Im Zeichen synodaler Prozesse: Ausblick auf das Kirchenjahr 2024
"The same procedure as last year, Miss Sophie? – The same procedure as every year, James." Der berühmte Dialog aus dem Silvester-Klassiker "Dinner for One" ist als geflügeltes Wort längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und in vielen Lebenslagen einsetzbar. Das gilt auch für den Ausblick auf das kirchliche Jahr 2024, schließlich wird die katholische Kirche im neuen Jahr mit vielen Themen und Baustellen konfrontiert sein, die sie auch schon 2023 und in den Jahren davor beschäftigt haben.
Das gilt vor allem für den Reformprozess der Kirche in Deutschland. Zwar ist der Synodale Weg, mit dem 2019 das neuerliche Ringen um Veränderungen in der Kirche begonnen hatte, mit der fünften Synodalversammlung im vergangenen Frühjahr offiziell zu Ende gegangenen. Allerdings war damals schon klar, dass der Prozess in den kommenden Jahren weitergehen soll. Im September 2022 hatte sich die Synodalversammlung mit dem Handlungstext "Synodalität nachhaltig stärken. Ein Synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland" für eine dauerhafte Fortsetzung des Synodalen Wegs ausgesprochen. Ab Frühjahr 2026, so der Plan, sollen Bischöfe, Priester und Laien in Deutschland in einem auf Dauer angelegten Synodalen Rat gemeinsam über kirchliche Grundsatzfragen und den Einsatz finanzieller Mittel beraten und entscheiden.
Synodaler Ausschuss: Warten auf das Votum der Bischöfe
Vorbereiten soll dieses neue Gremium in den kommenden gut zwei Jahren der Synodale Ausschuss, der sich Mitte November in Essen konstituiert und eine eigene Satzung und Geschäftsordnung gegeben hat. Allerdings: Damit der Ausschuss mit seiner inhaltlichen Arbeit beginnen kann – die zweite Sitzung des Gremiums ist für 14./15. Juni in Mainz geplant –, muss die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) der Satzung noch zustimmen. Während das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als zweiter Träger des Reformprozesses bereits Ende November grünes Licht für das Regelwerk gegeben hat, wollen die Bischöfe erst bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung vom 19. bis 22. Februar in Augsburg ihr Votum abgeben. Ob das problemlos gelingt, bleibt abzuwarten – schließlich sind der Synodale Ausschuss und der Synodale Rat innerkirchlich stark umstritten.
Innerhalb der DBK haben sich mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und den bayerischen Bischöfen Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Stefan Oster (Passau) und Rudolf Voderholzer (Regensburg) bereits vier Diözesanbischöfe gegen eine Mitarbeit im Synodalen Ausschuss entschieden. Und auch aus dem Vatikan gibt es weiter heftigen Gegenwind. Bereits im Januar hatte die Kurie, die dem deutschen Reformprozess ohnehin kritisch bis ablehnend gegenübersteht, dem geplanten Synodalen Rat in einem Brief an die DBK eine Absage erteilt. Weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine nationale Bischofskonferenz seien befugt, ein solches Gremium einzurichten, hieß es – mit ausdrücklicher Rückendeckung von Papst Franziskus – in dem Schreiben von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und den damaligen Kurienkardinälen Luis Ladaria und Marc Ouellet. Zudem stellten die Kurialen klar, dass kein Bischof zur Teilnahme am vorbereitenden Synodalen Ausschuss verpflichtet sei.
Kurz nach der Konstituierung des Synodalen Ausschusses im November wurde zudem ein Brief von Franziskus an vier Kritikerinnen der deutschen Reformbemühungen bekannt. Darin äußerte sich der Pontifex erneut kritisch zu den Ideen des Synodalen Wegs. Er teile die "Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen", so Franziskus. Anstatt das "Heil" in immer neuen Gremien zu suchen "und in einer gewissen Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern", lade er dazu ein, "sich zu öffnen und hinauszugehen, um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind".
Treffen von Dikasterien-Leitern und deutschen Bischöfen
Angesichts der vatikanischen Mahnungen ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Bischofe, der an der konstituierenden Sitzung des Synodalen Ausschusses teilgenommen hat und grundsätzlich für Reformen ist, doch noch Skrupel bekommt und als Reaktion darauf der Satzung des Gremiums seine Zustimmung verweigert. Sollte es tatsächlich so kommen, könnte das der Todesstoß für den weiteren Reformprozess sein. Bislang scheint diese Gefahr allerdings nicht zu drohen. Zumal auch aus dem Vatikan zuletzt Signale kamen, die darauf hindeuten, dass die Kurie den Streit mit den Deutschen nicht eskalieren lassen möchte. So wollen sich die Leiter mehrerer Dikasterien im Januar, April und Juni mit Vertretern der DBK treffen und ihren Dialog über den deutschen Reformprozess fortsetzen. Man redet also zumindest weiter miteinander – mit welchem Ergebnis bleibt aber abzuwarten.
Abzuwarten bleibt auch, wie die Fortsetzung der Weltsynode zur Synodalität ablaufen und welche Folgen der von Franziskus initiierte Mammutprozess letztlich für die Entwicklung der Kirche haben wird. Nach dem ersten Teil der Beratungen im vergangenen Oktober soll der synodale Prozess im kommenden Oktober mit einer zweiten Versammlung seinen vorläufigen Abschluss finden. Anders als beim ersten Treffen können die rund 350 Synodenmitglieder dann ein Schlussdokument mit konkreten Empfehlungen abstimmen und dem Papst vorlegen. Dass die Synodalen Franziskus etwa zur Abschaffung des Pflichtzölibats oder zur Öffnung des Diakonats für die Frau raten werden, ist allerdings unwahrscheinlich.
Gelegenheit zur Diskussion über den deutschen und den weltweiten Reformprozess dürfte es in größerem Stil etwa beim Katholikentag in Erfurt geben. Vom 29. Mai bis 2. Juni werden unter dem Leitwort "Zukunft hat der Mensch des Friedens" nach Angaben der Veranstalter rund 20.000 Teilnehmer in der thüringischen Landeshauptstadt erwartet. Ob bei dem Treffen dann auch ostdeutsche Perspektiven ausreichend berücksichtigt werden, wird sich zeigen. Über diese Frage war es Anfang Dezember zu einem heftigen Streit unter den Organisatoren des Glaubenstreffens gekommen, der erst mit dem Rücktritt des Vorsitzenden des Katholikentags-Trägervereins endete.
Auch die weitere Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs dürfte 2024 aus kirchlicher Sicht weiter ein dominierendes Thema bleiben – erstmals allerdings wohl vor allem mit Blick auf die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Nachdem der öffentliche Fokus in den vergangenen Jahren stets auf die katholische Kirche gerichtet war, wird mit Spannung die für 25. Januar geplante Veröffentlichung der ersten EKD-weiten Bestandsaufnahme sexualisierter Gewalt durch evangelische Pfarrer und Kirchenmitarbeiter erwartet. Die von Professor Martin Wazlawik von der Hochschule Hannover koordinierte Studie mit dem Titel "Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland" wurde vor drei Jahren von der EKD beauftragt und soll aus sechs themenbezogenen Teilprojekten bestehen und auch konkrete Fallzahlen benennen.
72-Stunden-Aktion und Internationale Ministrantenwallfahrt
Positivere Reaktionen dürften zwei große katholische Jugendveranstaltungen hervorrufen: die 72-Stunden-Aktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Internationale Ministrantenwallfahrt nach Rom. Bei der bundesweiten 72-Stunden-Aktion – der ersten seit 2019 – wollen zehntausende Jugendliche vom 18. bis 21. April gemeinnützige soziale, ökologische, interkulturelle und politische Projekte umsetzen. Zur Ministrantenwallfahrt wiederum werden tausende junge Menschen aus ganz Europa in der italienischen Hauptstadt erwartet. Ursprünglich sollte die Wallfahrt schon 2023 stattfinden, wegen der Corona-Pandemie wurde sie jedoch um ein Jahr verschoben.
Mit Blick auf die Bischofskonferenz dürften 2024 vor allem die beiden Bistümer Osnabrück und Rottenburg-Stuttgart im Fokus stehen. Beide Diözesen sind nach den Rücktritten ihrer Bischöfe Franz-Josef Bode und Gebhard Fürst vakant und warten auf neue Oberhirten. Da im neuen Jahr zumindest keine altersbedingten Rücktritte von Bischöfen anstehen, könnte die DBK – bei einer "normalen" Vakanz von ungefähr einem Jahr – Ende 2024 wieder vollzählig sein. Ob vollzählig oder nicht: Vom 23. bis 26. September treffen sich die Bischöfe zu ihrer Herbst- Vollversammlung in Fulda. Nachdem das dortige Priesterseminar zuletzt wegen Renovierungsarbeiten nicht als Tagungsort zur Verfügung stand und die Bischöfe nach Wiesbaden ausweichen mussten, geht man bei der DBK davon aus, 2024 wieder am traditionellen Ort tagen zu können. Dann gilt also auch dort wieder "The same procedure ...".