Frautragen bis Hausgebet: Vergessene Adventsbräuche für heute entdeckt
Frautragen
Das Frautragen, das mancherorts auch "Frauentragen" genannt wird, ist ein Brauch, der in sehr enger Weise mit der Muttergottes verknüpft ist. Von Maria, die häufig als "Unsere Liebe Frau" bezeichnet wird, hat diese Tradition auch ihren Namen erhalten. Der Brauch ist denkbar einfach: Eine Marienfigur wird während der Adventszeit von Haus zu Haus getragen, in jedem Haushalt wird der Madonna jeweils einen Tag Herberge gewährt. Die Familie, in der die Gottesmutter gerade zu Gast ist, widmet sich in besonderer Weise dem Gebet: Man betrachtet die Geheimnisse des freudenreichen Rosenkranzes oder singt gemeinsam eine Auswahl der zahlreichen Marien- oder Adventslieder.
Der Brauch des Frautragen erinnert an die Herbergssuche von Maria und Josef: Maria ist gewissermaßen den ganzen Advent lang unterwegs durch die Häuser einer Gemeinde und ersucht, aufgenommen zu werden. Das Ende dieser Reise markiert dann der 24. Dezember, der Tag, an dem die Marienfigur die Kirche erreicht und dort an einem besonderen Platz verehrt wird.
In einem Dorf oder einer Gemeinde lässt sich dieser Brauch leicht durchführen: Eigentlich benötigt man dafür nur eine Muttergottes-Statue oder eine Marienikone. Diese wird dann in einem bestimmten Zeitraum (zum Beispiel der letzten Adventswoche) in bestimmte Familien gebracht. Dort kann man sich am Abend zu einer kleinen Andacht versammeln und anschließend noch zusammen verweilen. Damit wird nicht nur die Gottesmutter geehrt, sondern man kann sich auch zusammen auf Weihnachten einstimmen und miteinander dem großen Fest entgegengehen.
Anklöpfeln
Das Anklöpfeln ist von seinem Ursprung her eigentlich kein christlicher Brauch. Seine Entstehungsgeschichte hängt eng mit dem Aberglauben zusammen, der besonders in den Nächten um den Heiligabend herum sehr stark verbreitet ist. Es heißt, im Mittelalter hätten die Menschen in diesen Nächten an die Wände geklopft, um die Stimmen von Verstorbenen zu vernehmen. Später entwickelte sich das Anklöpfeln zu einem typischen Heischebrauch, bei dem Kinder von Haus zu Haus zogen, an die Türen der Häuser klopften und bei den Bewohnern um eine milde Gabe bettelten. Dieser Brauch hatte keinen christlichen Hintergrund, sondern war ein reines Vergnügen für die Kinder. Teilweise wurde das Anklöpfeln dann auch von kirchlicher Seite verboten, weil es als anstößig empfunden wurde. Erst in der Gegenreformation verband man das Anklöpfeln mit einem explizit christlichen Gedankengut, um sich des Vorwurfs zu verwehren, es handle sich um einen rein profanen Heischebrauch, der alleine darauf aus ist, sich am Besitz des Anderen zu bereichern.
Dieses Tradition weist hohe regionale Unterschiede auf: So variieren nicht nur die Termine, zu denen angeklöpfelt wird (die sogenannten "Klöpfelnächte"), auch der Ablauf des Brauches selbst ist sehr verschieden. In manchen Gegenden ist das Anklöpfeln mit einem Segenswunsch für das neue Jahr verbunden, wobei das Heischen nach wie vor einen hohen Stellenwert einnimmt – dies geht bis zur Einkehr in den Häusern. Andernorts wurde das Anklöpfeln christlich inszeniert: Ein Mädchen und ein Junge werden als Maria und Josef verkleidet und stellen gewissermaßen die Herbergssuche nach; sie ziehen von Haus zu Haus und klöpfeln an, da sie auf der Suche nach einer Unterkunft sind. In manchen Gegenden Tirols beispielsweise ist das Anklöpfeln sehr eng mit einer geistlichen Botschaft verbunden: Hier geht es nicht nur um das Heischen, sondern vor allem darum, den Menschen in ihren Häusern die frohe Botschaft von der Menschwerdung Gottes an Weihnachten zu bringen.
Hausgebet
Der Advent ist für viele Menschen mit den zahlreichen Weihnachtsvorbereitungen oder mit Weihnachtsfeiern und Weihnachtsmarktbesuchen verknüpft. Doch zuallererst ist der Advent eine geistliche Zeit, die Zeit, in der sich Christen auf der ganzen Welt auf das Kommen Gottes in unsere Welt einstimmen. Der Advent ist die Zeit des Gebetes, des Bibellesens, des Singens. Diese Elemente zeichnen den Advent in besonderer Weise aus.
Da gerade das gemeinsame Beten in der Familie in diesen Wochen zu kurz kommt, laden viele Bistümer am Beginn der Adventszeit zum (ökumenischen) Hausgebet ein. Oft gibt es dafür ein eigenes kleines Gebetsheftchen, das im Vorfeld an die Familien verteilt wird. Diese kleine Gebetszeit besteht häufig aus dem Hören eines adventlichen Bibeltextes, dem gemeinsamen Gebet, einem kurzen Impuls sowie einigen bekannten Adventsliedern. Dieses Gebet ist nicht nur für die eigene Familie bestimmt; es ist eine schöne Geste, wenn man zum Hausgebet auch Freunde und Nachbarn einlädt. Dann kann man nach dem Gebet noch gemeinsam verweilen, sich im Miteinander und bei guten Gesprächen auf die besondere Zeit einstimmen, die nun angebrochen ist.
Strohhalmlegen
Früher, als es noch keine kommerziellen Adventskalender gab, haben sich die Menschen ihren Adventskalender auf eine sehr einfache Weise selbst gebastelt: Mit dem ersten Advent stellte man in der Wohnung die Krippe auf, in die am Heiligabend das Jesuskind gelegt wurde. Neben die leere Krippe stellte man ein Bündel Stroh. Jeden Tag durften sich die Kinder des Hauses einen Strohhalm nehmen und in die Krippe legen. Am Heiligen Abend dann war die Krippe gut mit Stroh gepolstert, sodass das Jesuskind nicht auf dem harten Holz liegen musste, sondern ein weiches Bett aus Stroh hatte.
In den Zeiten, in denen die Adventskalender oft sehr skurrile Inhalte aufweisen, kann dieser Brauch den Adventskalender wieder enger mit dem eigentlichen Weihnachtsgeschehen verknüpfen. Die meisten Adventskalender sind reine Zeitmesser, die dabei helfen wollen, anzuzeigen, wie viele Tage noch bis zum 24. Dezember sind. Das Strohhalmlegen weist schon am ersten Advent auf das Ziel hin: Es geht im Advent nicht um das Abarbeiten einer bestimmten Zeitspanne, sondern um die Vorbereitung auf die Geburt Jesu. Jeden Tag einen Strohhalm in die Krippe zu legen kann so bedeuten, den Weg durch den Advent mit der Krippe zu gehen und nicht nur auf sie zu.
Ausräuchern
Auch das Ausräuchern ist von seinem Ursprung her betrachtet kein christlicher Brauch. Es stand in früheren Zeiten (und in manchen Gegenden bis heute) sehr eng mit den sogenannten "Raunächten" in Verbindung. Meistens werden damit die Nächte rund um die Wintersonnwende bezeichnet, also die längsten Nächte des ganzen Jahres. In diesen Nächten, so glaubte man, war das Böse besonders aktiv. Unter anderem mit Weihrauch, Weihwasser und Gebeten wollte man die bösen Geister vor dem eigenen Haus fernhalten und unter den Schutz des lebendigen Gottes stellen.
Heute haben die Raunächte oft ihren Schrecken verloren, aber den Brauch des Ausräucherns kann man trotzdem noch vollziehen. In eine Glutpfanne kann etwas Glut aus dem Ofen oder eine Weihrauchkohle gegeben werden, darauf streut man etwas Weihrauch. Zusammen mit der Familie oder alleine kann man durch das Haus gehen und den Duft des Weihrauchs in den Zimmern verströmen lassen. Allerdings sollte man zuvor abklären, ob das Ausräuchern aufgrund von Brandmeldeanlagen oder Rauchmeldern möglich ist!
Der Gang mit Weihrauch kann einerseits als Segensritus verstanden werden: Indem Weihrauch entzündet wird, stellt man das eigene Haus und das eigene Leben unter den Schutz des dreifaltigen Gottes. Oder anders verstanden: Der Geruch des Weihrauchs bringt einen neuen Duft in das Haus. Dort, wo es nach Streit und Wortgefechten, nach meiner Reiberei und mancher Mühe mieft, dort verbreitet sich ein neuer Duft – der Duft des menschgewordenen Gottes, der in die Welt gekommen ist. So, wie mit dem Advent eine neue Zeit angebrochen ist, kann durch das Ausräuchern auch ein neuer Wohlgeruch in das Leben Einzug halten.