Serie: Unsere Bistümer

Bistum Rottenburg-Stuttgart: Vorbild bei Medien und Laien-Beteiligung

Veröffentlicht am 04.01.2020 um 12:43 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Bistum Rottenburg-Stuttgart selbst ist zwar noch vergleichsweise jung. Die Geschichte des Christentums auf dem Territorium reicht jedoch bis ins 6. Jahrhundert zurück. In Zukunft könnte die Diözese sogar zum Vorbild für ihre 26 Geschwister werden.

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Eine der Besonderheiten dieses Bistums verrät schon sein Name: "Rottenburg-Stuttgart". Die Diözese ist nicht nach nur einer Stadt benannt, sondern es gibt zwei Zentren: Das große, evangelisch-säkular geprägte Stuttgart (gut 630.000 Einwohner) und das kleine, traditionell-katholische Rottenburg (gut 40.000 Einwohner). Letzteres bildet den ursprünglichen Kern der Diözese. Große Teile der Bistumsverwaltung und der Dom St. Martin – vor Gründung des Bistums einfache Pfarr- bzw. Stadtkirche – haben hier ihre Heimat. Die dortige Sülchenkirche dient als Grablege der Bischöfe. Im gut 50 Kilometer entfernten Stuttgart liegt der zweite Dienstsitz des Bischofs; die dortige Eberhardskirche hat die Funktion einer Konkathedrale. Sie liegt etwas versteckt in einer Häuserzeile mitten in der Fußgängerzone der Königsstraße.

Sankt Martin als Patron

Der doppelte Name der Diözese im Südwesten der Republik weist darauf hin, dass ihr historischer Weg facettenreich verlaufen ist. Stuttgart wurde erst 1978 die Bistumsbezeichnung aufgenommen. Der Katholizismus in der Stadt und ihrem Umland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich an Einfluss gewonnen. Das liegt vor allem an der großen Zahl von Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten, die sich dort ansiedelten. Doch auch schon zur Zeit der Säkularisation und des Wiener Kongresses Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich das Territorium des damaligen Königs von Württemberg so erweitert, dass deutlich mehr Katholiken zu seinen Untertanen gehörten. Schließlich wurden auch die kirchlichen Gebiete neu geordnet. Das Bistum Rottenburg-Stuttgart entstand, das mit dem Gebiet Württembergs identisch war: Es wurde offiziell am 20. Mai 1828 gegründet, ist also noch keine 200 Jahre alt. Patron ist Martin von Tours. Der Heilige, der einst seinen Mantel mit einem Bettler teilte, war zuvor schon Patron der Stadt- und späteren Domkirche von Rottenburg. Über 80 Kirchen in Württemberg sind ihm gewidmet. In Erinnerung an Sankt Martin wurde vor einigen Jahren der europäische Martinsweg als Pilgerroute ins Leben gerufen. Er führt von Martins Sterbeort bei Tours in Frankreich auch durch das Bistum Rottenburg-Stuttgart zu seinem Geburtsort im heutigen Ungarn. 

Bischof Gebhard Fürst
Bild: ©KNA/Angelika Zinzow

Gebhard Fürst, seit 2000 Bischof von Rottenburg-Stuttgart.

Die Geschichte des Christentums auf dem Gebiet der heutigen Diözese reicht allerdings schon viel weiter zurück – bis ins 6. Jahrhundert. Schon damals lebten in römischen Vorläufersiedlungen von Rottenburg und Rottweil Christen. Die irischen Mönche Fridolin, Landolin und Gallus brachten das Christentum in die Gegend. Davon zeugen Kreuze aus Goldblatt, die als Grabbeigabe den Toten beigelegt wurden – die Nachbildung eines solchen Kreuzes trägt der derzeitige Bischof, Gebhard Fürst in seinem Brustkreuz. Eine der ersten Klostergründungen war schon im Jahr 764 Ellwangen. Aber auf dem Gebiet des Bistums Rottenburg-Stuttgart es gibt noch mehr bekannte Klosterbauten: Dazu gehören unter anderem die beiden Benediktinerabteien Neresheim und Kellenried, das frühere Kloster Weingarten sowie das Kloster Sießen, das Mutterhaus einer Kongregation von Franziskanerinnen.    

Der erste Bischof der Diözese war Johann Baptist von Keller, der von 1828 bis 1845 im Amt war. Unter seinem Nachfolger, Carl Joseph von Hefele, entging das Bistum dann nur knapp einem Schisma. Der Bischof leistete zunächst hartnäckigen Widerstand gegen das vom Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70) beschlossene Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit. Schließlich beugte er sich, um den Kirchenfrieden zu wahren. Während der NS-Zeit war Joannes Baptista Sproll Bischof – ein entschiedener Gegner der Nazis. Er wurde seines eigenen Bistums verwiesen, als er sich gegen den Anschluss Österreichs an Deutschland aussprach.

Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die Rottenburg-Stuttgarter Bischöfe unter anderem durch ihr Engagement in der Medienarbeit auf sich aufmerksam. Wie Gebhard Fürst, seit dem Jahr 2.000 Bischof von Rottenburg und selbst auf Twitter aktiv, so waren auch einige seiner Vorgänger in der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz engagiert. 1953 wurde in Stuttgart das katholische Filmwerk gegründet; von Bischof Georg Moser (1974 bis 1988) stammt die Idee, in Deutschland Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden für die privaten Radio- und Fernsehprogramm zu installieren. Walter Kasper wurde 1999 nach 10 Jahren als Bischof in den Vatikan berufen und wirkte dort als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. 2001 wurde er in das Kardinalskollegium aufgenommen.

Heute ist Rottenburg-Stuttgart mit rund 1,8 Millionen Katholiken die viertgrößte deutsche Diözese. Sie erstreckt sich auf dem Gebiet Württembergs von Bad Mergentheim im Norden, Bopfingen im Osten, Freudenstadt im Westen und Friedrichshafen im Süden. Auf ihrem Gebiet liegt auch das Katholische Bibelwerk, das die Einheitsübersetzung der Bibel herausgibt und sich dafür einsetzt, die Heilige Schrift in Deutschland weiterzuverbreiten.

Linktipp: Bistum Rottenburg-Stuttgart hat jetzt einen dritten Weihbischof

Rottenburgs Oberhirte Gebhard Fürst kann sich freuen: Bald unterstützt ihn nicht mehr ein Duo von Bischöfen – sondern gleich ein Trio. Und der "Neue" war urspünglich bei der Bundesbank tätig.

Den notwendigen Strukturveränderungen der Gegenwart stellte sich das Bistum seit 2015 mit dem Prozess "Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten". In dessen Zuge wurden 1025 Kirchengemeinden zu 273 Seelsorgeeinheiten zusammengelegt. 2022 findet in Stuttgart der nächste Katholikentag statt, den das Bistum gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken austrägt.

Beteiligung von Laien im "Rottenburger Modell"

Und während aktuell in ganz Deutschland darüber diskutiert wird, wie Laien in der Kirche mehr Verantwortung übernehmen können, wird das in der Diözese Rottenburg-Stuttgart schon seit Jahrzehnten praktiziert. 1968, kurz nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) wollte der damalige Bischof Carl Joseph Leiprecht dessen Geist in seine Heimat bringen. Das "Rottenburger Modell" wurde eingeführt, nach dem Priester und Laien gemeinsam und kooperativ die Gemeinden leiten – nicht nur verwaltungstechnisch, sondern auch die Pastoral betreffend. In der Regel entscheiden der Pfarrer und der sogenannte "Kirchengemeinderat" gemeinsam über die Geschicke der Pfarrei – was für die Laien allerdings einen überdurchschnittlich hohen Einsatz bedeutet. Auf Bistumsebene nimmt der Diözesanrat das Haushaltsrecht wahr und hat damit die Verantwortung für die Finanzen der Diözese. So kann die Diözese mit dem Doppelnamen vielleicht sogar zum Vorbild für ganz Deutschland werden.

Von Gabriele Höfling

Hinweis

Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage der Diözese.