Schwester Faye: In Afrika gibt es die gleichen Probleme wie in Europa
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Die kommende Weltbischofssynode und die Vorbereitungen dazu in synodalen Prozessen weltweit zeigen, wie die Zeichen der Zeit heute die Kirche im Lichte des Evangeliums herausfordern. Man kann die großen übergreifenden Fragen nicht länger verschweigen, die sie gegenwärtig erschüttern, um nur einige Stichworte zu nennen: Gleichstellung, Minderheiten, Polygamie, Klerikalismus, die Amtskirche, Missbrauch in allen seinen Formen, die Reform der katholischen Sexualmoral, der Zölibat, die Rolle der Frau und ihre Ordination, die Rechte der LGBTQIA+ Community, Neokolonialismus... – das alles ist weltweit relevant.
Doch zunächst einmal möchte bei meinen Überlegungen zum synodalen Prozess der Kirche in Afrika drei Feststellungen machen.
Trotz aller offensichtlichen Fortschritte gibt es noch klerikale, patriarchalische und hierarchische Prägungen
Die erste Feststellung ist eher ein Eingeständnis. Denn ich muss offen zugeben, dass es in bestimmten soziokulturellen Zusammenhängen keineswegs selbstverständlich ist, die Frage nach den "Weggefährten" zu stellen, wie es in der Vorbereitung der Weltbischofssynode getan wird, geschweige denn, einander auf Augenhöhe zuzuhören und gegenüber der Amtskirche mutig das Wort zu ergreifen. Dann müssten zum Beispiel in der Kirche, der Familie Gottes in Afrika, die Bischöfe, Priester, Gläubigen, Ordensleute und Jugendlichen öffentlich anerkennen, dass sie in der Kirche gleichgestellt sind und unterschiedliche Meinungen haben. Zwar sind es im Alltag die Laien und vor allem die Frauen, die das kirchliche Leben voranbringen. Dennoch scheint die Kirche in einigen Ländern trotz offensichtlicher Fortschritte immer noch vor allem klerikal, patriarchalisch und hierarchisch geprägt zu sein.
Erhalt der kirchlichen Institutionen steht oft im Widerspruch zur Verkündigung des Reiches Gottes
Zweitens stelle ich fest, dass die Sorge um den Erhalt der kirchlichen Institutionen oft im Widerspruch zur Verkündigung des Reiches Gottes steht. Die zentrale Bedeutung des Bischofsamtes oder des Priesteramtes ermöglicht sicherlich ein kohärentes pastorales Handeln, sofern die Personen in Leitungsfunktionen zur Zusammenarbeit bereit sind, wenn es um die Sendung der Kirche geht. Zu Schwierigkeiten kommt es aber dann, wenn ihr Führungsstil zu stark auf ihre Person und ihre Autorität zentriert ist. Wir brauchen daher Zusammenarbeit und Teamarbeit, um ein Klima der Aufgeschlossenheit und "sichere Räume" für Begegnungen und einen Gedankenaustausch zu schaffen, bei dem niemand in Bedrängnis gerät.
Aber: Der synodale Prozess löst in Afrika auch Enthusiasmus und neue gegenseitige Offenheit aus
Meine dritte Feststellung bezieht sich auf den synodalen Prozess selbst, der in zahlreichen Ortskirchen erstaunlicherweise viel Enthusiasmus und gegenseitige Offenheit ausgelöst hat. Das Arbeitsdokuments für die kontinentale Etappe der Weltbischofssynode spricht davon, dass die Methode des geistlichen Gesprächs breite Zustimmung gefunden habe, weil es vielen ermöglicht habe, einen ehrlichen Blick auf die Realität des kirchlichen Lebens zu werfen und Licht und Schatten beim Namen zu nennen. Und schon diese aufrichtige Einschätzung habe unmittelbar missionarische Früchte getragen. Viele Rückmeldungen haben unterstrichen, dass es das erste Mal gewesen sei, dass die Kirche die Menschen nach ihrer Meinung gefragt habe und die Kirche diesen Weg fortsetzen wolle. Dazu zitiere ich einmal die Bischofskonferenz der Zentralafrikanischen Republik: "Es ist eine starke Mobilisierung im Volk Gottes festzustellen, die Freude, zusammenzukommen, gemeinsam zu gehen und frei zu sprechen. Einige Christen, die sich verletzt gefühlt und von der Kirche entfernt hatten, sind während dieser Beratungsphase zurückgekommen".
Den leisen Stimmen von Frauen, Jugendlichen, Kindern, Marginalisierten und Ausgegrenzten zuhören
Es wird also deutlich, dass der synodale Prozess in Afrika zu mehr Gleichstellung innerhalb der Kirche tatsächlich beitragen kann. Das erfordert die Fähigkeit zu radikalem Einbezug aller Gruppen, gemeinsam erlebter Zugehörigkeit und tiefer Gastfreundschaft im Sinne der Lehre Jesu. Es bleibt zwingend notwendig, sich in eine Haltung zu begeben, in der man den leisen Stimmen von Frauen, Jugendlichen, Kindern, Marginalisierten und Ausgegrenzten zuhört. Indem sie sich auf den synodalen Weg einlässt, ist die Kirche, die Familie Gottes in Afrika, besonders gezwungen, sich wieder all den Menschen zuzuwenden, die in prekären Verhältnissen leben und deren Stimme man selten hört, weil sie zu weit weg sind. Sie werden zwar von christlichen Gemeinden umfassend unterstützt, aber selten angehört und schon gar nicht um Rat gebeten. Das lässt sich leicht durch die Not ihrer extremen Armutssituationen erklären.
Für mich gehören auch die Debatte um die Missbrauchskrise und ihre systembedingten Ursachen zum synodalen Prozess in Afrika. Dabei möchte ich jedwede Missverständnisse in Bezug auf die Bedeutung des Wortes "systembedingt" vermeiden. Dieses Wort bedeutet nicht etwa, wie viele offenbar meinen, dass die Kirche absichtlich und systematisch im großen Stil ein System des sexuellen Missbrauchs betrieben hat. Vielmehr bezieht es sich auf die Tatsache, dass es die Kirche generell versäumt hat, auf die zahlreich bekannt gewordenen und wiederholten Missbrauchsfälle angemessen zu reagieren und das Notwendige zu tun, nämlich den Missbrauchstaten ein Ende zu setzen und weitere zu verhindern. So kann man aufgrund der anhaltenden Passivität, der Versäumnisse, der mangelnden Wachsamkeit, der Vertuschungen und des Unvermögens, den Opfern Gehör zu schenken, von einem systembedingten Phänomen sprechen. Ich persönlich glaube, dass aber die Fähigkeit der Kirche, interne Missstände zu beheben, damit nicht in Frage gestellt werden darf.
Aus diesem Grund stehen die Missbrauchskrise und die Stimmen der Opfer und Überlebenden im Zentrum des synodalen Prozesses. Wie schon anfangs betont, ist dies eines der Zeichen der Zeit, die die Kirche gegenwärtig im Lichte des Evangeliums herausfordern. Im Übrigen wurden, wie aus dem Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe der Weltbischofssynode hervorgeht, in den meisten auf lokaler und nationaler Ebene durchgeführten synodalen Prozessen Klerikalismus, Machtmissbrauch und sexueller Missbrauch als Schlüsselfaktoren dafür genannt, wie die Kirche wahrgenommen und verstanden wird, nicht nur von den Medien, sondern auch von den Katholiken selbst.
Die Gläubigen sagen, dass die Kirche vom Klerikalismus befreit werden muss
Die Gläubigen weisen auch darauf hin, dass die Kirche vom Klerikalismus befreit werden muss, damit all ihre Glieder – Geweihte und Laien – gemeinsam ihre Sendung erfüllen können. Fest steht, dass es nicht länger möglich ist, Missbrauch jedweder Art – sexuell, geistlich, Macht- oder Gewissensmissbrauch – zu ignorieren, zu leugnen, zu unterschätzen oder zu übergehen. Er steht im krassen Widerspruch zur Menschenwürde. Wenn die Kirche hierauf keine glaubwürdige Antwort findet, werden die Katholiken in zahlreichen Ländern von dieser zentralen Frage abhängig machen, ob sie in der Kirche bleiben oder ob sie austreten. Die große Mehrheit der Katholiken reagiert empfindlich auf diese Krise, aber sie will auch die Einheit der Katholischen Kirche bewahren.
Was also tun? Die Synode ist ein Prozess, in dem die Kirche zuhören muss. Sie sollte den leisen Stimmen besser zuhören, die den vorherrschenden Klerikalismus anprangern, wie der Bericht der Zentralafrikanischen Republik zeigt: "Einige Pfarrer verhalten sich wie 'Befehlserteiler' und setzen ihren Willen durch, ohne auf irgendjemanden zu hören. Die christlichen Laien fühlen sich nicht als Mitglieder des Volkes Gottes. Initiativen, die zu 'klerikalistisch' sind, müssen stigmatisiert werden. Einige Mitarbeiter in der Pastoral, egal ob Geistliche oder Laien, umgeben sich manchmal lieber mit denen, die ihre Meinungen teilen; sie halten sich fern von denen, die ablehnende und gegenteilige Überzeugungen haben."
Klerikalismus ist eine geistliche Verarmung, isoliert den Klerus und schadet den Laien
Man sollte sich außerdem bewusst machen, dass der Klerikalismus als eine Form der geistlichen Verarmung gesehen wird, als Verlust dessen, was das Weiheamt wirklich ausmacht, und als Kultur, die den Klerus isoliert und den Laien schadet. Diese Kultur trennt von der lebendigen Erfahrung Gottes, sie schadet den geschwisterlichen Beziehungen und führt so zu Starrheit, Machtergebenheit im legalistischen Sinne und einer Autoritätsausübung, die eher Macht als Dienst ist. Der Aufruf zur Umkehr in der Kultur der Kirche für das Heil der Welt ist konkret an die Möglichkeit gebunden, eine neue Kultur mit neuen Praktiken und Strukturen zu verankern. Eine Pfarrgruppe aus den USA hat das gut zum Ausdruck gebracht: "Anstatt uns wie Türsteher aufzuführen, die versuchen, andere vom Tisch auszuschließen, müssen wir uns mehr bemühen, um sicherzustellen, dass die Menschen wissen, dass jeder hier einen Platz und ein Zuhause finden kann." Man kann also in der Kirche eine Reform in Betracht ziehen, die den bestehenden Strukturen neues Leben einhaucht. Besser wäre es aber, wenn die Kirche den Mut hätte, sich von unnötigen Strukturen zu trennen, die keine Zukunft haben. All das geschieht in einem aufrichtigen geistlichen Entscheidungsprozess.
Ein Blick in die Weltkirche
Das Arbeitsdokument für die Bischofssynode zeigt – wie wohl noch kein Vatikan-Papier zuvor –, wie divers und vielfältig Katholiken in aller Welt leben. Priesterkinder, Frauenweihe und polygame Beziehungen sind nur einige Stichworte, die sich in dem Bericht wiederfinden.
Eine lateinischsprachige Kirche im europäischen Gewand kann sich nicht mehr als Weltkirche bezeichnen
Was für mich noch wichtig ist: Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wirken die synodalen Prozesse weltweit der Illusion weiter entgegen, dass eine lateinischsprachige Kirche im europäischen Gewand sich zu Recht als Weltkirche bezeichnen darf. Um sich als Weltkirche neu zu entdecken, sollte sich die Kirche einmal mehr darüber klar werden, an welchem Punkt ihre Vorstellungen von Heiligkeit und Göttlichkeit durch den normativen Charakter der Kultur, Ästhetik, Sprache, Musik, Kunst und Gremien Europas geprägt wurden. Was uns in Afrika betrifft, so besteht kein Zweifel daran, dass die Inkulturation des Evangeliums für uns eine drängende Frage bleibt. Wir müssen unsere christlichen Werte mit den Werten unserer afrikanischen Kulturen vereinbaren. Unsere Aufgabe ist es, mehr darüber nachzudenken, was unsere Kulturen ausmacht und wie sie für uns ein Ort der Befreiung sein können.
Wir dürfen in der Weltkirche nicht vergessen, wie vielfältig die Kirche heute ist. Die Bekundung des einen Glaubens darf vielfältig und daher originell sein, entsprechend der Sprache, dem Stil, dem Temperament, der Genialität und der Kultur desjenigen, der diesen einen Glauben bekennt. Überall in Afrika versucht die Kirche, selbst Räume zu schaffen, die es ermöglichen, das Wort Gottes als Antwort auf neue Existenzmöglichkeiten neu zu hören.
Weltweit wirft der synodale Prozess die Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche auf
Der synodale Prozess in Afrika hat nicht zuletzt dazu angeregt, mehr über die Sorgen, Sehnsüchte und Hoffnungen von Männern und Frauen nachzudenken, und über neue Führungsmodelle für Gemeinden und Institutionen, die für die Erneuerung der Kirchen, die Interaktion mit den Protagonisten der Zivilgesellschaft und die Unterstützung von Menschen, die im Abseits und in Armut leben, so notwendig sind. Dieser synodale Prozess fordert uns auf, die pastoralen Herausforderungen zu überdenken, die insbesondere mit der Geschwisterlichkeit im Zusammenhang stehen. Die existenzielle Unsicherheit und die Gewalt, die verfolgte christlichen Minderheiten erleben, erfordern prophetischen Mut.
Zum Schluss möchte ich noch einmal zum Anfang und den Zeichen der Zeit kommen, die die Kirche weltweit herausfordern. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Fragen, die die Kirche in Deutschland und in Europa beschäftigen, auch weltweit relevant sind, und umgekehrt. Die Rufe nach Frauen in kirchlichen Führungspositionen werden beispielsweise zu Unrecht oft als eine Angelegenheit betrachtet, die nur den Westen beschäftigt. Nahezu alle Berichte in der Vorbereitung der Weltbischofssynode werfen die Frage nach einer umfassenden und gleichwertigen Teilhabe der Frau auf. Hier geht es nicht um Meinungskolonialismus, sondern um eine Verpflichtung, synodale Beziehungen mit der gesamten Welt aufzubauen. Das schließt auch die Zusammenarbeit mit Partnern aus der ganzen Welt ein, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung als Saat für das Reich Gottes einsetzen.
Unter dem Titel "Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft. Teilhabe. Sendung" hat Papst Franziskus zur Weltbischofssynode 2021-24 eingeladen. Das Projekt ist weltweit zwischen alle Fronten kirchenpolitischer Kulturkämpfe geraten. Wer Christinnen und Christen in Afrika, Asien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten zum Vorbereitungsprozess fragt, merkt schnell: Hier findet gerade so etwas wie ein informelles, dezentrales Drittes Vatikanisches Konzil statt. Was in den Ortskirchen an Reformbedarf und neuem Gestaltungswillen auf den Tisch gelegt wird, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Deshalb stellen katholisch.de und das Internationale Katholische Missionswerk missio Aachen in einer kleinen Serie fünf Christinnen und Christen aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika vor, die berichten, wie sie die Weltbischofssynode vorbereiten und begleiten.