novenen, Feiern der Sakramente und bei Pilgerfahrten zum Herrn zu beten. In frommen Vereinen, Bewegungen und Exerzitienhäusern wird der Glaube genährt.
Schatten: Die Kirche in Indien ist in hohem Maße institutionalisiert. Viele Priester und Ordensleute sind in die Verwaltung von Einrichtungen eingebunden und haben kaum Zeit für die Seelsorgearbeit und die geistlichen Bedürfnisse der Gläubigen. Zudem haben eine unzureichende Glaubensvermittlung in den Familien, das vorherrschende Konsumdenken, der Würgegriff der sozialen Medien und eine komfortorientierte Lebensweise zu einer gleichgültigen Haltung gegenüber der Ausübung des Glaubens geführt.
Der weitere Weg: Die Glaubensvermittlung muss höchste Priorität haben, beruhend auf dem Bewusstsein, dass die katholische Familie die Wiege des christlichen Lebens ist. Katecheten müssen speziell dafür geschult werden, dass sie den Glauben in Schulen und Gemeinden wirksam vermitteln können. Der Religionsunterricht muss auch nach der Firmung weitergehen, und zwar bis ins Erwachsenenalter und ins Eheleben.
Mehr gesellschaftspolitisches Engagement, Migrantenseelsorge und Umweltschutz
Lichtblicke: Die Sendung der Kirche konzentriert sich auf die Bedürftigsten, wie Waisen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung und Notleidende. Darüber hinaus ist die Kirche in der Gefängnisseelsorge, der Rechtsberatung und der Sorge für Opfer von Menschenhandel, Migranten und Straßenkinder tätig. Nicht zuletzt engagiert sie sich für den ökumenischen und den interreligiösen Dialog.
Schatten: Religiöser Fundamentalismus, Fanatismus und die Einführung von Anti-Konversionsgesetzen haben ein Klima der Angst und des Misstrauens geschaffen.
Der weitere Weg: In den Bereichen Migrantenseelsorge, Ökumene, Umweltschutz, gesellschaftspolitisches Engagement, Digitalisierung und Medien muss die Kirche mehr tun. Die Stärkung der Strukturen der Zusammenarbeit wird dabei helfen, auch Menschen außerhalb der Kirche zu erreichen.
Ein Blick in die Weltkirche
Das Arbeitsdokument für die Bischofssynode zeigt – wie wohl noch kein Vatikan-Papier zuvor –, wie divers und vielfältig Katholiken in aller Welt leben. Priesterkinder, Frauenweihe und polygame Beziehungen sind nur einige Stichworte, die sich in dem Bericht wiederfinden.
Eindruck, dass die Themen Europas für die indische Kirche noch nicht relevant sind
Die Bischöfe der CCBI waren mit dem Ergebnis der synodalen Konsultationen sehr zufrieden. Es war bewegend zu sehen, wie sich Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien in so großer Zahl an dem Prozess des Zuhörens beteiligt und ihre Gedanken und Gefühle in einer offenen, vertrauensvollen Atmosphäre geäußert haben. Alle Beteiligten hatten das sehr starke Gefühl, "eine Kirche" zu sein. Viele Laien waren dankbar, dass sie in die synodalen Prozesse einbezogen wurden. Es wurde die Hoffnung geäußert, dass sich die Kirche durch die größere Beteiligung der Laien weiterentwickeln wird.
Es bestand Enthusiasmus und Optimismus, was die Weltbischofssynode 2023/2024 und die möglicherweise daraus resultierenden Änderungen anbelangt. Aber es wurden auch Befürchtungen laut, dass die Kirche in Indien noch einige Zeit brauchen wird, um die "pyramidenartige Organisationsstruktur" auf ein Modell umzustellen, das mehr auf Gleichheit und Rotation setzt.
Während der synodalen Prozesse in Indien schauten die Beteiligten auch mit einem Auge auf die Vorgänge in anderen Ländern wie Deutschland, Australien, USA und in den Ländern Lateinamerikas. Die dort angesprochenen Themen wurden zwar in einigen kirchlichen Kreisen auf informeller Ebene besprochen, aber insgesamt herrschte der Eindruck vor, dass die in den Ländern des Westens hervorgehobenen Themen – wie sexueller Missbrauch innerhalb der Kirche, Frauenweihe, die Anerkennung der Rechte der LGBTQIA+ Community, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Zölibat und so weiter – in Indien nicht, zumindest gegenwärtig nicht, relevant sind.
Alles in allem hat die Synode der Kirche in Indien neues Leben eingehaucht, und sie weckt die Hoffnung, dass die Christen in Indien dem Weg Jesu werden folgen können (Joh 14,6) und dass der Geist Gottes weht, wo er will (Joh 3,8).
Unter dem Titel "Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft. Teilhabe. Sendung" hat Papst Franziskus zur Weltbischofssynode 2021-24 eingeladen. Das Projekt ist weltweit zwischen alle Fronten kirchenpolitischer Kulturkämpfe geraten. Wer Christinnen und Christen in Afrika, Asien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten zum Vorbereitungsprozess fragt, merkt schnell: Hier findet gerade so etwas wie ein informelles, dezentrales Drittes Vatikanisches Konzil statt. Was in den Ortskirchen an Reformbedarf und neuem Gestaltungswillen auf den Tisch gelegt wird, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Deshalb stellen katholisch.de und das Internationale Katholische Missionswerk missio Aachen in einer kleinen Serie fünf Christinnen und Christen aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika vor, die berichten, wie sie die Weltbischofssynode vorbereiten und begleiten.