Theologe Halik: Es braucht eine stärkere Dezentralisierung der Kirche
Knapp vier Wochen dauerte die zweite Sitzungsperiode der Weltsynode in Rom. Mit ihr endet auch der 2021 von Papst Franziskus initiierte synodale Prozess der Weltkirche. Zum Ende des groß angelegten Reformprojekts zieht der tschechische Theologe und Religionsphilosoph Tomas Halik im Gespräch mit katholisch.de eine erste Bilanz. Er fordert eine stärkere Dezentralisierung in der katholischen Kirche. Einige der vielen erwarteten Reformen hätten nicht stattgefunden, allerdings gebe es dafür einen besonderen Grund. Ebenso äußert sich der Theologe dazu, wie es nach dem synodalen Prozess weitergehen könnte.
Frage: Herr Halik, die Diskussionen bei der zweiten Sitzungsphase der Weltsynode sind nach knapp vier Wochen zu Ende gegangen. Wie beurteilen Sie die Abschlussphase?
Halik: Ich bin davon überzeugt, dass die Zukunft der Christenheit – zumindest in diesem ersten Jahrhundert des dritten Jahrtausends – zu einem großen Teil davon abhängt, wie der Prozess der synodalen Erneuerung der Kirche weitergeht. Was die synodale Erneuerung am meisten bedroht, ist die Vorstellung, dass die zweite Sitzungsperiode eine Art Abschluss des synodalen Prozesses sei. In Wirklichkeit muss sie ein Anfang sein.
Frage: Woran sollte der Erfolg der Synodalität Ihrer Meinung nach gemessen werden?
Halik: Sie muss vor allem auf zwei Ebenen gemessen werden: Die erste ist die Transformation der Mentalität, die eine Vertiefung von Theologie und Spiritualität voraussetzt. Die zweite ist die Fähigkeit der Kirche, das synodale Prinzip über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus auszudehnen und es als Inspiration anzubieten, um den Prozess der Globalisierung in einen Prozess des Teilens, des gegenseitigen Respekts und der Kompatibilität im Sinne der Enzyklika "Fratelli tutti" (2020) zu verwandeln.
„Was die synodale Erneuerung am meisten bedroht, ist die Vorstellung, dass die zweite Sitzungsperiode eine Art Abschluss des synodalen Prozesses sei. In Wirklichkeit muss sie ein Anfang sein.“
Frage: Es gab einige "kontroverse" Themen während der Synode, etwa den Umgang der Kirche mit LGBTQ-Personen, mehr Laienbeteiligung und die Frage nach einer Weihe von Frauen. Aber diese Synode sollte keine Entscheidungen treffen. Was will Papst Franziskus wirklich erreichen?
Halik: Die Synodenversammlung in Rom ist kein ökumenisches Konzil, sondern eher eine Art "Exerzitien", "geistliche Übungen", die zum Umdenken anregen, die Richtung des weiteren Weges aufzeigen und Mut machen sollen, diesen Weg in den Ortskirchen eigenständig und kreativ gemeinsam zu gehen – Bischöfe, Priester und Laien, Menschen im "Zentrum" und an der "Peripherie" der Kirche.
Frage: Was ist in Zukunft noch zu erwarten? Wie wird der Prozess weitergehen?
Halik: Es wird wichtig sein, dass die Diözesan- und Kontinentalsynoden auf der gegenwärtigen Phase des synodalen Prozesses aufbauen und vor allem, dass die bereits bestehenden Synodengruppen ihre Arbeit fortsetzen. Die Arbeit der bestehenden theologischen Beraterkommissionen der Synode wird sicherlich durch das "Magisterium der Theologen" mit weiteren Vorschlägen unterstützt werden.
Frage: Was ist der nächste Schritt, den die Kirche Ihrer Meinung machen sollte?
Halik: Was wir als nächsten Schritt und als Frucht der bisherigen Erfahrungen erwarten können, ist eine stärkere Dezentralisierung der Kirche. Einige konkrete Reformen, die von vielen erwartet wurden, sind nicht eingetreten, wahrscheinlich vor allem deshalb, weil klar ist, dass einige Ortskirchen reif für Reformen sind und andere noch nicht. Ein Grund dafür ist zum Beispiel das unterschiedliche Verständnis der Rolle der Frau in den verschiedenen Kulturen. Ich befürchte, dass einige Ortskirchen – gerade in einigen postkommunistischen Ländern – das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) noch nicht ausreichend angenommen haben. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sie zögern, diesen Weg weiterzugehen. Die Gesamtsituation ist heute eine andere als in den 1960er Jahren, als die Kirche sich mit der Moderne auseinandersetzte – pikanterweise zu einer Zeit, als die Moderne bereits zu Ende ging.
Frage: Wie soll die synodale Erneuerung dann aussehen?
Halik: Paradoxerweise zeigen diejenigen, die von der zweiten Tagung der Synode radikale institutionelle Veränderungen erwarten – und wahrscheinlich enttäuscht sein werden –, eine klerikale Haltung: Sie erwarten Veränderungen "von oben". Die synodale Erneuerung sollte aber eine Antwort auf die neuen "Zeichen der Zeit" sein – aber diese Aufgabe wartet wohl noch auf die Kirche auf der nächsten Etappe der synodalen Fahrt. Die Fortsetzung des synodalen Prozesses erfordert eine Vertiefung von Theologie und Spiritualität beiehungsweise eine Verknüpfung von Theologie und Spiritualität, wie Papst Franziskus in seinem Motu propriu "Ad theologiam promovendam" (2023) vorgeschlagen hat.