Neue Kolping-Vorsitzende über Frauen in kirchlichen Führungspositionen

"Auch Bischöfe und Priester suchen den Rat von Frauen"

Veröffentlicht am 11.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Zum ersten Mal in seiner Geschichte steht eine Frau an der Spitze des Kolpingwerks. Die CDU-Politikern Ursula Groden-Kranich hat sich für die kommenden Jahre einiges vorgenommen. Im Interview erklärt sie, wie sie sich als Frau in der Kirche durchsetzen will.

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Die Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich ist neue Vorsitzende des Kolpingwerks. Im Interview mit katholisch.de spricht sie über die Zukunft der Kolpingfamilien und eine mögliche Öffnung des Verbands hin zu Nicht-Christen. Außerdem berichtet sie über den Kampf der Frauen, sich in der katholischen Kirche durchzusetzen.

Frage: Frau Groden-Kranich, wir haben nun schon seit 2005 eine Bundeskanzlerin, jetzt hat sich auch des Kolpingwerk getraut, eine Frau an seine Spitze zu wählen. Warum hat das so lange gedauert?

Ursula Groden-Kranich: In den einzelnen Kolpingfamilien gibt es schon länger Frauen in Führungspositionen, sogar bei der geistlichen Leitung. Insofern ist Kolping in Bezug auf die beiden Geschlechter auch jetzt schon partnerschaftlich unterwegs. Und mit Verlaub: In den vergangenen Jahren war das  Kolpingwerk auch mit dem Mann Thomas Dörflinger an der Spitze sehr gut aufgestellt. Trotzdem freue ich mich natürlich, dass ich jetzt die erste weibliche Vorsitzende sein darf – das ist doch ein Erfolg. Ich finde es schön, dass es zunehmend auch Frauen in kirchlichen Spitzenämtern gibt. Und dieses Gefühl teilen auch viele Frauen, die mir nach meiner Wahl gratuliert haben. Am Ende möchte ich aber an meinen Taten gemessen werden und nicht an meinem Geschlecht.

Bild: ©dpa/Wolfgang Kumm

Ursula Groden-Kranich ist CDU-Bundestagsabgeordnete und seit November 2018 Vorsitzende des Kolpingwerks.

Frage: Was sind Ihre Erfahrungen als Frau, die in der Kirche ein Spitzenamt anstrebt?

Groden-Kranich: Ich erlebe die Auseinandersetzung mit katholischen Priestern als dem Führungspersonal der katholischen Kirche sehr unterschiedlich. Bei Kolping gibt es eine starke Unterstützung, ich habe den Eindruck, man freut sich auf das Miteinander. Und es gibt auch in der Amtskirche durchaus Verantwortliche – ob das Bischöfe sind oder Priester -  , die Rat von Frauen suchen. Aber klar, manchmal müssen Frauen auch kämpfen. Aber wenn man um etwas kämpfen muss, dann gewinnt es auch an Reiz. Frauen sollten zudem selbstbewusst sein: Sie sollten sich nicht fragen, ob sie etwas können, obwohl sie eine Frau sind, sondern sehen, dass sie vieles können, gerade weil sie eine Frau sind. Das gilt zum Beispiel bei familienpolitischen Fragen – da ist immer die männliche und die weibliche Sicht zu beachten. Das gilt auch für das Familienbild in der Kirche. 

Frage: Bei den kirchlichen Verbänden fällt eine Verortung oft nicht schwer: KAB sprechen für Arbeitnehmer, der BDKJ repräsentiert die Jugend. Was aber ist das Alleinstellungsmerkmal des Kolpingwerks?

Groden-Kranich: Am Kolpingwerk gefällt mir besonders gut, dass es sich nicht nur auf einen Teil der Gesellschaft bezieht, sondern auf mehrere. Es hat sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber im Blick. Wir haben auch viele Handwerksbetriebsleiter oder –meister in unseren Reihen und sehen, dass zum Erfolg eines Unternehmens ein Geben und Nehmen beider Seiten gehört. Das finde ich total wichtig. Und die Kolpingfamilien in den einzelnen Gemeinden sind offen für alle Christen, die in der Kirche etwas bewegen wollen.

Frage: In Deutschland gibt es mehrere Tausend Kolpingfamilien. Wie kommen die denn damit zurecht, wenn Pfarreien umstrukturiert und zusammengelegt werden?

Groden-Kranich: Viele Kolpingfamilien sind schon heute pfarreiübergreifend tätig. Das gehört ja auch zum Selbstverständnis von Familien. Sie sind nicht immer nur an einem Ort. Die Kinder gehen aus dem Haus, die Familie ist verstreut und nicht auf einen lokalen Punkt fixiert. So ist das auch bei unseren Kolpingsfamilien in den Pfarreien: Manche sind solitär stark, andere sind im Verbund stark. Das ist eben Vielfalt. Von daher kommen wir mit der Umstrukturierung ganz gut zurecht.

Frage: Was sind die wichtigsten Themen, die Sie als Vorsitzende angehen wollen?

Groden-Kranich: Der Kolping-Verband befindet sich gerade in einem inneren Erneuerungsprozess, der "Upgrade" heißt und mit dem wir uns fit machen wollen für die Zukunft. Für mich selbst sehe ich außerdem zwei Schwerpunktthemen: das Jugendwohnen sowie Generationengerechtigkeit und Rente. Bei der Rentendiskussion müssen wir stärker auf die Menschen hören, die im Berufsleben stehen und dafür sorgen müssen, dass die Alten eine auskömmliche Rente haben. Was das Jugendwohnen angeht: Im Kolping-Verband ist seit jeher Tradition, Wohnheime für Jugendliche anzubieten. Damit sollte den umherreisenden Handwerksgesellen ursprünglich ein Ort geboten werden, an dem sie auch wirklich willkommen sind. Heute kommen in den Häusern ganz unterschiedliche Jugendliche unter – Studenten etwa oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Wir kooperieren auch mit Schulen und Fußballvereinen, die ihren Nachwuchs bei uns unterbringen. Aber bei Kolping geht es nicht nur ums Wohnen, sondern auch um die pädagogische Begleitung. Das ist das Besondere. Ich möchte diese Wohnheime besuchen und schauen, wo da noch Entwicklungspotential ist.

Linktipp: Ursula Groden-Kranich wird neue Vorsitzende des Kolpingwerks

Es ist eine Premiere: Erstmals in seiner fast 170-jährigen Geschichte hat das Kolpingwerk eine Frau an seine Spitze gewählt. Ursula Groden-Kranich wird den Verband mit mehr als 230.000 Mitgliedern künftig führen.

Frage: Im Moment ist Missbrauchsprävention ein großes Thema in der katholischen Kirche. Was macht das Kolpingwerk in dem Bereich?

Groden-Kranich: Ich bin da an einer sehr offenen Diskussion interessiert, allerdings ist es noch zu früh, um genaue Maßnahmen zu nennen. Ich bin ja erst wenige Tage im Amt. Aber das Thema Missbrauch ist mir schon deswegen sehr sehr wichtig, weil ich es aus einem anderen Bereich kenne: Ich bin auch Bischöfliche Beauftragte für das Thema Missbrauch beim Militärbischofsamt.

Frage: Laut einer Umfrage wollen 83 Prozent der Kolping-Mitglieder, dass auch Nicht-Christen aufgenommen werden können. Wofür steht der Verband dann noch?

Groden-Kranich: Auch wenn jemand nicht Christ ist, kann er sich doch für christliche Ziele einsetzen. Wir diskutieren intern gerade tatsächlich, ob wir uns auch für Nicht-Christen öffnen – auch im Rahmen der Frage, wie wir wieder mehr Mitglieder für unseren Verband gewinnen können. Für Protestanten haben wir uns ja schon geöffnet. Was die anderen Religionen angeht, könnte ich mir auch gut vorstellen, dass die einzelnen Kolpingfamilien das selbst entscheiden. Allerdings muss es klare Abgrenzungskriterien geben, wer nicht Mitglied bei uns werden darf. Der Respekt beispielsweise Frauen gegenüber wäre etwas, das man auch Menschen anderer Glaubensrichtungen unbedingt abverlangen muss.

Von Gabriele Höfling