Deutsche Welle
Den Part der "Reformer" übernahmen vorwiegend die Westeuropäer: die Franzosen, Belgier, Niederländer, vor allen aber die Deutschen. Ihre theologischen Ideen und Einlassungen zogen die Konzilsmehrheit mit. Zwar waren die Deutschen nur mit rund 60 Bischöfen vertreten, also etwa der Hälfte der Franzosen und einem Bruchteil der (antimodernistisch eingestellten) Italiener. Doch sowohl die sprichwörtliche deutsche Organisationsfähigkeit als auch gleich mehrere herausragende Einzelpersönlichkeiten zeigten deutlich Wirkung.
Nicht wegzudenken aus der Konstellation des Konzils ist das Kölner Dreigestirn von Kardinal Josef Frings (1887-1978) und seinen Beratern Hubert Jedin (1900-1980) und Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (2005-2013). Frings, ein beliebter Volksbischof und von Haus aus theologisch sehr konservativ, hatte die besondere Fähigkeit, sich für die verschiedenen Bereiche seines Wirkens gute Berater zu suchen - und ihren Rat auch tatsächlich anzunehmen.
Kritik aus Köln
Ermutigt vom neuen Kurs Johannes' XXIII. (1958-1963) trat er aus der theologischen Erstarrung unter Pius XII. heraus und wurde qua Amt und Alter der Mann für die entscheidenden Wortbeiträge in der Konzilsaula. Schon 1960 hatte Frings mit einem Vortrag, den der junge Bonner Fundamentaltheologe Ratzinger für ihn verfasste, Aufmerksamkeit und Vertrauen des Papstes gewonnen. Als einer der Konzilspräsidenten erhielt er rasch und häufig Rederecht und nutzte dieses für Interventionen in fließendem Latein.
Schon am ersten Tag lehnte Frings - auf Hinweis des Konzilshistorikers Jedin - die von der Kurie vorgefertigten Listen zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppen ab. Das gab den Konzilsvätern einen enormen Schub an Selbstbewusstsein. Im November 1963 kritisierte Frings im Petersdom offen die Machtfülle und fehlende Transparenz des Heiligen Offiziums, Vorgängerin der Römischen Glaubenskongregation.
Joseph Ratzinger, zur Konzilseröffnung gerade erst 35, galt als brillanter Reformtheologe, der über Frings und über viele Gespräche mit anderen Konzilsvätern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Kirchenversammlung nahm. Sein Alter Ego und dabei zunächst durchaus sein Vertrauter war der fast gleichaltrige Tübinger Dogmatiker Hans Küng (Jahrgang 1928), Berater des Bischofs von Rottenburg. Küng hatte 1962 mit seinem vieldiskutierten Buch "Strukturen der Kirche" einen dicken Stein ins Wasser geworfen. Darin rehabilitierte er gleichsam das Konzil von Konstanz (1414-1418) und die Idee des Konziliarismus und schuf so ein neues Bewusstsein für das lehramtliche Gewicht des Konzils neben dem Papst.
Ein junger Franke
Als Liebling der Medien machte er in Rom viel Wind - auch frischen Wind, wie ihn der Konzilspapst Johannes XXIII. wünschte. Später geriet der gebürtige Schweizer aber in einen sich verschärfenden Konflikt mit der Kurie und verlor 1979 seine Lehrerlaubnis. Seitdem ist er als "Gegenpapst von Sursee" ein unernannter Wortführer der kirchlichen Linken.
Ähnlich prägend wie Frings, vor allem im weiteren Verlauf des Konzils, war der deutlich jüngere Münchner Kardinal Julius Döpfner (1913-1976; siehe Titelbild ganz rechts). Ein Franke, geradeheraus, fromm, knapp und effizient, verstand er zu organisieren und hatte als Kardinals-Konsemester von Paul VI. guten Zugang zum Papst. Mit seinem klaren Verstand und seiner klaren Linie gab er Orientierung und stand auch bei deutlich älteren Konzilsvätern in hohem Ansehen. Er wurde einer der Väter der "Würzburger Synode" von 1975, erlag jedoch 1976 mit nicht einmal 63 Jahren einem Herzinfarkt.
Zu kurz kommt in der Darstellung oft Kardinal Augustin Bea (1881-1968). Der Jesuit aus Baden verkörperte an der Kurie Klugheit, Weitsicht und Milde. Ein beharrlicher Kämpfer im Stillen, tat er gegen heftige Widerstände als Beauftragter des Papstes Enormes für den Aufbau der Ökumene: eine der großen Kirchengestalten des 20. Jahrhunderts, in einem Atemzug zu nennen mit seinem Landsmann Karl Rahner (1904-1984).