Es sei keinerlei Schlusspunkt für den Synodalen Weg gesetzt worden

Marx: Deutsche Bischöfe haben in Rom "keine Watschn" bekommen

Veröffentlicht am 19.12.2022 um 13:56 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Wie hat sich der Papst beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe zum Synodalen Weg verhalten? Und was bedeutet die anschließend veröffentlichte Vatikan-Kritik daran? Kardinal Reinhard Marx gibt Entwarnung.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat deutlich gemacht, dass die deutschen Bischöfe bei ihrem jüngsten Ad-limina-Besuch im Vatikan sehr offen mit Papst Franziskus gesprochen haben. Dabei sei keinerlei Schlusspunkt für den Synodalen Weg gesetzt worden, sagte Marx am Montag im Münchner Presseclub. Auch die weiteren Gespräche mit den Kardinälen seien nicht so verlaufen, dass man behaupten könne, "wir haben eine Watschn bekommen und jetzt hören wir auf, packen unsere Koffer und der Synodale Weg ist damit beendet".

Die danach veröffentlichten Reden des Präfekten des Glaubens-Dikasteriums, Luis Ladaria, und des Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe, Marc Ouellet, seien "Vorträge" gewesen, betonte der Kardinal. Es habe sich um eine Meinung gehandelt, aber nicht um einen Beschluss des Papstes. Den Moratoriumsvorschlag für das Reformprojekt habe die Mehrheit der deutschen Bischöfe "sehr deutlich" zurückgewiesen. Schließlich sei man nicht allein Veranstalter des Synodalen Wegs, sondern gemeinsam mit den Laien: "Da kann man nicht sagen, die lassen wir jetzt mal beiseite. Das ist eine Art, da bin ich nicht so dafür."

Überzeugt vom Synodalen Weg

Marx unterstrich, dass er nach wie vor vom Synodalen Weg überzeugt sei. Das Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland sei zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber ein guter Weg, der viele notwendige Diskussionen auch weltweit in der Kirche in Gang bringen werde. Die Kirche sei missionarisch in allen Kulturen nach vorne gekommen, wenn die Leute gespürt hätten, "hier ist Hoffnung, hier wird meinem Leben aufgeholfen, hier wird meine Angst vor dem Leben und Sterben weggenommen".

Beim Synodalen Weg würden Fragen aufgeworfen und es werde mit theologischen Argumenten gearbeitet, erinnerte Marx. Dennoch wisse jeder in der katholischen Kirche in Deutschland, dass weltkirchliche Probleme nicht auf deutscher Ebene gelöst werden könnten. Zugleich empfahl der Kardinal: "Man muss auch nicht jede kleine Äußerung des Papstes, die er nebenbei mal im Flugzeug sagt, zum unfehlbaren Lehramt erklären." Er, Marx, sage gelegentlich seinen Leuten: "Werdet erwachsen, und guckt nicht immer, was Papa macht."

Marx weist Kritik an Missbrauchs-Aufarbeitung der Kirchen zurück

Weiter wies Marx die Kritik des bayerischen Justizministers Georg Eisenreich (CSU) an der Präventions- und Aufklärungsarbeit der Kirchen beim Thema Missbrauch zurück. Er sei "erstaunt" gewesen über die Aussagen des Justizministers in der vergangenen Woche, sagte der Kardinal. Erst vor Kurzem habe es ein zweistündiges Gespräch der Freisinger Bischofskonferenz mit der bayerischen Staatsregierung gegeben. Dabei habe es seitens des Kabinetts keinen derartigen Vorstoß gegeben, sagte Marx.

Eisenreich hatte sich vergangenen Donnerstag im Verfassungsausschuss des bayerischen Landtags für eine unabhängige Ombudsstelle für Betroffene von Missbrauch in der Kirche ausgesprochen. So eine bayerische Stelle könnte die Opfer von Missbrauchsfällen begleiten und beraten, sagte er bei der Anhörung. Er halte dies auch für wichtig, "weil die Kirchen dabei zum Teil noch nicht so gut sind". Genau diese Bewertung wies Marx energisch zurück. Ihm sei kein anderer gesellschaftlicher Bereich bekannt außer der Kirche, "wo auch nur annähernd das unternommen wurde, was wir unternommen haben", erläuterte Marx.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

Papst Franziskus empfing die deutschen Bischöfe am 17. November im Vatikan.

Er hätte sich gefreut, wenn der Justizminister noch einmal das Gespräch mit ihm oder den Kirchen zu dem Thema gesucht hätte, sagte Marx: "Zu sagen, die Kirche kann's nicht, die Kirche macht nichts, das ist einfach unglaublich." Er sei sehr dafür, wenn sich der Staat bei dem Thema mehr engagieren will. "Das muss dann aber für alle Bereiche gelten, nicht nur für die Kirche", betonte der Kardinal. Denn anders als im Kirchenbereich gebe es anderswo keine vergleichbare Aufarbeitung oder Prävention: "Da muss man doch nur mal hinschauen!" Der Staat könne gerne die "Präventionsarbeit in allen Bereichen mal evaluieren".

In der vergangenen Woche hatte die Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Erzbistums München und Freising, Michaela Huber, der katholischen Kirche große Fortschritte bescheinigt. Anders als andere Institutionen wie Schulen, Sportvereine und Jugendorganisationen sei "die katholische Kirche in ihrem Aufarbeitungsprozess weit vorangeschritten", stellte Huber in einem am Freitag veröffentlichten Zwischenbericht ihres Gremiums fest. Dagegen sei etwa der Staat seinem "Wächteramt" in den vergangenen Jahrzehnten nur unzureichend nachgekommen.

Marx zu Staatsleistungen: "Nach Recht und Gesetz" ablösen

Weiter verwahrte sich Marx dagegen, im Zusammenhang mit den geplanten Ablösungen von Staatsleistungen den Kirchen überzogene Forderungen vorzuwerfen. Hier gehe es nicht darum, dass die Kirche Geld wolle, sondern dass der Staat die rechtlich verpflichtenden Leistungen ablösen wolle, sagte der Kardinal. Diese Tatsache werde oft völlig verdreht. Die katholische Kirche sei für eine entsprechende Regelung offen, "aber es muss nach Recht und Gesetz gehen". Schon seit Jahrzehnten werde diese Diskussion immer wieder geführt, erinnerte Marx. Die Länderregierungen hätten daran nicht so sehr Interesse gehabt, weil es um hohe Summen für sie gegangen wäre. Viele seien deshalb der Meinung gewesen, es lieber zu lassen. Die Ampelregierung wolle die Sache aber nun mit einem Bundesgesetz lösen. Inwieweit man den Ländern Spielraum lasse, bleibe abzuwarten. Die Verhandlungen liefen.

"Hoffentlich gibt es eine gute Einigung", erklärte Marx. Denn die Kirchen könnten nicht einfach darauf verzichten. Als der Staat 1803 der Kirche die landwirtschaftlichen Pfründe genommen habe, sei ihr für Jahrhunderte die finanzielle Grundlage entzogen worden. Deshalb habe der Staat dies mit seinen Leistungen ausgeglichen. Die Staatsleistungen gehen zumeist auf das Jahr 1803 zurück, als Kirchengüter enteignet wurden. Sie umfassen Geld- oder Sachmittel, in manchen Fällen aber auch die Übernahme der Besoldung von Bischöfen, Domherren und Zuschüssen zu Pfarrergehältern. Der Auftrag zur Ablösung ist schon in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 festgeschrieben. 1949 wurde er ins Grundgesetz übernommen. Die Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. In der vergangenen Legislaturperiode legten Grüne, Linke und FDP dazu bereits einen Gesetzentwurf vor, für den sich aber keine Mehrheit im Bundestag fand.

Marx: Nicht mehr, sondern weniger über Gott reden

Marx zeigte sich zudem davon überzeugt, dass man nicht mehr, sondern weniger über Gott reden sollte. Diese These sei eine Provokation, räumte er ein. "Aber was wissen wir denn über ihn?" Der Kirchenmann plädierte dafür, "ein bisschen" zurückhaltender zu sein; es werde in Gott zu viel hineinfantasiert. Schon der Theologe und Jesuit Karl Rahner (1904-1984) habe einmal gesagt, dass jedes Wort und Bild in Bezug auf Gott nur analog zu verstehen sei. Der Anhaltspunkt für Christen sei der "Mann aus Nazareth". In diesem Zusammenhang wies Marx auf den Grabstein des früheren Bundespräsidenten und bekennenden Protestanten Johannes Rau (1931-2006) hin. Darauf stehe in der Luther-Übersetzung jener Satz aus dem Evangelium, den eine Magd auf Petrus bezogen spreche: "Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth." Wenn mal über seinem eigenen Grab stehen sollte "Der Marx war auch einer aus dieser Jesus-Truppe", dann wäre ihm das genug, so der Kardinal.

Marx berichtete weiter, er habe bei seiner jüngsten Rom-Reise adventliche Leckereien aus Bayern für Papst Franziskus zum Geburtstag im Gepäck gehabt. So brachte er ihm einen von Ordensschwestern selbst gebackenen Christstollen mit, erzählte der Kardinal. Das Wort "Christstollen" habe das Kirchenoberhaupt bei der Begegnung sogar auf Deutsch ausgesprochen. Plätzchen und Stollen aus der Heimat gab es auch für den emeritierten Papst Benedikt XVI. Weil er allerdings nicht angemeldet gewesen sei, habe er die Sachen nur kurz vorbeigebracht, so Marx. Zuletzt persönlich zusammengetroffen sei er mit Benedikt im vergangenen September. Dabei habe er den 95-Jährigen zwar als körperlich geschwächt, aber "geistig wach" erlebt. (tmg/KNA/epd)

19.12., 16:45 Uhr: Ergänzt um Staatsleistungen und Rede von Gott.