Warum die Kluft zwischen US-Bischöfen und Priestern immer größer wird
Die katholische Kirche in den USA scheint aus der Zerstrittenheit nicht mehr herauszukommen. Fast wöchentlich gibt es neue Kontroversen um papstkritische Kleriker, rechtskatholische Blogs und Internetportale hetzen gegen das Kirchenoberhaupt und seine Mitarbeiter, denen sie eine progressive Agenda vorwerfen, die ihrer Ansicht nach gegen Tradition und Lehre der Kirche verstößt – vor allem, wenn es um vorkonziliares Denken und Liturgie geht. Das jüngste vatikanische Dokument zur Segnung homosexueller Paare wird von den Papstkritikern in diesem Zusammenhang gerne als Bestätigung ihrer Ansichten dargestellt.
Dass rückwärtsgewandtes Denken allerdings nicht mehr ins vatikanische Programm passt, zeigt spätestens die Absetzung des texanischen Bischofs Joseph Strickland. Zu wenig Gemeinschaft mit anderen US-Bischöfen, mangelnde Unterstützung der Weltsynode und eine eher mangelhafte Umsetzung der Vorgaben aus dem Motu proprio "Traditionis custodes" (2021) bezüglich der vorkonziliaren Liturgie wurden ihm nach eigenen Angaben vom Nuntius in den USA vorgeworfen. Das hinderte Strickland aber nicht daran, trotz Warnungen aus dem Vatikan wie gewohnt weiterzumachen und auf der Plattform "X" (früher Twitter) Hunderttausende von Followern um sich zu scharen, die ihm vor allem nach seiner Absetzung noch mehr zujubeln und ihn als Helden feiern. Dazu gehören auch einflussreiche Kirchenvertreter wie Gerhard Ludwig Müller, Athanasius Schneider oder der ehemalige US-Nuntius und Papstgegner Carlo Maria Viganò, die auf traditionalistischen Blogs und Portalen eine Plattform für ihre scharfe Papst-Kritik bekommen haben. Ein weiterer von ihnen ist jüngst wieder ins Vatikan-Visier geraten: der lautstarke Kardinal Raymond Burke, dem der Papst Medienberichten zufolge Sanktionen in Bezug auf sein Kardinalsgehalt und seine vatikanische Dienstwohnung auferlegt hat.
Eines der Probleme in der US-Kirche ist der vorkonziliare Ritus, der zunehmend zu Polarisierungen führt. Die USA gilt neben Frankreich als eine der Hochburgen, in der die Messe in der alten Form zelebriert wird, wobei es auch in Australien und Brasilien Kontroversen gab. Bei einer Podiumsdiskussion an der Katholischen Universität von Amerika sagte der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, jüngst es gebe nicht wenige Priester, die ihren Gemeinden ihre liturgischen Präferenzen noch vor der Veröffentlichung von "Traditionis custodes" 2021 aufgezwungen hätten. Er selbst sei wie Papst Franziskus entschlossen, dieses Problem durch Einschränkungen anzugehen, was er bereits getan habe. Er habe zwar dem Wunsch nach einem Ort für die Alte Messe in seiner Erzdiözese entsprochen, gleichzeitig aber die Bedeutung der liturgischen Einheit betont. Deshalb beschränkte er nach "Traditionis custodes" die Feier der vorkonziliären Messe von neun auf drei Orte in seiner Erzdiözese. Gregory sagte dazu, Papst Franziskus versuche zu vollenden, was Paul VI. begonnen habe, nämlich den neuen Ritus zum herrschenden Ritus zu machen. Der langjährige Vatikan-Experte John Allen sieht aber noch einen weiteren Grund für "Franziskus' Abneigung" gegenüber der Alten Messe: Dieser bestehe darin, dass viele Katholiken "am alten Ritus festhalten, um ein politisches Statement abzugeben", denn niemand gehe in eine Messe im syro-malabarischen oder ambrosianischen Ritus, um ein politisches Statement zum Konzil abzugeben. Dasselbe könne man aber "sicher nicht vom Tridentinischen Ritus sagen", so Allen.
Scheinbar unüberwindbare Kluft
Als Paul VI. den neuen Ritus einführte, gab es eine Ausnahme für ältere Priester, die ihr Leben lang die Messe im Tridentinischen Ritus gefeiert hatten. Man ging damals davon aus, dass mit der neuen Priestergeneration nur noch im neuen Ritus gefeiert werden würde. Dazu kam es aber nicht. Stattdessen ließ Benedikt XVI. 2007 den außerordentlichen Ritus generell wieder zu. Damals war die Aufregung in der katholischen Welt groß, denn damit hatte die Weltkirche offiziell zwei römische Messriten und seitdem ein immer größer werdendes Problem, das es zu lösen galt. Diese Lösung zeichnet sich bis heute allerdings nicht ab. Schon vor 2021, so Kardinal Gregory, hätten Priester vielerorts aktiv die Alte Messe nicht deshalb gefördert, weil die Gläubigen danach gesucht oder gefragt hätten. Der Bedarf sei offenbar dort geschaffen worden, wo es vorher keinen gab, kritisierte er und bekräftigte die Forderung von Papst Franziskus, die "Bischöfe sollten sich um solche Priester kümmern". In den Ohren traditionalistischer Kreise erinnerte die Betonung Gregorys an die deutliche Kritik des Papstes bei der Weltsynode im Oktober: "Man braucht nur in die kirchlichen Schneidereien in Rom zu gehen, um den Skandal der jungen Priester zu sehen, die Soutanen und Hüte oder spitzenbesetzte Roben anprobieren."
Wenig begeistert von Gregorys Kritik zeigten sich laut dem amerikanischen Internetblog "The Pillar" die Anhänger der vorkonziliaren Messe. Für sie ist die Rhetorik des Washingtoner Kardinals und des Papstes ein Beleg für die wachsende Kluft zwischen den Generationen. Auch der Apostolische Nuntius in den USA, Kardinal Christophe Pierre, sprach in einem Interview mit der Jesuitenzeitschrift "America" von einer offensichtlichen Kluft zwischen Papst, Bischöfen und Priestern, die fast unüberwindbar erscheine. Viele Priester und Priesteramtskandidaten verstünden den epochalen Wandel der Kirche nicht, so Pierre, weil sie sich in der heutigen Gesellschaft "irgendwie verloren fühlten" und Sicherheit in einer vorkonziliaren Variante der Kirche suchten.
Dies bestätigt unter anderem eine im Oktober veröffentlichte Umfrage der Initiative "The Catholic Project" der Katholischen Universität von Amerika. Demnach werden Priester in den USA nach eigener Einschätzung immer konservativer. Der Anteil der Geistlichen, die sich selbst als liberal oder progressiv in Theologie und Politik bezeichnen, nehme seit 50 Jahren mit jedem Jahrgang ab; in den jüngsten Jahrgängen seien solche Kandidaten praktisch verschwunden. Früher stellten die (sehr) Progressiven 68 Prozent der Priesteramtskandidaten, heute sind es fast keine mehr. Mit anderen Worten: Priester aus Gregorys Generation sind mehrheitlich progressiv, während sich die jüngeren Priester heute als konservativ und traditionell bezeichnen – mit steigender Tendenz in eine noch konservativere Richtung. Und das, wie der in den USA lehrende Theologe Massimo Faggioli in einem Beitrag für das amerikanische Magazin "Commonweal" schreibt, dank der medialen Unterstützung durch Fernsehen, Podcasts, YouTube und andere Social-Media-Kanälen sowie den Fernsehsender EWTN und seine Ableger, die den traditionalistischen und fast fundamentalistischen Katholizismus als Mainstream etabliert haben.
Unzufriedenheit wird zunehmen
Diesen Generationenkonflikt bestätigte eine andere Umfrage der Katholischen Universität von Amerika aus 2022, die nach dem Vertrauen zwischen Priestern und ihren Bischöfen gefragt hat. Das Ergebnis: In den vergangenen 20 Jahren sei das Vertrauen der Priester in die Bischöfe deutlich gesunken. Nur noch 24 Prozent der Priester gaben an, großes Vertrauen in die US-Bischöfe zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich die Gräben weiter vertiefen und die Unzufriedenheit in den kommenden Jahren vermutlich noch zunehmen wird. Dazu tragen auch hochrangige Prälaten wie Strickland oder Burke mit ihrer Anti-Franziskus-Haltung und neuerdings auch mit der sich selbst zugeschriebenen "Opferrolle" bei. Der ehemalige US-Nuntius und Papstgegner Carlo Maria Viganò geht sogar einen Schritt weiter: Er plant, ein traditionalistisches Priesterseminar zu gründen, das als eine Art Zufluchtsort für diejenigen dienen soll, die nicht mit dem Kurs von Papst Franziskus einverstanden sind. Die Kirche brauche vor allem Priester, die die Abweichungen Bergoglios und die Irrlehren des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht akzeptierten, so Viganò. Es scheint nicht wenige zu geben, die dem mehr oder weniger zustimmen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf das jüngst veröffentlichte Dokument der vatikanischen Glaubensbehörde zur Segnung homosexueller Paare und von Paaren in "irregulären Situationen", das bereits gemischte Reaktionen und Unmut in den USA hervorgerufen hat.
Dass Strickland, Viganò und ihre Anhänger mit ihrer radikalen Papst-Opposition eher auf ein Schisma zusteuern, scheinen sie mit dem Totschlagargument der Rechtgläubigkeit zu ignorieren – oder sogar hinzunehmen. So betonte Strickland in einem Interview nach seiner Absetzung, dass es in der Vergangenheit zu Schismen gekommen sei, wenn Einzelne – wie beispielsweise Martin Luther – mit der Lehre der Kirche nicht einverstanden gewesen seien. Dagegen verurteile man ihn und andere als Schismatiker, gerade weil sie die Wahrheit verteidigten. "'Schismatisch' bedeutet, sich von der Lehre des Papstes zu trennen, aber wenn der Vatikan, offenbar mit Unterstützung von Franziskus, Dinge lehrt, die dem Glauben widersprechen, dann bekommt das Wort 'schismatisch' eine ganz neue Bedeutung." Erst kürzlich forderte er die US-Bischöfe auf, sich gegen die vom Vatikan erlaubten Segnungen auszusprechen: "Wir werden dies nicht in das Leben der Kirche integrieren und wir müssen mit einheitlicher Stimme unser 'Nein' aussprechen", so Strickland. Es bleibt abzuwarten, wie die US-Bischöfe in Zukunft die eigenen Priester auf den Kurs von Papst Franziskus einschwören wollen, wenn es im eigenen Episkopat solch vehemente Opposition gibt.