AfD: Tiefer Graben zu christlichen Grundüberzeugungen
Es ist der zentrale Satz in der im vergangenen Jahr veröffentlichten Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" der Deutschen Bischofskonferenz (DBK): "Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar." Und auch wenn in dem Satz keine Partei namentlich erwähnt wird, so war nach der Veröffentlichung der einstimmig von der DBK-Vollversammlung verabschiedeten Erklärung doch sofort klar, dass die Bischöfe mit ihrer mahnenden Warnung vor allem die AfD im Blick hatten.
Das Papier, das den Bischöfen viel Aufmerksamkeit und – ungewohntes – Lob einbrachte, zerschnitt wohl endgültig das schon zuvor stark eingerissene Tischtuch zwischen der Kirche und der AfD. Deren Verhältnis war schließlich schon seit der Gründung der Partei im Jahr 2013 angespannt. Bald nach dem Start der Partei erklärte der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mit Blick auf die damals vor allem Euro-kritische Partei, er hoffe, "dass es nur ein paar Nostalgiker sind, die nicht in den Bundestag einziehen werden" – eine Aussage, die Kritik von Parteivertretern auslöste. Die heutige stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, schrieb in einem offenen Brief an Zollitsch: "Sie missbrauchen ihr Amt, um vor uns zu warnen."
Überdeutliche Differenzen in der Flüchtlingskrise
Überdeutlich wurden die Differenzen dann im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise ab Herbst 2015. Während sich die Kirchen mit Verweis auf die christliche Nächstenliebe stark für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge engagierten, positionierte sich die AfD mit rechtspopulistischen Parolen gegen die Willkommenskultur – unter anderem durch scharfe Kritik an den Kirchen. So warf der damalige stellvertretende Parteivorsitzende Albrecht Glaser den Kirchen vor, beim Thema Flüchtlinge von einem "naiven Humanitarismus beseelt" zu sein. Und der damalige bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron behauptete gar, die Kirchen würden mit der Flüchtlingshilfe Milliardengeschäfte machen – eine Aussage, die DBK-Sprecher Matthias Kopp umgehend als "Gequatsche" und "unreflektiertes Gerede" zurückwies.

Wie ein roter Faden wird das AfD-Wahlprogramm von einem Geist des Misstrauens und der Ablehnung gegenüber den in Deutschland lebenden Muslime durchzogen.
Die Erklärung der Bischöfe im vergangenen Jahr war vor diesem Hintergrund der wohl logische nächste Schritt in der Auseinandersetzung mit der Partei. Schließlich war auch der Kirche nicht verborgen geblieben, dass sich die AfD seit ihrer Gründung immer stärker radikalisiert hatte. Aus der eurokritischen Partei der Anfangszeit wurde nach und nach eine rechtspopulistische und in weiten Teilen sogar rechtsextreme Partei, die sich heute kaum noch Mühe gibt, ihre radikalen Ansichten und Ziele zu verschleiern. Sinnbildlich dafür steht vor allem der Begriff der "Remigration", der als Kampfbegriff und Euphemismus für Vertreibung und Deportation zunächst von der Neuen Rechten genutzt wurde – und inzwischen Eingang in das Programm der AfD zur Bundestagswahl gefunden hat.
Wer als Wählerin oder Wähler sein Christsein ernst nimmt, für den kann die AfD auch auf Basis dieses Programms kaum eine ernsthafte Alternative sein. Zu deutlich widersprechen die Inhalte des Papiers christlichen Grundüberzeugungen. Wohl am auffälligsten zeigt sich das weiterhin bei der Migrationspolitik. Hier fährt die AfD im völligen Widerspruch zur Position der Kirchen einen unbarmherzigen Kurs der Abschottung und Abweisung. In einer Übersicht mit 20 Kernforderungen aus dem Wahlprogramm der Partei heißt es unter der Überschrift "Kehrtwende in der Asyl- und Migrationspolitik": "Wir wollen eine Migrationspolitik im Interesse Deutschlands: Einführung konsequenter Grenzkontrollen, Zurückweisung illegaler Einwanderer und Remigration von Personen ohne Bleiberecht. Asylanträge müssen in Bearbeitungszentren außerhalb Deutschlands bearbeitet werden. Außerdem fordern wir den Austritt Deutschlands aus dem UN-Migrationspakt und UN-Flüchtlingspakt."
Muslime stehen besonders im Fokus
Besonders im Fokus der AfD stehen zudem die in Deutschland lebenden Muslime. Wie ein roter Faden wird das Programm ihnen gegenüber von einem Geist des Misstrauens und der Ablehnung durchzogen. Unter anderem heißt es im Programm: "Muslime, die sich integrieren und unsere Grundordnung und die Grundrechte anerkennen, sind geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft. Der politische Islam stellt allerdings in seiner teils gewaltbereiten Ausprägung die größte Gefahr für die christlich-abendländische Kultur in Deutschland dar", "Nicht nur in deutschen Großstädten sind mittlerweile muslimisch geprägte Stadtteile mit entsprechenden Parallelgesellschaften entstanden, in welchen immer weniger der Rechtsstaat und die Exekutive eine Rolle spielen, sondern sogenannte Friedensrichter auf der Grundlage der Scharia das gesellschaftliche Leben bestimmen", "Eine Kritik des Islams ist wie jede andere Religionskritik legitimiert durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Es ist inakzeptabel, die Kritik am Islam durch den Vorwurf der 'Islamophobie' oder des sogenannten antimuslimische Rassismus zu unterdrücken." Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
„Unsere Identität ist geprägt durch unsere deutsche Sprache, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere Kultur. Letztere sind eng verbunden u.a. mit dem Christentum, der Aufklärung, unseren künstlerischen und wissenschaftlichen Werken.“
Zudem malt die AfD das in rechten Kreisen beliebte Schreckgespenst einer angeblichen Islamisierung Deutschlands an die Wand. Dieser will die Partei unter anderem entgegentreten, indem islamischen Organisationen der Körperschaftsstatus des öffentlichen Rechts verweigert, islamtheologische Lehrstühle an Universitäten abgeschafft und islamistische Vereine und Moscheegemeinden verboten werden. Neben solchen konkreten Forderungen finden sich im Programm zudem zahlreiche unterschwellige Unterstellungen, die Muslime pauschal mit Kinderehen, Polygamie und der Unterdrückung von Frauen in Verbindung setzen.
Weniger negativ kommt das Judentum im AfD-Programm weg. Allerdings findet es auch nur einmal Erwähnung – und dort wird es wiederum gegen den Islam in Stellung gebracht: "Jüdisches Leben wird in Deutschland vorwiegend von juden- und israelfeindlichen Muslimen bedroht. Angriffe auf Juden sowie antisemitische Beleidigungen müssen konsequent strafrechtlich geahndet werden." Ohne eine bestimmte Religion zu nennen, setzt sich die AfD zudem für ein Verbot des Schächtens ohne Betäubung ein. Dies würde Juden und Muslime, die sich an ihre jeweiligen Speisevorschriften halten, gleichermaßen treffen.
Christentum als Instrument der Identitätspolitik
Das Christentum dagegen dient der AfD lediglich als Instrument ihrer Identitätspolitik. So heißt es unter der Überschrift "Deutsche Leitkultur statt 'Multikulturalismus'": "Unsere Identität ist geprägt durch unsere deutsche Sprache, unsere Werte, unsere Geschichte und unsere Kultur. Letztere sind eng verbunden u.a. mit dem Christentum, der Aufklärung, unseren künstlerischen und wissenschaftlichen Werken." Weitere Bezüge zum Christentum finden sich, außer der schon erwähnten Gefahr für die christlich-abendländische Kultur in Deutschland durch den politischen Islam, im Wahlprogramm nicht. Und auch die Kirchen kommen lediglich einmal im Programm vor – und zwar an der Stelle, an der die AfD ankündigt, das Kirchenasyl abschaffen zu wollen.
Die Familienpolitik der AfD wird vor allem von dem Ziel geprägt, die Geburtenrate in Deutschland wieder zu erhöhen, die zuletzt auf 1,35 Kinder pro Frau abgesunken ist. "Durch eine aktivierende Familienpolitik strebt die AfD eine Geburtensteigerung und damit die demografische Wende in Deutschland an", steht dazu im Programm. Eines der von der Partei ausgegebenen Ziel ist es dabei, "unsere Kulturweitergabe" sicherstellen. Dies legt den Verdacht nahe, dass die AfD sich vor allem deutsche Kinder wünscht und somit national-demografische Ziele verfolgt – so wie sie es in ihrem Grundsatzprogramm explizit formuliert hat. Dort schreibt sie, dass "mittels einer aktivierenden Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung" erreicht werden soll.

Schwangerschaftsabbrüche sollen nach dem Willen der AfD künftig die "absolute Ausnahme" bleiben.
Nah an der offiziellen Position der katholischen Kirche ist die AfD beim Thema Abtreibung. Zwar will die Partei Schwangerschaftsabbrüche nicht vollständig verbieten, sie sollen aber die "absolute Ausnahme" bleiben. Demnach sollen Abtreibungen nur noch "bei kriminologischer oder medizinischer Indikation" erlaubt sein – also etwa nach Vergewaltigungen oder in Fällen, in denen die Gesundheit der Mutter gefährdet ist. Begründet wird die anvisierte Einschränkung des Abtreibungsrechts damit, dass das Recht auf Leben "ein fundamentales Menschenrecht" sei. Bei der derzeitigen Abtreibungspraxis sei "weder das Lebensrecht der Kinder ausreichend geschützt, noch kann davon ausgegangen werden, dass die Schwangeren hinreichend über schwere Abtreibungsfolgen und über Hilfsangebote aufgeklärt wurden".
Darüber hinaus positioniert sich die AfD gegen das 2024 von der Ampelkoalition erlassene Selbstbestimmungsgesetz, das sie "vollumfänglich" zurücknehmen will. "Die Realität der Zweigeschlechtlichkeit muss wieder anerkannt werden", fordert die Partei, die zudem beklagt, dass Kinder und Jugendliche "durch einen Trans-Kult in Kita, Schule, Medien, im Internet und durch Gleichaltrige manipuliert" würden.
Nicht-Wahlempfehlung der Bischöfe weiter aktuell
Auch bei weiteren Themen spielt die AfD unverhohlen auf der rechtspopulistischen Klaviatur. Etwa in der Umweltpolitik: Hier stellt die Partei den menschengemachten Klimawandel in Frage ("Klimawandel gab es zu allen Zeiten. Er ist ein komplexes Phänomen, verursacht durch eine Vielzahl von Faktoren. Die Frage nach dem Anteil des Menschen an diesem ist wissenschaftlich ungeklärt."). Außerdem spricht sie sich für einen Ausbaustopp von Photovoltaik- und Windkraftanlagen aus; letztere stellten eine Gefährdung für Pflanzen und Tiere sowie eine Beeinträchtigung der Gesundheit und der Lebensqualität der Menschen dar.
Auch diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Klar scheint deshalb zu sein: Mit Blick auf das Wahlprogramm der AfD ist es nicht vorstellbar, dass es in naher oder auch ferner Zukunft eine Annäherung zwischen der Partei und den Kirchen geben könnte – zu groß und grundsätzlich sind die Differenzen in fast allen Themenfeldern. Insofern hat die Nicht-Wahlempfehlung der Bischöfe auch ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung nichts an Aktualität verloren.