Bingener fordert Treue für Beschlüsse des Synodalen Wegs
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Am vergangenen Wochenende ist die vorerst letzte Vollversammlung des Synodalen Wegs in Deutschland zu Ende gegangen. Viel wurde im Vorfeld darüber diskutiert, ob am Ende die verschiedenen Texte mit den erforderlichen Mehrheiten verabschiedet werden würden. Durch Kompromissbereitschaft von allen Seiten ist das letztlich gelungen.
Über die Themen des deutschen Reformdialogs – Gewaltenteilung, Erneuerung der Sexualethik, Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt, Zulassung von Frauen zu Weiheämtern – ist in den vergangenen dreieinhalb Jahren viel debattiert worden, in Deutschland wie auch international. Dabei wurde immer wieder ein Argument bemüht, das für viele auch jetzt noch Gültigkeit zu haben scheint: der Verweis darauf, dass die Themen des Synodalen Wegs genuin deutsche Themen seien und im Rest der Weltkirche kaum Widerhall fänden.
Kritikerinnen und Kritiker des Synodalen Wegs in Deutschland behaupten, dass viele der diskutierten Reformvorhaben, etwa der Zugang von Frauen zu Weiheämtern oder die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt, in der Weltkirche keinen Rückhalt hätten. Die genannten Anliegen, so der Vorwurf, würden bestenfalls in einigen westlichen Ländern von der Mehrzahl der Gläubigen geteilt, während sie im großen Rest der Weltkirche entweder gar keine Rolle spielten oder von einer Mehrheit der Menschen explizit abgelehnt würden.
„Das Problem ist [...] zum einen ein schematischer Begriff der Weltkirche, zum anderen eine irregeleitete Anwendung desselben auf dem Feld der Synodalität.“
Dieser Einwand wird von Befürworterinnen und Befürwortern oft als unzutreffend zurückgewiesen. „Die Themen, die bei uns wichtig sind, sind auch in der Weltkirche virulent,“ sagte etwa der Leiter des Synodalforums „Priesterliche Existenz heute“, Stephan Buttgereit, in einem Interview mit katholisch.de Ähnlich äußerten sich auch andere Synodale bis hinauf zum Synodalpräsidium.
Spätestens nach Bekanntwerden der ersten Ergebnisse im Rahmen des von Papst Franziskus initiierten synodalen Prozesses wurde argumentiert, dass die auf dem Synodalen Weg besprochenen Themen keineswegs nur die Gläubigen in Deutschland beschäftigten, sondern durchaus auch in anderen Ländern eine Rolle spielten. Die eigenen Reformanliegen sollten so mit Verweis auf die Weltkirche legitimiert werden.
Das Problem hinter diesen Argumentationen – sowohl hinter dem Einwand als auch hinter der Erwiderung auf ihn – ist zum einen ein schematischer Begriff der Weltkirche, zum anderen eine irregeleitete Anwendung desselben auf dem Feld der Synodalität.
Die Weltkirche ist nichts Monolithisches, sondern besteht in und aus den Ortskirchen mit ihren zum Teil sehr unterschiedlichen Kontexten, Realitäten und Herausforderungen. Entsprechend ist es eine irrige Vorstellung, dass die Relevanz oder gar Legitimität von Themen, etwa mit Blick auf die anstehende Weltsynode, sich daran bemisst, ob sie von "der Weltkirche" geteilt werden.
Ein Kriterium etwa, gemäß dem nur die Themen es wert sind, auf weltkirchlicher Ebene Gehör zu finden, die in hinreichend vielen Diözesen diskutiert werden, gibt es schlicht und einfach nicht. Mit einem solchen schematischen Begriff von Weltkirche operieren aber all diejenigen, die sich in Hinblick auf den Synodalen Weg – sei es kritisch oder affirmativ – auf "die Weltkirche" berufen. Heraus kommt dabei nicht zuletzt auch ein Zerrbild von Synodalität, die in der katholischen Kirche in der Tat notwendig weltkirchlich gedacht werden muss.
Zur Synodalität gehört gemäß der Idee einer "heilsamen Dezentralisierung" von Papst Franziskus das Hören der einzelnen Ortskirchen aufeinander und die Wahrnehmung ihrer unterschiedlichen Realitäten und Herausforderungen. In dieser Hinsicht ist die Form des weltweiten synodalen Prozesses, der mit Befragungen auf der lokalen beziehungsweise diözesanen Ebene gestartet ist, durchaus sinnvoll. Ausgangspunkt ist immer die lokale Gemeinschaft, und es gibt keinen "Test Weltkirche", den Themen oder Anliegen zunächst bestehen müssten, um als synodal relevant anerkannt zu werden.
Jede Ortskirche hat ihre Themen, die die Gläubigen dort bewegen, und die es genau aus diesem Grund wert sind, gehört und beraten zu werden. Dass es unter den Bedingungen endlicher Ressourcen, denen auch synodale Prozesse unterliegen, ab einem gewissen Punkt notwendig wird, Themen zusammenzufassen und auszuwählen, ist in dieser Hinsicht kein Widerspruch. Denn auch hier kann das Kriterium nicht sein, dass dieses oder jenes Thema in mehr Ortskirchen debattiert wird und in diesem Sinne vermeintlich eher ein Thema "der Weltkirche" ist als ein anderes.
Ein Blick in die Weltkirche
Das Arbeitsdokument für die Bischofssynode zeigt – wie wohl noch kein Vatikan-Papier zuvor –, wie divers und vielfältig Katholiken in aller Welt leben. Priesterkinder, Frauenweihe und polygame Beziehungen sind nur einige Stichworte, die sich in dem Bericht wiederfinden.
Für den Synodalen Weg bedeutet das, dass es zunächst gar nicht wichtig ist, ob die dort behandelten Themen in einem größeren oder geringeren Maße auch in anderen Teilen der Weltkirche eine Rolle spielen. Es sind zunächst einmal Themen der deutschen Ortskirche. Und gerade die klaren Abstimmungsergebnisse am vergangenen Wochenende machen deutlich, dass es sich hier in der Tat um Themen handelt, die viele Gläubige in Deutschland umtreiben.
Damit hat die deutsche Ortskirche alles Recht, diese Themen auch in den weltweiten synodalen Prozess einzubringen und für diese zu werben – sei es wie zuletzt auf dem Kontinentaltreffen in Prag oder dann im Oktober auf der Weltsynode. Hier braucht es nicht erst den Erweis einer wie auch immer gearteten "weltkirchlichen Relevanz". Die katholische Kirche in Deutschland ist Teil der Weltkirche und der Synodale Weg mit seinen Ergebnissen damit Teil der weltweiten synodalen Bewegung.
Teil der Weltkirche zu sein, bedeutet am jetzigen Punkt aber, dass das über die vergangenen Jahre Erreichte und Beschlossene in die Beratungen der Weltsynode eingebracht und darauf vertraut werden muss, dass unsere Schwestern und Brüder aus den anderen Teilen der Weltkirche die Anliegen aus Deutschland anhören werden. Unser Beitrag ist einer unter anderen und verdient es, selbstbewusst vertreten zu werden.
Deshalb ist es bedauerlich, dass die Beschlüsse der Synodalversammlung direkt nach deren Ende bereits von verschiedenen Synodalen schon wieder grundsätzlich kritisiert und infrage gestellt werden – von den einen als nicht weitgehend genug, von den anderen mit dem Duktus der Bedenkenträgerei. Streng genommen ist das nicht nur eine Missachtung der Regeln des eigenen synodalen Formats, auf das sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer verpflichtet haben und nach denen die Beschlüsse mit großer Mehrheit errungen worden sind. Es unterminiert vor allem auch den Anspruch, dass das hier Beschlossene wirklich Ausdruck des sensus fidelium der Ortskirche in Deutschland ist und als solcher von anderen anzuerkennen und anzuhören ist.
„Es braucht keine thematische Übereinstimmung mit der Weltkirche.“
Papst Franziskus hat in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder den Wert der Einmütigkeit betont, was nicht selten als Gegensatz zu demokratisch legitimierten Mehrheitsbeschlüssen gesehen wurde. Mit Blick auf den Umgang mit den Ergebnissen des Synodalen Wegs zeigt sich aber, dass auch synodale Mehrheitsbeschlüsse Einmütigkeit benötigen, nämlich mit Blick auf die Gültigkeit von Entscheidungen, die nach gemeinsam akzeptierten Regeln getroffen worden sind.
Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Synodalen Wegs nicht hinter ihren eigenen Beschlüssen stehen, verlieren diese den Anspruch, Ausdruck des Glaubenssinns der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland zu sein und auf weltkirchlicher Ebene gehört zu werden.
Es braucht keine thematische Übereinstimmung mit "der Weltkirche", sondern Einmütigkeit und Treue in Bezug auf das, was über die vergangenen dreieinhalb Jahre auf dem Synodalen Weg erreicht worden ist.
Unter dem Titel "Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft. Teilhabe. Sendung" hat Papst Franziskus zur Weltbischofssynode 2021-24 eingeladen. Das Projekt ist weltweit zwischen alle Fronten kirchenpolitischer Kulturkämpfe geraten. Wer Christinnen und Christen in Afrika, Asien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten zum Vorbereitungsprozess fragt, merkt schnell: Hier findet gerade so etwas wie ein informelles, dezentrales Drittes Vatikanisches Konzil statt. Was in den Ortskirchen an Reformbedarf und neuem Gestaltungswillen auf den Tisch gelegt wird, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Deshalb stellen katholisch.de und das Internationale Katholische Missionswerk missio Aachen in einer kleinen Serie fünf Christinnen und Christen aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika vor, die berichten, wie sie die Weltbischofssynode vorbereiten und begleiten.