"Die Tür ist zu, aber nicht verschlossen"
Frage: Frau Eckholt, Papst Franziskus hat gesagt, dass es in naher Zukunft keine weiblichen Diakoninnen geben wird. Ist es nicht Zeitverschwendung, sich damit weiter zu beschäftigen?
Eckholt: Nein, ganz und gar nicht. Die Tradition der Kirche entwickelt sich ständig weiter. Ich bin zuversichtlich, dass sich im Gespräch von theologischer Wissenschaft, kirchlicher Praxis und dem Lehramt neue Perspektiven ergeben können. Ist der gemeinsame Wille da, wäre das durchaus möglich. Schließlich prägen Frauen und Männer gemeinsam das diakonische Gesicht der Kirche.
Frage: Aber das Anliegen ist schon vor Jahren in Rom eingebracht worden und bis heute hat sich da wenig getan…
Eckholt: Das ist wahr. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es eine starke Dynamik der Hoffnung und man war sehr bemüht, die Konzilsimpulse aufzugreifen und neue Wege zu gehen. Am Abschluss der Würzburger Synode 1975 wurde ein Votum der deutschen Kirche nach Rom geschickt, Frauen in den sakramentalen Diakonat hineinzunehmen. Bislang ist die Antwort ausgeblieben. Dennoch sind wir heute 42 Jahre später weiter als damals. Frauen haben sich für verschiedenste Aufgaben in der Kirche qualifiziert, sie sind in diakonischen Aufgabenfeldern in Leitungsfunktionen tätig. Papst Franziskus hat eine Kommission einberufen, die den biblischen und historischen Grundlagen des kirchlichen Amtes einer Diakonin nachgeht. Aber das ist nur ein Aspekt. Die Debatte um die gegenwärtige Gestalt des sakramentalen Diakonats für Frauen ist noch nicht zu Ende.
Frage: Aber Papst Franziskus hat erst vor kurzem gesagt, diese Tür ist zu.
Eckholt: Ja, aber ich verstehe das so: Die Tür zum Weiheamt für Frauen ist zwar geschlossen, aber nicht verschlossen. Es gibt Schlüssel, diese Tür zu öffnen. Es gilt immer wieder neu, die Spuren der Gegenwart Gottes in unserer Zeit zu entdecken. Gott ist Mensch geworden und hat sich in Jesus von Nazareth in seiner Barmherzigkeit geoffenbart. Gegenwärtig wird er, wenn wir ganz Mensch werden, vor allem in der Begegnung mit denen, die Not leiden, die ausgegrenzt werden und denen das Leben genommen wird. Genau das feiern wir an Weihnachten: die Menschwerdung Gottes.
Frage: Aber genau das ist doch auch eines der Hauptargumente gegen die Weihe von Frauen, Gott ist ein Mann geworden und keine Frau...
Eckholt: Gott hat sich nicht im Mann geoffenbart. Diese Aussage ist ein biologistischer Fehlschluss. Gott ist Mensch geworden, der Logos hat "Fleisch" angenommen und damit alles Menschliche, männliche und weibliche Eigenschaften. Das bedeutet Inkarnation. Vom christlichen Glaubensbekenntnis und von der theologischen Entfaltung des Weihnachtsgeheimnisses her ist damit eine Menschwerdung im allumfassenden Sinne gemeint. In den biblischen Zeugnissen eines Paulus und in den Texten der großen Theologen der Patristik wie zum Beispiel bei Johannes Chrysostomos ist das so beschrieben worden. Wir brauchen keine Geschlechterpolaritäten und -prioritäten, sondern wir brauchen eine gegenseitige Wertschätzung von Frauen und Männern in der Kirche.
Frage: Haben Sie vielleicht ein Vergleichsmodell aus anderen Ländern?
Eckholt: Ja, ich bin viel in lateinamerikanischen Ländern unterwegs und erlebe da wegweisende pastorale Modelle. In Südmexiko zum Beispiel gibt es Ständige Diakone, deren Ehefrauen bedeutende Aufgaben in den Gemeinden an der Seite ihrer Männer übernehmen. Und das sind durchaus Leitungsfunktionen. Diese Frauen sind Vorbilder für andere Frauen in der Gemeinde. Sie spenden zwar keine Sakramente, aber sie koordinieren soziale Projekte, leisten Bildungsarbeit oder übernehmen katechetische Aufgaben. So haben gerade Frauen nach den schweren Erdbeben in Mexiko die Hilfeleistungen für Notleidende organisiert. Zwar führen diese Frauen nicht den Titel der Diakonin, sie stellen selbst auch keine theoretischen Reflexionen auf ihren Dienst an, aber von der Gemeinde werden sie de facto als solche Diakonin anerkannt. Für mich sind dies hoffnungsvolle Zeichen, dass es in der Praxis bereits viel mehr an kreativen Formen im Blick auf neue kirchliche Ämter gibt. Dass die Frauen diese Aufgaben ehrenamtlich leisten, ist eine andere Frage.
Frau: Sollte dies ein Aufruf an charismatisch begabte Frauen sein, mehr zu handeln, statt nur zu jammern?
Eckholt: Ja, das könnte man durchaus so sehen. Ich finde, beides gehört zusammen: Die gute Praxis im Hinblick auf unterschiedliche neue Ämter und deren theologische Grundlegung. Ohne die Frauen ist für die Kirche der Weg in die Zukunft nicht möglich. Daher lohnt der Blick in die Weltkirche, um von neuen Praktiken ermutigt zu werden.
Frage: Können Sie verstehen, dass manchen Frauen trotzdem die Geduld fehlt, so dass sie konvertieren, um evangelische Pfarrerin zu werden?
Eckholt: Ja, wenn Frauen weggehen, ist das traurig und erschütternd, denn ihr Fehlen legt offen, wo etwas bei uns nicht stimmt. Aber es ist das Recht jedes einzelnen Christen, eine solche persönliche Entscheidung zu treffen und sich eine neue Heimat im Glauben zu suchen. Dieses Fortgehen betrifft aber nicht nur Frauen, das betrifft auch Homosexuelle oder Priester, die sich gegen den Zölibat entscheiden. Sie fühlen sich aufgrund ihrer Biografie von der Kirche ausgeschlossen und suchen sich einen Ort, wo sie ihre Berufung leben können und ohne Kompromisse anerkannt werden. Wem Wertschätzung und Anerkennung fehlen, der geht.
Frage: Werden Frauen von kirchlichen Amtsträgern zu wenig wertgeschätzt?
Eckholt: Das stimmt so heute nicht mehr. Ich finde, wir sind in vielen Bistümern in Deutschland auf einem guten Weg. Es gibt viel mehr Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen als je zuvor. Und diese Entwicklung wird weiter gehen, denn viele junge Frauen erwerben theologische, kirchenrechtliche, sozialpädagogische Kompetenzen. Die Präsenz von Frauen in hervorgehobenen Aufgaben bedeutet ein Sichtbarwerden der Fähigkeiten und Charismen von Frauen. Da wachsen ein neues Miteinander in der Kirche und die Hoffnung, dass weitere Türen geöffnet werden können. Aber mir ist durchaus bewusst, dass diese Anerkennung Grenzen hat.
Frage: Was meinen Sie damit?
Eckholt: Ich denke zum Beispiel an Pastoralreferentinnen, die theologische und geistliche Kompetenzen haben und in der Gemeinde eine hohe Wertschätzung erfahren. Sie sind für Menschen in der Gemeinde wichtige geistliche Begleiterinnen. Und dann kommt der Punkt, an dem es nicht mehr weiter geht. Die Menschen öffnen sich ihnen gegenüber, aber sie dürfen ihnen das Sakrament der Buße nicht spenden, weil diese Aufgabe an die Weihe gebunden ist. Das schmerzt und kratzt gleichzeitig an der kirchlichen Ämterstruktur. Müssten wir solchen Frauen nicht die Möglichkeit geben, andere Menschen von Sünden lossprechen zu können oder ihnen die Krankensalbung zu spenden? Was steht denn wirklich dem entgegen, dass das sakramentale Amt für Frauen geöffnet wird? Warum kann es nicht möglich sein, dass eine Frau zur Diakonin geweiht wird? Es kann hier nicht nur um ein Diakonat als Beauftragung von Frauen zu einer "besseren" Sozialarbeiterin gehen, sondern um ihre sakramentale Weihe mit Gebet und Handauflegung. Es gibt viele Frauen, die die entsprechenden geistlichen und praktischen Qualifikationen und Kompetenzen dazu mitbringen, egal ob sie verheiratet oder alleinstehend sind. Diesen Schatz müsste die Kirche entsprechend würdigen und einsetzen.
Frage: Glauben Sie wirklich daran, dass dies eines Tages möglich sein wird?
Eckholt: Ja, als Theologin und gläubige Christin habe ich die begründete Hoffnung, dass es eines Tages Diakoninnen und Frauen in anderen sakramentalen Ämtern geben wird. Ob ich die Weihe von Frauen persönlich erleben werde, weiß ich nicht, aber wir müssen heute den Weg für die Kirche von morgen bereiten. Uns Frauen geht es dabei nicht um Macht und Einfluss in der Kirche. Wenn wir uns für die Weihe von Frauen einsetzen, dann geht es um den gemeinsamen Dienst am Evangelium Jesu Christi und um die Botschaft der Liebe und der Barmherzigkeit für alle Menschen, für Männer und Frauen. Ich glaube fest daran, dass Gottes Türen offen stehen, nur wir Menschen sind es, die sie verschließen.