Wie einsame Menschen das Weihnachtsfest erleben

Weihnachten allein zu Haus?

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:55 Uhr – Von Janina Mogendorf – Lesedauer: 
Weihnachten

Bonn ‐ Weihnachten ist das Fest der Familie. Das suggeriert nicht nur die Werbung. Da wundert es nicht, dass das Feiertagsideal der harmonischen Krippen-Szenerie entspricht. Doch was machen diejenigen, bei denen es nicht so ist?

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Das Bild von Vater, Mutter, Kindern unterm Weihnachtsbaum bricht sich allerdings an der Realität der elfeinhalb Millionen Menschen, die Weihnachten anders feiern. Einige, weil sie wollen, die meisten, weil sie müssen. Gibt man bei Google „Allein an Weihnachten“ ein, erscheinen mehr als 9,5 Millionen Treffer. Wie und mit wem man die Feiertage verbringt, ist also ein Thema, das die Menschen bewegt.

Ein Hochfest als Tiefpunkt

Tatsächlich ist das Hochfest für viele der Tiefpunkt einer Jahreszeit, in der Singlebörsen den höchsten Zulauf haben. 'Wintimacy' ist der neue Begriff für die Angst vor der Einsamkeit in den dunklen Wintermonaten. "Wer jetzt allein ist wird es lange bleiben", heißt es schon lyrisch, aber recht pessimistisch im Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke.

Userin Lea macht ihren Gefühlen in einem Internet-Forum Luft: "Ich bin Mitte dreißig und fühle mich manchmal so einsam, dass es weh tut. Und wenn dann noch 'Weihnachten allein' vor der Tür steht, ist das innere Chaos natürlich perfekt." Dafür würde sie gerne den Stress und Zoff mit Menschen, die sie liebe, in Kauf nehmen, schreibt sie.

Mann mit großem Regenbogenschirm geht durch einen verschneiten Wald.
Bild: ©Stefan Körber/Fotolia.com

Mit leuchtenden Farben gegen den Winterblues.

Andere meiden gerade deshalb das Familientreffen. "Bei uns gibt es jedes Jahr schlimme Diskussionen, die bis zum Streit ausarten", schreibt 'SybeX' und würde die Treffen am liebsten ganz absagen. Und 'Zipfel' fühlt sich gerade im harmonischen Familienkreis einsam, weil sie die einzige Alleinstehende unter den erwachsenen Kindern ist: "Das halte ich nur drei Stunden aus."

Auch die Christmette ist für sie keine Anlaufstelle: "Ich bin gläubig, doch ich habe Angst, in Tränen auszubrechen. Und ich vermeide alles, damit das nicht passiert", schreibt sie und macht damit nachdenklich. Denn gerade die Kirche sollte doch an diesen Tagen einladend sein und Mut machen.

Weihnachtsmesse für Singles anbieten

"Die Botschaft lautet, Gott wird Mensch, um in die Lebensnächte der Menschen zu kommen und sie erfahren zu lassen, dass sie geliebt und von Gott nicht allein gelassen sind", wie es in der Zeitschrift 'Adventszeit 2013' des Erzbistums Köln heißt. "Vielleicht wäre schon ein Anfang gemacht, wenn in der Weihnachtsmesse auch mal bewusst die Situation der Singles und anderer einsamer Menschen in den Blick genommen wird", sinniert der Autor weiter.

Während es vereinzelte Single-Gottesdienste über das Jahr verteilt gibt, wäre eine Christmette für Einsame ein Novum. Ganz anders sieht es mit Weihnachtsfeiern am Heiligen Abend aus. Wurden diese vor einigen Jahren vor allem von Obdachlosen oder Menschen vom sozialen Rand der Gesellschaft besucht, treffen sich hier nun alle Altersgruppen und Schichten.

"Die Veranstaltung ist gut besucht und die Gäste bunt gemischt", berichtet Martina Best-Liesenfeld, Direktorin des Caritasverbandes in Koblenz, der zusammen mit katholischen und evangelischen Pfarreien einlädt. Darunter seien ältere Menschen mit kleiner Rente oder Männer und Frauen mit familiären Problemen. "Einmal habe ich dort eine junge Frau getroffen, die als Au-Pair arbeitete und nicht mit ihrer Gastfamilie feiern konnte", erinnert sich Best-Liesenfeld. Manche kämen jedes Jahr wieder und hielten sich gegenseitig ihre Lieblingsplätze frei.

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Video: © repor-tal video mmxiii

Kein Mensch sollte am Heiligen Abend allein sein - unter diesem Motto wird bereits seit 1948 in der Historischen Stadthalle in Wuppertal eine Feier für Alleinstehende und Einsame organisiert.

Zu einer riesen Veranstaltung hat sich "Weihnachten für Einsame" in Wuppertal entwickelt, zu der Diakonie, Caritas und der Christliche Verband Junger Menschen dieses Jahr zum 65sten Mal einladen. 700 Gäste kommen am Heiligen Abend in die festlich geschmückte Stadthalle. "Da sitzen dann Obdachlose neben gut betuchten älteren Damen an der langen Tafel und feiern gemeinsam", beschreibt Organisatorin Veronika Wimmer die besondere Atmosphäre.

Nichts dem Zufall überlassen

Wer sich für solche Feiern nicht erwärmen kann, findet unter den 9,5 Millionen Google-Treffern viele Anregungen: etwa aufräumen, entspannen, sich selbst bekochen und beschenken. Vielleicht sogar mit einer Überraschungsbox, die man im Internet bestellen kann. Wer unter Leute will, kann zwischen Weihnachtskonzert und -party, Weihnachtsdinner und -theater wählen oder sich einer der unzähligen Singlereisegruppen anschließen und in die Sonne fliegen.

Bei alledem ist der einhellige Rat: Nichts dem Zufall überlassen, sondern Planen. Denn Weihnachten ignorieren und den 24. Dezember wie einen ganz gewöhnlichen Tag behandeln, könnte schwierig werden. Die Familientherapeutin Ariane Grünberger aus Hannover sagt auf Senioren-Ratgeber.de: "Weihnachten ist ein Massenphänomen dessen Sog man kaum entkommt." Sie rät, sich Gedanken über die eigenen Bedürfnisse an Weihnachten zu machen und diese zu verwirklichen.

Es gibt auch Menschen, die sich bewusst fürs Alleinsein an Weihnachten entscheiden. Wie Gunhild Lotze, eine Pastorenwitwe mit vier erwachsenen Kindern. "Bei diesem Wetter will ich nicht, dass meine Kinder auf der Autobahn sind. Und ich will auch nicht auf der Autobahn sein", erklärt sie im Interview mit WAZ.de. Und: Sie möchte sich auf das Wesentliche konzentrieren. Für sie ist das ein geschmücktes Wohnzimmer mit Weihnachtsbaum, Wintertee und die Christvesper: "Es gibt keinen großen Druck mehr, ich kann, aber ich muss nicht."

Von Janina Mogendorf