Die Parteiprogramme zur Bundestagswahl – Teil 1

Gas, Gender, Grenzen und keine Religion: Das Bündnis Sahra Wagenknecht

Veröffentlicht am 21.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat im Wahlprogramm zur Bundestagswahl wenig zu kirchlichen Themen zu sagen. Auch zum Thema Abtreibung nimmt die Partei keine Stellung. Stattdessen: Kritik an Russland-Sanktionen, am öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und eine knallharte Migrationspolitik.

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Gas aus Russland, eine knallharte Migrationspolitik und Kritik an der deutschen Medienlandschaft – das sind nur einige der Themen der jüngsten Partei im Bundestag, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Doch mit explizit kirchlichen Themen beschäftigt sich die Partei in ihrem knapp 39-seitigen bundesweiten Wahlprogramm nicht wirklich. So äußert sich der politische Newcomer nicht zum eigenen Verhältnis zu Kirchen und Religionsgemeinschaften – ebenso wenig wie zum Thema Staatsleistungen.  

Scharfe Töne bei Migrationspolitik 

Dennoch gibt es Themen wie die Migrationspolitik, die der Linie von Papst Franziskus und den deutschen Bischöfen widersprechen. Die Wagenknecht-Partei schlägt hier scharfe Töne an und betont, dass das Asylrecht massenhaft missbraucht werde. Deshalb wolle man ungeregelte Zuwanderung stoppen, etwa durch Asylverfahren außerhalb der EU. Gefordert werden auch mehr Abschiebungen und eine härtere Gangart auf europäischer Ebene: "Deutschland braucht für die kommenden Jahre eine Atempause in der Migration", heißt es in dem Programm. Deshalb müsse laut BSW der Grundsatz gelten: "Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, hat kein Recht auf Aufenthalt. Wer kein Recht auf Aufenthalt hat, hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen."  

Ebenso müssten Gesetze und eventuell das Grundgesetz entsprechend geändert werden, damit kriminelle Flüchtlinge ihren Anspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland verlieren, so die Partei. Der Abschiebeschutz solle nur noch auf Fälle beschränkt werden, "in denen klare Indizien vorliegen, dass dem Betroffenen im Herkunftsstaat die Todesstrafe droht". 

Familien, Frauenrechte und Gender 

Zum Thema Familie heißt es im Wahlprogramm, man wolle sich für ein "familienfreundliches Deutschland" einsetzen. Insbesondere wolle man finanzielle Rahmenbedingungen schaffen und zu einer Kultur beitragen, in der sich Menschen "gerne für Kinder entscheiden". Wie das letztlich aussehen soll, scheint sich mit der auch von anderen Parteien verfolgten Idee von mehr Kita- und Ganztagsschulplätzen zu decken. Dazu gehören laut BSW ein Mindestlohn von 15 Euro, eine Mindestrente von 1.500 Euro und steuerfreie Renten bis 2.000 Euro. Ebenso ein "Investitionsprogramm Kinder und Bildung" mit einem Zugang zu Angeboten wie Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Bibliotheken, Sportstätten oder Musikschulen.   

Bild: ©picture alliance / ZUMAPRESS.com (Symbolbild)

Dennoch gibt es Themen wie die Migrationspolitik, die der Linie von Papst Franziskus und den deutschen Bischöfen widersprechen. Die Wagenknecht-Partei schlägt hier scharfe Töne an.

Längere Ausführungen folgen dagegen im Unterpunkt "Frauenrechte statt Gender-Ideologie". Darin kritisiert die Partei, dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch weniger verdienen als Männer und auch in Entscheidungsgremien unterrepräsentiert sind. Gleiche Teilhabe und Entlohnung seien daher zentrale Anliegen des BSW.  Auffällig ist jedoch der Begriff "Gender-Ideologie". Während das BSW weiterhin von Ideologie spricht, sind selbst die vatikanischen Behörden und Papst Franziskus, die häufig den gleichen Begriff verwenden, einen Schritt weiter gegangen. So spricht der Pontifex in seiner jüngsten Autobiographie nicht mehr von Ideologie, sondern von "Gender-Theorie". Aber das nur am Rande.  

In diesem Unterpunkt unterstreicht das BSW seine strikte Ablehnung des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Männer hätten durch das neue Gesetz die Möglichkeit, durch eine einfache Unterschrift zu Frauen zu werden, kritisiert die Partei. Damit hätten sie schließlich "potenziell Zugang zu Bereichen wie Frauensport, Frauenduschen und Frauengefängnissen und damit zu deren Schutzräumen". Dies sei eine Gefährdung und Beeinträchtigung von Frauen und Mädchen, heißt es im Wahlprogramm. Deshalb wird die gesamte Kritik in einem kleinen Absatz zusammengefasst: "Frauenrechte dürfen nicht auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert werden. Wir lehnen das neue Selbstbestimmungsgesetz ab, durch das Menschen einmal jährlich ihr Geschlecht wechseln können, auch, weil es Schutzrechte für Frauen aushöhlt."  Dabei war das am 1. November 2024 in Kraft getretene Gesetz, das das Transsexuellengesetz ablöste, von kirchlicher Seite bereits 2023 vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als "Meilenstein" gewürdigt worden. Man sei der festen Überzeugung, dass der Einsatz für eine bessere gesellschaftliche Teilhabe von Transsexuellen nicht enden dürfe, weshalb auch nach dem Gesetz noch viel zu tun bleibe.  

Keine Position zum Schwangerschaftsabbruch 

Zum Thema Abtreibung findet sich im Programm keine ausformulierte Position. Das heißt aber nicht, dass es keine Position zu diesem Thema gibt. Parteichefin Wagenknecht hat sich bereits mehrfach zu dem Thema geäußert, zuletzt in der Wochenzeitung "Die Zeit". Man wolle sich im Bundestag für die Abschaffung des Paragrafen 218 einsetzen, sagte sie. Und: "Das BSW unterstützt das Anliegen, den Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche grundsätzlich straffrei zu stellen. Wir werden der Initiative zustimmen", so die Namensgeberin des BSW. 

Bild: ©dpa/Marcus Brandt

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt im BSW-Programm schlecht weg: Er soll Vorbild für ausgewogene und kritische Berichterstattung sein, sei aber selbst Teil des "Problems" geworden durch journalistische Einheitsmeinung in den Redaktionen und Einseitigkeit in der Berichterstattung.

Ganz anders dagegen der Blick auf die deutsche Medienlandschaft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kommt im Wahlprogramm schlecht weg: Er soll Vorbild für ausgewogene und kritische Berichterstattung sein, sei aber selbst Teil des "Problems" geworden durch journalistische Einheitsmeinung in den Redaktionen und Einseitigkeit in der Berichterstattung. Dadurch werde der Meinungskorridor in der politischen Kommentierung verengt, weshalb Vertrauen und Akzeptanz in Medieninhalte stetig abnähmen. Das BSW hat auch eine Idee, wie man dem entgegenwirken kann: Mit der im Programm geforderten Einrichtung einer so genannten Enquete-Kommission, die die Berichterstattung auf Objektivität und Regierungsferne untersuchen soll – alles unter dem Deckmantel, ein "breites Meinungsspektrum" abzubilden. Das sei kritischer Journalismus, der auch Regierungen hinterfrage, so die Partei. Ob dazu auch der jüngste Gastbeitrag von Elon Musk in der "Welt am Sonntag" gehört, sei dahingestellt. 

Jedenfalls führte dies zu einer regelrechten Medienschlacht zwischen Wagenknecht und Alice Weidel (AfD), in der Weidels Nähe zum Tech-Milliardär kritisiert wurde. Es gehe ihr nicht um die hart arbeitende Mehrheit im Land, hieß es von Seiten der BSW-Parteichefin. Der Partei gehe es in erster Linie um die Interessen Deutschlands. Das bedeute etwa, die USA auf Distanz zu halten und Russland nicht zu verärgern – etwa durch den Gasboykott. Im Programm betont die Partei daher, dass die Regierung eine günstige Gasversorgung durch langfristige Verträge sicherstellen müsse. Die Sanktionen seien wirtschaftlich schädlich für Deutschland und dienen eher den USA. Expliziter: Eine Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines ist nötig, denn am Energieträger Gas führe kein Weg vorbei. Deshalb wolle man zusätzlich in Gaskraftwerke und Energienetze investieren – und diese letztlich – klassisch links – verstaatlichen. Eine "durchdachte" Umweltpolitik und Maßnahmen, die abgeschafft werden sollen, dürften in der Kirche nicht unumstritten sein.  

Altbekannte Haltung zu Russland  

Wenn von Russland die Rede ist, fordert die Partei diplomatische Bemühungen um einen "Waffenstillstand ohne Vorbedingungen" und einen "realistischen Friedensplan". Man wende sich gegen ein "neues Wettrüsten". Stattdessen sollen die Mittel, die in die Rüstung fließen, lieber in "die Bildung unserer Kinder, die Erforschung umweltschonender Technologien oder unsere Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen" investiert werden. Nicht nur die Ukraine soll "kein weiteres deutsches Steuergeld" erhalten, auch Israel soll keine Waffen mehr bekommen. 

Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Die ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp kritisierte die Haltung des BSW zum völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Wegen ihrer Haltung zum Angriffskrieg hat die erst im vergangenen Jahr gegründete Partei der Bundestagsabgeordneten und früheren Linken-Politikerin Wagenknecht bereits heftige Kritik geerntet – auch von einzelnen Vertretern der katholischen Kirche. So kritisierte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp die Haltung des BSW zum völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Mit Sorge blicken wir nicht nur auf die russlandfreundlichen Einlassungen, sondern auch auf antisemitische Positionen, die Mitglieder und Sympathisanten des BSW teilweise verbreiten", hieß es im vergangenen Jahr. Kritisiert wurde auch das liberale Demokratieverständnis: "Handelt es sich um eine Partei im Sinne des Grundgesetzes oder um das Projekt einer Einzelpersönlichkeit, die auf Bundes- und Landesebene gleichermaßen das Zepter in der Hand behalten will?" 

Die schärfste Kritik kam vom Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Bei einer Podiumsdiskussion im vergangenen November forderte er ein Kooperationsverbot mit dem BSW. Zudem attestierte er dem Bündnis vor allem in seinen Führungsstrukturen "Züge des Neo-Stalinismus". Doch nicht alle waren mit einem solchen Verbot einverstanden, so etwa der ehemalige Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen, Thomas Arnold. Ein Kooperationsverbot sei eine "harte Keule". Zwar stimme er wie Overbeck nicht mit den Inhalten des Bündnisses überein und sei wie der Bischof der Meinung, dass das BSW ein autoritäres Staatsmodell verfolge. Die Kirche müsse dagegen aufpassen, nicht überall Brandmauern zu errichten und Unvereinbarkeiten zu definieren, so der Theologe, der auch Berater der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und inzwischen im Leitungsstab des sächsischen Innenministeriums tätig ist. Seitens der Evangelischen Kirche (EKD) gibt es noch keine klare Linie und Positionierung. Die harte Migrationspolitik und die Haltung zu Russland sprechen aber bereits eine deutliche Sprache. 

Von Mario Trifunovic