So feiern Katholiken und Protestanten Weihnachtsgottesdienste
Das Weihnachtsfest feiern Christen bereits seit dem vierten Jahrhundert. Als zweitwichtigstes Fest im Kirchenjahr wurden selbstverständlich auch Gottesdienste gefeiert – ab dem fünften Jahrhundert weiß man von einer Festmesse, die als normaler Taggottesdienst (lateinisch "in die") gefeiert wurde. Wohl aus Jerusalem kommt dann zusätzlich der Brauch einer nächtlichen Messe ("in nocte") nach Europa. Zuletzt bürgert sich noch eine Messe im Morgengrauen ("mane in aurora") ein, im Volksmund "Hirtenmesse" genannt, da sie an die Anbetung der Hirten erinnern soll. Diesen Dreiklang kennt schon Papst Gregor der Große im sechsten Jahrhundert. Im Ursprung sind diese drei Messen mit drei römischen Kirchen verbunden: St. Peter, Santa Maria Maggiore und Sant'Anastasia al Palatino.
Heute kennen die beiden großen Kirchen mehrere Gottesdienste zum Weihnachtsfest – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Katholisch
Die erste Messe ist eine normale Vorabendmesse am 24. Dezember vor dem Heiligen Abend. In den Texten drückt sich dort noch die Erwartung der Geburt Christi aus. Die bekannteste Messe ist dann die Christmette, die in der Heiligen Nacht um Mitternacht gefeiert wird. Wobei der Ausdruck "Mette" eigentlich nicht die Messe an sich bezeichnet. "Mette" steht eigentlich für "Matutin", also das Stundengebet für die Nacht. Am späten Abend wird das Matutin gebetet, bis genau um Mitternacht die Messe beginnt. Dieser Zeitpunkt ist für die kosmische Dimension wichtig: Genau an der Grenze zum Weihnachtstag beginnt die Messe. Dazu passen die Messtexte, die neben dem Evangelium von der Geburt Christi im Hochgebet die Symbolik des die Nacht durchbrechenden Lichtes aufnehmen: "Herr, unser Gott, in dieser hochheiligen Nacht ist uns das wahre Licht aufgestrahlt."
In der Morgenmesse steht dann die Anbetung der Hirten im Zentrum des Evangeliums, während sich die Messe am Tag einem eher abstrakten Text widmet: Der Fleischwerdung des Wortes, wie es der Beginn des Johannesevangeliums beschreibt. Es wird in jeder Messe das ganze Weihnachtsfest gefeiert, nur die Schwerpunktsetzung unterscheidet sich.
Mit dem Weihnachtsfest beginnt laut katholischer Zählung die "Weihnachtsoktav", die dem Weihnachtsfest durch die Begleitfeste und die Gedenktage der Begleiter Christi ("Comites Christi") jeweils noch einen Aspekt beigeben: Der heilige Stephanus als erster Märtyrer am 26. Dezember, der Apostel und Evangelist Johannes am 27. – hier ist eine Ostererzählung als Evangeliumstext vorgesehen – und am Tag darauf das Fest der unschuldigen Kinder. Am Sonntag in der Oktav wird das Fest der Heiligen Familie gefeiert. Die Oktav wird beschlossen vom ersten Januar, an dem bis 1969 die Beschneidung des Herrn gefeiert wurde – seitdem gehört der Neujahrstag dem Hochfest der Gottesmutter Maria. Dadurch werden die liturgischen Weihnachtsfeierlichkeiten mit einer Würdigung Mariens abgeschlossen.
Evangelisch
Auch im Protestantismus gibt es zu Weihnachten einen abendlichen (hier "Christvesper" genannt) und einen nächtlichen (die "Christnacht") Gottesdienst. Anders als bei den Katholiken sind beide Feiern aber in Form und Lesungstexten nicht genau vorgegeben, sondern ihre Gottesdiensttexte sind austauschbar. Das Presbyterium jeder Gemeinde darf entscheiden, was wann gefeiert wird. Lange Zeit wurde auf Druck staatlicher Stellen die Christnacht verschoben, um "nächtlichen Unfug" zu verhindern – das führte noch bis ins 18. Jahrhundert zu Konflikten. So wurde sie entweder am nächsten Morgen gefeiert oder fiel zugunsten der Vesper ganz aus. Heute wird die Christnacht aber in evangelischen Gemeinden immer häufiger gefeiert.
Ebenso ist jeder Gemeinde überlassen, ob und wenn ja wann das Abendmahl gefeiert wird. In Gegenden wie dem Rheinland, das liturgisch eher reformiert geprägt ist, wird das Abendmahl seltener gefeiert, in vielen Christvespern ist es unüblich und wird eher in der Christnacht gefeiert. Es gibt aber auch Gemeinden, die zur Christnacht eine evangelische Messe in lateinischer Sprache feiern. Es herrscht also eine große Vielfalt.
Aus der Zeit der Reformation gehen auch die heute noch in Deutschland als Feiertage festgelegten Weihnachtstage hervor: Demnach sollte in früherer Zeit auch am 26. Dezember noch über Christi Geburt gepredigt werden. Anfänglich waren sogar drei Weihnachtstage angedacht.
Die Idee der Weihnachtsoktav übernahmen die Lutheraner von den Katholiken, wobei auch hier die Gottesdiensttexte jeweils austauschbar sind. Die Heiligenfeste gibt es dort immer noch, sie sind in der Stundenliturgie festgehalten – die wird allerdings kaum noch gefeiert. So wurden die Gedenktage vielfach von weihnachtlichen Festgottesdiensten verdrängt. Die Reformierten lehnten früher das Weihnachtsfest überwiegend ab. Mit der Zeit übernahmen sie dann viele Traditionen der Lutheraner.
Besondere Tradition
Bei Katholiken wie Protestanten spielt die spezifisch deutsche Form des Weihnachten-Feierns eine besondere Rolle. Obwohl eigentlich erst am 25. Dezember Weihnachten ist, konzentrieren sich die Feiern in den Familien hierzulande auf den 24. Dezember. Dementsprechend rückt in zahlreichen katholischen Gemeinden die eigentlich für Mitternacht angesetzte Messe in die Abendstunden. Ein ähnliches Phänomen macht die Prominenz der evangelischen Christvespern aus. Die beiden Kirchen haben sich also der örtlichen Feierkultur angepasst. Die strahlt manchmal sogar aus: In Italien, wo die Christmette nie vor 24 Uhr gefeiert wird, macht der Petersdom mit einer abendlichen Messe am 24. Dezember eine Ausnahme – seit dort mit Benedikt XVI. ein Deutscher auf dem Papstthron saß.
So manche Traditionen haben sich hierzulande zwischen den Konfessionen angeglichen: Deutschsprachige Weihnachtslieder sind eigentlich eine protestantische Tradition, da im Katholizismus lange der gregorianische Choral gesungen wurde. Heute ist der deutsche Sprachraum für seinen großen Schatz an Advents- und Weihnachtsliedern aus beiden Konfessionen weltweit bekannt.