Serie: Unsere Bistümer

Bistum Magdeburg: Vom Machtzentrum zur "schöpferischen Minderheit"

Veröffentlicht am 02.11.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Magdeburg ‐ Im Mittelalter eines der großen deutschen Erzbistümer, gehört Magdeburg nach einer bewegten Geschichte heute zur Gruppe der kleinen Diasporabistümer. Die geringe Zahl an Katholiken, der Mangel an Priestern und die klammen Kassen stellen die Diözese in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen.

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Wollte man das Bistum Magdeburg anhand von zwei markanten Bauwerken porträtieren, würde man sich wohl zwangsläufig für den Magdeburger Dom und die Kathedrale St. Sebastian entscheiden. Schließlich stehen die beiden Gotteshäuser geradezu symbolisch für Geschichte und Gegenwart der katholischen Kirche in Mitteldeutschland.

Während heute die geduckt in einer Nebenstraße liegende Kathedrale St. Sebastian der bescheidene Mittelpunkt des kleinen Diaspora-Bistums ist, zeugt der machtvoll über dem Elbufer thronende Dom mit seinen beiden rund 100 Meter hohen Türmen von der großen Vergangenheit der katholischen Kirche in der Region. Schließlich war Magdeburg im Mittelalter über mehrere Jahrhunderte hinweg als Erzbistum eines der wichtigsten Zentren der katholischen Kirche in Deutschland.

Erzbistum mit großem Einflussbereich

Ihren Anfang nahm diese Hochphase des Katholischen in Mitteldeutschland im Jahr 967 auf der Synode von Ravenna. Dort erhielt Kaiser Otto der Große nach langen Verhandlungen von Papst Johannes XII. (965-972) die Erlaubnis, in seiner Lieblingsstadt Magdeburg ein Erzbistum zu errichten. Erster Erzbischof von Magdeburg wurde der Weißenburger Abt Adalbert, der am 18. Oktober 968 in Rom das Pallium erhielt und an Weihnachten im Magdeburger Dom inthronisiert wurde.

Das Gebiet des neuen Erzbistums erstreckte sich an Elbe und Saale entlang von Magdeburg im Norden bis nach Halle im Süden und war damit im Vergleich zu anderen Bistümern der damaligen Zeit eher klein. Dank der fünf Suffraganbistümer Brandenburg, Havelberg, Meißen, Merseburg und Zeitz verfügten die Magdeburger Erzbischöfe aber trotzdem über einen großen Einflussbereich, in dem sie fortan vor allem die Slawenmission voranzutreiben versuchten. Bedeutung erlangte hierbei vor allem Erzbischof Norbert von Xanten, der heute der Patron des Bistums Magdeburg ist. Gegen große Widerstände reformierte Norbert während seiner achtjährigen Amtszeit den Klerus und gründete in Magdeburg ein Prämonstratenser-Kloster, das später zu einer wichtigen Ausgangsbasis der Christianisierung unter den Slawen östlich der Elbe wurde.

Bild: ©dpa/Jens Wolf

Otto den Große (r., hier mit seiner Gattin Editha im Magdeburger Dom) war der Gründer des Erzbistums Magdeburg.

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begründete Erzbischof Wichmann von Seeburg dann die weltliche Landesherrschaft der Magdeburger Erzbischöfe. Damit war die Erzdiözese nicht nur kirchlich, sondern auch politisch ein wichtiger Faktor. Sichtbarster Ausdruck der so gewachsenen Bedeutung der Magdeburger Erzdiözese war ab dem 13. Jahrhundert der Magdeburger Dom. Nachdem ein Brand den ottonischen Vorgängerbau am Karfreitag des Jahres 1207 zerstört hatte, begann unter Erzbischof Albrecht von Käfernburg an gleicher Stelle der Bau eines neuen Gotteshauses. Bei seiner Weihe im Jahr 1363 war der Dom die erste fertiggestellte gotische Kathedrale auf deutschem Boden.

Rund 150 Jahre später ging die Geschichte des Erzbistums Magdeburg dann jedoch zu Ende. Im Zuge der Reformation traten große Teile der Bevölkerung zum protestantischen Glauben über. Zentraler Auslöser war das Gebaren Albrechts von Brandenburg, der als Erzbischof von Magdeburg ein wesentlicher Förderer des von Martin Luther kritisierten Ablasshandels war. 1561 bekannte sich Sigismund von Brandenburg als erster Magdeburger Erzbischof zur Reformation; ihm folgte 1567 auch das Domkapitel.

Der Zweite Weltkrieg und die Trennung vom "Mutterbistum"

Trotzdem bestand das Erzbistum Magdeburg formal noch mehr als 100 Jahre weiter. Erst mit dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde das Territorium des Erzstifts Magdeburg, also der weltliche Besitz der Erzbischöfe, als erbliches Herzogtum Magdeburg dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen. Diese Bestimmung trat nach dem Tode des letzten Administrators Herzog August von Sachsen-Weißenfels im Jahre 1680 in Kraft. Damit hörte das Erzbistum Magdeburg auf zu existieren.

Es sollte bis 1821 dauern, ehe im Magdeburger Raum wieder diözesane Strukturen errichtet wurden, indem weite Teile des einstigen Erzbistums dem Bistum Paderborn angegliedert wurden. Diese Struktur hätte wohl ewig Bestand gehabt – hätte nicht der Zweite Weltkrieg zur Teilung Deutschlands geführt. Zwar gehörte das Magdeburger Bistumsgebiet auch nach der Gründung der DDR zum nun auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs liegenden Paderborn. Allerdings wurde es für die dortigen Erzbischöfe im Laufe der Jahre immer schwieriger, ihre Gläubigen in der DDR zu erreichen. Deshalb errichtete der Vatikan 1973 in Magdeburg ein Bischöfliches Amt mit einem Apostolischen Administrator an der Spitze. Zwar blieb die Region damit offiziell Bestandteil ihres westdeutschen "Mutterbistums", das Magdeburger Gebiet entwickelte jedoch mit der Zeit eine immer größere Eigenständigkeit.

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Video: © steyl medien e.V.

Der Gründer des Kloster Prémontré und somit der Prämonstratenser lebte von 1085-1134. Der Gedenktag von Norbert von Xanten ist der 6. Juni.

Diese Entwicklung wurde schließlich gewürdigt, als nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990, auch die gesamtdeutsche Bistumslandschaft neu geordnet wurde. Bei den Verhandlungen zwischen Kirche und Staat zeichnete sich sehr bald ab, dass eigenständige ostdeutsche Bistümer errichtet werden sollten – darunter auch Magdeburg.

Erster Bischof wurde am 8. Juli 1994 Leo Nowak. Zehn Jahre lang prägte der gebürtige Magdeburger die Geschicke der Diözese – und das von Anfang an vor dem Hintergrund der Diskrepanz zwischen der enormen geografischen Größe des Bistums und der geringen Zahl der dort lebenden Katholiken. Mit rund 23.000 Quadratkilometern ist das überwiegend in Sachsen-Anhalt sowie in Teilen Brandenburgs und Sachsens liegende Bistum nach der Fläche zwar die viertgrößte Diözese Deutschlands, bei der Zahl der Gläubigen rangiert es nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz mit nur etwas mehr als 81.000 bundesweit aktuell auf dem vorletzten Platz.

"Schöpferische Minderheit" in einem weitgehend säkularen Umfeld

Diese geringe Zahl an Gläubigen – und damit an Kirchensteuerzahlern – sorgt mit dafür, dass das Bistum Magdeburg seit seiner Gründung nur einen sehr kleinen finanziellen Spielraum hat. Um diesen zu vergrößern, versuchte die Diözese um die Jahrtausendwende, durch Immobilien- und Finanzgeschäfte der bistumseigenen und inzwischen abgewickelten Gero AG an zusätzliches Geld zu kommen. Dieser Versuch scheiterte jedoch krachend, und die verlustreichen Aktivitäten belasten bis heute die Bilanz der klammen Diözese.

Doch auch ohne viel Geld hat die Diözese in einem weitgehend säkularen Umfeld – der Katholikenanteil an der Gesamtbevölkerung beträgt nur etwa drei Prozent – den Anspruch, "schöpferische Minderheit" zu sein, wie es der seit 2005 amtierende Bischof Gerhard Feige gerne formuliert. Als solche sollten sich die Katholiken in die säkulare Gesellschaft Mitteldeutschlands einbringen und in ökumenischem Geist "auch in Zukunft vielfältig und lebendig das Evangelium" bezeugen.

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige während einer Predigt.
Bild: ©dpa/Jens Wolf

Seit 2005 ist Gerhard Feige Bischof von Magdeburg.

Großen Wert legt Feige, der in der Vergangenheit wiederholt seine Stimme für Ostdeutschland erhoben hat und von der Wochenzeitung "Die Zeit" sogar schon als "Rebell aus dem Osten" bezeichnet wurde, auf die Eigenständigkeit seiner Diözese. Das Bistum Magdeburg sei zwar nicht der Nabel der Welt, aber auch nicht nur ein "Anhängsel" der katholischen Kirche, so schreibt er in seinem jüngsten Buch "Anders katholisch. Vom Mut zum kleinen Weg". "Sicher erscheinen wir in vielem anders als andere: vielleicht nicht so traditionsbezogen, folkloristisch und trachtenreich, sondern eher nüchterner und ernsthafter oder auch ökumenischer. Damit sind wir aber nicht weniger katholisch."

Eine der wohl wichtigsten Zukunftsfragen des Bistums ist der Umgang mit dem zunehmenden Mangel an Priestern und daraus notwendig folgenden Strukturanpassungen. Aktuell unternimmt die Diözese Versuche, Laien so zu befähigen, "dass diese für das Leben in den Gemeinden und Pfarreien noch mehr Verantwortung übernehmen können", wie es der Bischof formuliert. Dabei gehe es jedoch ausdrücklich nicht darum, Laien als Lückenbüßer für eine pastorale Notsituation zu rekrutieren. Vielmehr solle zum Ausdruck kommen, "dass alle Gläubigen Kirche sind und diese sich nicht nur ereignet, wo ein Priester ist", erklärt Feige.

Trotz Herausforderungen optimistischer Blick in die Zukunft

Wie nötig entsprechende Überlegungen sind, verdeutlicht eine aktuelle Zahl. Demnach haben trotz der in den vergangenen Jahren bereits erfolgten Zusammenlegung von Kirchengemeinden, 8 der 44 noch verbliebenen Pfarreien im Bistum inzwischen keinen eigenen Pfarrer mehr – und das wohl auf Dauer.

Trotz solcher Herausforderungen ist Feige mit Blick auf die Zukunft seines Bistums optimistisch. Zweifellos verändere sich die äußere Gestalt der Kirche schon jetzt dramatisch. Dies bedeute aber "nicht unbedingt" den Untergang der Kirche. "Die Kirche ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden; sie kann überall – auch unter schwierigsten Umständen – Wurzeln schlagen, sich entfalten und ihrer Bestimmung gerecht werden", ist der Bischof überzeugt.

Von Steffen Zimmermann

Hinweis

Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage der Diözese.