Wie eine Initiative gegen "Fiducia supplicans" für Spaltung sorgt
Aufregung, Ablehnung und Aufbegehren – so lässt sich die Situation nach der Veröffentlichung des vatikanischen Segnungsdokuments "Fiducia supplicans" in aller Kürze beschreiben. Darin erlaubte der Vatikan unter bestimmten Umständen die Segnung homosexueller und wiederverheirateter Paare, was nicht nur in afrikanischen Ländern eine negative und ablehnende bis rebellische Haltung hervorrief, auch im osteuropäischen Raum machte sich eine nicht unerhebliche Ablehnung breit. Nicht viel anders sieht es in Spanien und Frankreich aus, wobei die Situation besonders in den spanischen Diözesen zu eskalieren droht.
In einer Unterschriftensammlung auf der Plattform "Change.org", die eine Gruppe spanischer Priester aus dem Erzbistum Toledo Ende Dezember startete, heißt es: "Heiliger Vater, zum Wohle der Kirche, nehmen Sie die Erklärung 'Fiducia supplicans' zurück." Den Priestern schlossen sich weitere Kleriker, Ordensleute und Laien an, die Zahl stieg nach einer Social-Media-Kampagne rasant an, rund dreihundert Namen wurden öffentlich aufgelistet, bis der zuständige Erzbischof von Toledo, Francisco Cerro, eingriff. Der Oberhirte schickte einen Brief an seinen Klerus mit der Aufforderung, das Segensdokument nicht mehr öffentlich zu kommentieren. Medienberichten zufolge soll Cerro sogar einen seiner Priester, der zu den Initiatoren gehört, angewiesen haben, die Kampagne sofort einzustellen. Die bischöfliche Zurechtweisung hatte zur Folge, dass die Initiative für eine gewisse Zeit ausgesetzt wurde und die beteiligten Priester seiner Diözese offenbar die erste Reihe der Aktivisten verließen. Es heißt auch, dass die Initiatoren die Kampagne weiterhin als Privatpersonen unterstützen, auch wenn ihre Namen nicht mehr auf der Petitionsliste erscheinen und die Weiterführung angeblich an Laien übergeben wurde.
In spanischen Medienberichten wird jedoch ein hochrangiger Geistlicher der Diözese Cádiz als aktueller Hauptverantwortlicher der Kampagne genannt: Antonio Diufaín Mora, ehemals enger Mitarbeiter des amtierenden Bischofs von Cádiz, Rafael Zornoza. Nach Informationen des spanischen Internetportals "Religion Digital" soll Diufaín in der Diözese mit äußerster Härte vorgegangen sein, so dass sich der Bischof gezwungen sah, ihn seines Amtes zu entheben. Er ist jedoch weiterhin Priester der Diözese Cádiz und wurde bisher nicht wegen der Anti-Segnungskampagne gerügt. In einem Interview mit dem spanischen Portal "Infovaticana" sagte Diufaín, er sammle keine Unterschriften gegen den Papst und werde niemanden der Häresie bezichtigen, auch wenn er die Segnung homosexueller Paare nicht billige und zu den Umständen "der Verwirrung und des Skandals" nicht schweigen könne.
In Madrid allerdings reagierte der Oberhirte, Kardinal José Cobo, prompt und rügte mehrere ungehorsame Priester in seiner Erzdiözese. Für den Oberhirten handelt es sich um eine "künstliche Kontroverse, die alles aus dem Zusammenhang gerissen hat". Gegenüber "Religion Digital" erklärte er, dass man in Madrid "Fiducia supplicans" vollständig umsetzen werde und forderte die ungehorsamen Priester auf, das Segnungsdokument des Glaubensdikasteriums sorgfältig zu lesen. Unter anderem wurden sie gefragt, ob sie etwas gegen Papst Franziskus hätten, denn ein Priester dürfe nicht Teil einer solchen Kampagne sein. Zwar hätten sie generell das Recht, ihre Meinung frei zu äußern, aber sie sollten darauf achten, dies nicht auf Internetportalen zu tun, die im Gegensatz zum Papst stünden, so Cobo.
Die Reaktionen der beiden Erzbischöfe von Madrid und Toledo hatten jedoch einen Bumerang-Effekt: Die Maßregelungen sorgten für mehr Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken und den gängigen Online-Medien und verhalfen der Ablehnungskampagne zu weiteren 10.000 Unterschriften. Zu den Unterzeichnern gehören laut Medienberichten Priester aus mehreren spanischen Diözesen wie Madrid, Zaragoza, Valencia, Alicante, Toledo, Málaga, Barcelona, Cádiz, Mallorca, Teneriffa, aber auch aus anderen Ländern wie Peru, Portugal, Puerto Rico oder den USA.
Doch nicht einstimmig?
Etwas entspannter als in Spanien scheint die Situation um das vatikanische Segensdokument in Frankreich zu sein. Laut einer Erklärung des Ständigen Rates der Bischofskonferenz vom Mittwoch stellten sich die französischen Bischöfe einstimmig hinter das vatikanische Dokument. Man verstehe die Erklärung als Ermutigung für die Geistlichen, "großzügig diejenigen zu segnen, die sich an sie wenden und demütig um Gottes Hilfe bitten". Dennoch scheinen die Reaktionen in der französischen Kirche gemischt und offenbar nicht so "einstimmig" wie erwartet, vor allem im Westen des Landes.
Neun Bischöfe der Kirchenprovinz Rennes, die für die Regionen Bretagne und Pays de Loire zuständig sind, haben sich zuvor gegen die Segnungen homosexueller Paare gestellt und diese auf Einzelpersonen beschränkt. In einer Stellungnahme, die zeitgleich mit dem neuen Erklärungsdokument des Glaubensdikasteriums vom 4. Januar veröffentlicht wurde, heißt es, im gegenwärtigen gesellschaftlichen Kontext sei es wichtig, eine Verwechslung mit dem Sakrament der Ehe zu vermeiden. Die Bischöfe wiesen auch darauf hin, dass die vatikanische Erklärung nur von einer Möglichkeit, nicht aber von einer Verpflichtung spreche.
Ob Häresievorwurf, Ablehnung oder Verbot – das Segensdokument des vatikanischen Glaubensdikasteriums "Fiducia supplicans" sorgt immer wieder für heftige innerkirchliche Diskussionen. Darin hatte der Glaubenspräfekt, der argentinische Kardinal Victor Fernandez, die Segnung homosexueller Paare unter bestimmten Umständen empfohlen, aber betont, dass es keine Verwechslung mit dem Ehesakrament geben dürfe. Trotz der päpstlichen Erlaubnis distanzierten sich mehrere afrikanische Bischofskonferenzen sowie die kasachischen Bischöfe, die solche Segnungen sogar ausdrücklich untersagten.
Auch der frühere Präfekt des Dikasteriums für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Robert Sarah, meldete sich jüngst zu Wort und sprach in einem am Wochenende veröffentlichten Aufsatz von Häresie. Der Papstbiograf und Vatikanjournalist Austen Ivereigh forderte Sarah daraufhin auf, seinen Kardinalshut zurückzugeben, weil er den Papst der Häresie bezichtigt habe. Es bleibt abzuwarten, wie der Vatikan auf solche Häresievorwürfe reagiert, wie sich die Situation in den spanischen Diözesen entwickelt und ob es den obersten Kirchenvertretern Spaniens gelingt, ihren Klerus auf einen Versöhnungskurs einzuschwören.