Serie: Unsere Bistümer

Bistum Trier: Die älteste Diözese Deutschlands

Veröffentlicht am 18.01.2020 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Seit 1.700 Jahren gibt es in Trier eine Diözese – sie ist damit die älteste auf deutschem Boden. Über die Jahre war das Bistum immer wieder Veränderungen unterworfen. Heute zeigt es sich als Ort von viel Geschichte, aber auch neuen Ideen.

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Diese Geschichte beginnt früh: Schon um das Jahr 250 gibt es in Trier eine christliche Gemeinde mit einem Bischof. Und das nicht von ungefähr: Augusta Treverorum ist damals die Hauptstadt der römischen Provinz Belgica Prima und sowohl militärisch wie auch wirtschaftlich und kulturell der Mittelpunkt der Region. Zudem residieren hier im vierten Jahrhundert der römische Kaiser Konstantin und seine Söhne. Handelsstraßen verbinden die Stadt nach Süden über die Rhone bis ans Mittelmeer, als Teil Galliens ist sie zudem gut an die westlichen Teile des römischen Reiches angebunden. Über diese Handelswege kommt das Christentum in Gestalt von Händlern und Soldaten nach Trier. Dadurch entsteht zu einem heute nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt das Bistum. Es profitiert in großem Maße vom Erbe der Kaisermutter Helena. Sie soll der Kirche kaiserliche Wohngebäude hinterlassen haben. Durch deren Umbau entstanden später die ersten Basiliken, die Keimzelle des späteren Domes.

Suffraganbistümer sind vermutlich schon seitdem bis zur Französischen Revolution die Diözesen Metz, Toul und Verdun – die heute allesamt in Frankreich liegen. "Trier ist eine Brücke in den Westen", beschreibt es der Kirchenhistoriker Bernhard Schneider. So verbreitet sich die aus dem französischen Raum stammende Einteilung von Diözesen in Dekanate über Trier auch in den germanischen Gebieten. Auch eine der ersten gotischen Kirchen Deutschlands steht in Trier, die Liebfrauenkirche in direkter Nachbarschaft des Doms. Ihre Baumeister kamen wohl direkt von den Werkstätten der Kathedralen Nordfrankreichs an die Mosel. Eine Sprachgrenze zwischen Französisch und Deutsch entsteht erst im Mittelalter.

Der Zusammenbruch des weströmischen Reiches macht Trier sehr zu schaffen: Die staatlichen Behörden werden überflüssig, viele Menschen ziehen weg. Doch die Bischofsfolge reißt nicht ab. "Die Kirche konnte in so mancher Hinsicht das von den Römern hinterlassene Vakuum füllen, etwa im Hinblick auf Bildung und Kultur", sagt Schneider. Zwar kommt die Stadt damit nicht an ihren Status aus römischer Zeit heran, aber immerhin ist der Trierer Erzbischof seit der Goldenen Bulle 1356 neben jenen von Köln und Mainz einer von drei Geistlichen, die den deutschen Kaiser mitwählen. Mit seinen beiden Mitbrüdern am Rhein steht er jedoch auch in großer Konkurrenz um Macht und Einfluss.

Zentrum der Reliquienverehrung

Im Mittelalter entwickelt sich Trier zum geistlichen Kulturzentrum: Spirituelle Leitfiguren wie Hildegard von Bingen oder der Einsiedler Simeon wirken hier; es gibt zahlreiche Kirchen und Klöster, viele Wallfahrten und Reliquienschätze. Einen besonderen Impuls gab etwa Anfang des 12. Jahrhunderts die Auffindung des Grabes des Apostels Matthias. Bereits seit 1196 belegt ist der Heilige Rock, der im Hochaltar des Trierer Domes ruht. Eine besondere Verehrung wird ihm im Gegensatz zu anderen Reliquien nicht zuteil. Das ändert sich 1512: In diesem Jahr trifft sich der Reichstag in Trier – für Stadt und Erzbistum eine Gelegenheit, sich im besten Licht zu präsentieren. Der Kaiser und das Domkapitel sind dafür, den Heiligen Rock zu zeigen. Der Erzbischof trieb das Vorhaben zwar aus heute unklaren Gründen nicht mit voran, doch letztendlich wird das angebliche Gewand Jesu erstmals öffentlich gezeigt. Der Heilige Rock sorgt für Pilgerströme in die Stadt, dadurch auch für einen wirtschaftlichen Aufschwung – politisches und religiöses sind damals nicht getrennt. Mit der Zeigung 1512 beginnt eine Tradition, die sich mit großen Unterbrechungen bis heute fortsetzt. Zuletzt war die Reliquie im Jahr 2012 zu sehen.

Pilger stehen vor dem Heiligen Rock im Trierer Dom.
Bild: ©KNA

Der Heilige Rock steht im Zentrum der Spiritualität im Bistum.

Neben dem Wallfahrtsbetrieb macht Trier in der Frühen Neuzeit auch in anderer Weise von sich reden: Als ein Zentrum der Hexenverfolgung. Zwischen den 1580er und den 1650er Jahren werden im gesamten Fürstentum etwa 1.000 Menschen im Rahmen von Hexenprozessen hingerichtet, zwei Drittel davon Frauen. Allerdings ist mit Friedrich Spee von Langenfeld auch ein bekannter entschiedener Gegner der Hexenverfolgung in Trier zu Hause – er ist bis heute unter der Trierer Jesuitenkirche bestattet.

1.000 verbrannte Hexen

Grund für die vielen Prozesse ist neben der Wirtschaftskrise aufgrund der klimatischen Umbrüche der "kleinen Eiszeit" unter anderem der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld, der eine eigene Hexenschrift aufsetzt. Zudem ist die Zentralverwaltung des Erzbistums nicht besonders stark. Das macht es lokalen Autoritäten einfacher, auf eigene Faust Hexenprozesse zu führen.

Diese Plurizentralität etabliert sich in der Diözese seit dem späten Mittelalter. Um ihre Macht zu stärken, schaffen sich die Kurerzbischöfe ein zweites Machtzentrum: Koblenz. In der Frühen Neuzeit verlegen sie ihren Sitz sogar ganz dorthin, sodass die eigentliche Bistumsstadt Trier an Einfluss verliert. Schon seit dem Spätmittelalter teilt sich die Diözese in einen nördlichen und südlichen Teil, mit jeweils einer anderen Stadt als Bezugspunkt.

Friedrich Spee, deutscher Dichter und Kritiker der Hexenprozesse. Ölbild von Martin Mendgen (1938) im Städtischen Museum Simeonstift Trier.
Bild: ©KNA

Auch ich Kritiker der Hexenprozesse wirkte in Trier: Friedrich Spee.

Einen großen Umbruch für das Erzbistum Trier bedeutet die Französische Revolution und der sich daran anschließende Erste Koalitionskrieg. Das Erzbistum wird französisches Staatsgebiet und die neuen Machthaber organisieren die kirchlichen Strukturen vollkommen neu. Nach 1.500 Jahren endet die Geschichte des Erzbistums Trier. Auch die französischen Suffraganbistümer gehen verloren. Trier bleibt zwar Bistumsstadt, nun aber des wesentlich kleineren und weniger bedeutenden Bistums Trier, der kirchlichen Einheit des französischen Saar-Departements. Dabei bleibt es auch, als die Preußen die Macht übernehmen und 1821 wiederum eine Kirchenreform einführen. Mit der päpstlichen Bulle "De salute animarum" wird das Bistum im Wesentlichen die kirchliche Einheit für die preußischen Regierungsbezirke Koblenz und Trier, die Grenze der Diözese orientieren sich also nun an den preußischen Landesgrenzen. Sitz der Kirchenprovinz wird Köln, Trier dem Rhein-Bistum untergeordnet.

Vorbehalte gegen die protestantischen Preußen

Von diesen politischen Umwälzungen relativ unbeeindruckt zeigt sich das Glaubensleben in der Region. Denn mit Wallfahrten, Feiertagen und Prozessionen gehen die Machthaber alle recht ähnlich um. Im Alltag bleibt also von der Kurfürstenherrschaft über die Französische Revolution bis zur Zugehörigkeit zu Preußen eine große Kontinuität erhalten. Die Region bleibt eine der am stärksten kirchlich geprägten Gegenden des Deutschen Reiches: In Sachen Gottesdienstbesuch und Sakramentsempfang liegen die Trierer jeweils deutlich über dem Durchschnitt. In manchen Gegenden des Bistums lässt sich das bis heute beobachten.

Das sorgt allerdings auch dafür, dass die Gläubigen dem protestantischen Königshaus sehr reserviert begegnen. Schon in den 1830er und 1840er Jahren gibt es Konflikte zwischen Katholiken und der Staatsmacht, was sich auch in antipreußischen Ressentiments während der gescheiterten demokratischen Revolution von 1848 zeigt. Umso härter trifft die Region eine wachsende Spannung zwischen Kirche und Staat, die in den Kulturkampf mündet. Der damalige Bischof Matthias Eberhard wird inhaftiert und durch staatliche Restriktionen sind bald ein Drittel aller Pfarrstellen nicht besetzt. Erst ab 1886/87 beruhigen sich die Beziehungen zwischen Kirche und Staat wieder, neue Pfarreien entstehen.

Das hat auch mit dem Beschluss einer Bistumssynode zu tun, die kurz nach dem ersten Weltkrieg 1920 stattfindet. Sie ist die erste nach einem ähnlichen Treffen zur Reformationszeit, ihr sollten solche Klerusversammlungen in den Jahren 1931 und 1956 folgen. Zwischen 2013 und 2016 tagte eine Synode neuen Formats mit starker Beteiligung von Laien. Die Entscheidungslagen zur Pfarreifrage sind sehr unterschiedlich: Plädieren die Synodenväter 1921 noch entschieden dafür, wegen des Bevölkerungswachstums und zahlreicher verfügbarer Priester die Zahl der Gemeinden zu erhöhen, sollte sie nach der aktuellen Synode reduziert werden – zu "Pfarreien der Zukunft", die mit dem traditionellen Bild der Territorialpfarrei allerdings nicht deckungsgleich sind. Auch, wenn sie nur einen Teil der Synodenbeschlüsse darstellen: Die Strukturreformen haben bereits für laute Proteste und eine Intervention des Vatikan gesorgt – und halten die kleine Diözese im deutschen Südwesten in Atem. Nach über 1.700 Jahren sieht es noch lange nicht so aus, als ob die Geschichte der ältesten Diözese auf deutschem Boden auserzählt wäre.

Von Christoph Paul Hartmann