Serie: Unsere Bistümer

Bistum Münster: "Himmlisches Jerusalem" und Heimat von "Maria 2.0"

Veröffentlicht am 23.11.2019 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Münster ‐ Das Bistum Münster ist mit 1,8 Millionen Gläubigen eine der größten deutschen Diözesen. Doch auch seine Geschichte kann sich sehen lassen: "Bomben-Bernd", der "Löwe von Münster" und "Maria 2.0" drückten dem Bistum ihren Stempel auf.

  • Teilen:

Die drei wuchtigen Eisenkäfige am Turm der Lambertikirche in Münster sind wohl der Höhepunkt einer Stadtführung durch die Westfalen-Metropole. Sie zeugen von einer der schrecklichsten Episoden in der Geschichte von Stadt und Bistum: dem Täuferreich von Münster. Ab Februar 1534 hatten die Anhänger der Täuferbewegung die Herrschaft in Münster übernommen. Sie waren gegen die Kindertaufe, vertrieben Andersgläubige und schafften das Privateigentum ab. Die Täufer wollten in Münster das im Neuen Testament verheißene "himmlische Jerusalem" erschaffen, denn sie glaubten, dass die Wiederkunft Christi unmittelbar bevorstünde.

Doch was als Himmel auf Erden gedacht war, entpuppte sich schnell als menschengemachte Hölle. Die Stadt wurde von den Truppen des für abgesetzt erklärten Bischofs belagert, was zu großem Hunger und einer Radikalisierung der Täufer führte. Jan van Leiden setzte sich als König an die Spitze der Bewegung und führte ein Terrorregime. Viele der von ihm verhängten Todesurteile soll er selbst vollstreckt haben. Nach 17 Monaten Täuferherrschaft wurde Münster vom Bischof eingenommen. Der Täuferkönig und zwei weitere hohe Mitglieder der Sekte wurden zunächst grausam gefoltert und schließlich hingerichtet. Ihre Leichname wurden in drei Käfige geworfen, um am Lambertikirchturm hoch über den Dächern der Stadt vor religiösem Fanatismus zu warnen.

Liudger war erster Bischof von Münster

In ihrer mehr als 1.200-jährigen Geschichte hat die Diözese Münster glücklicherweise auch erfreulichere Zeiten erlebt – wie etwa ganz zu Anfang bei der Klostergründung durch den heiligen Liudger im Jahr 793. Mit seinem "monasterium" legte der friesische Missionar den Grundstein für die Lage und den Namen der späteren Stadt Münster. Im Auftrag Karls des Großen sollte Liudger das zuvor vom Frankenkönig eroberte Gebiet Westfalen christianisieren. Dazu gründete der Missionar über 40 Kirchen im Münsterland und darüber hinaus. Seine Evangelisierungsmethoden sollen – im Gegensatz zur berüchtigten Mission mit Feuer und Schwert Karls des Großen – ausgesprochen friedlich gewesen sein. 805 wurde Liudger zum ersten Bischof von Münster geweiht und die Diözese damit aus der Taufe gehoben. Der Missionar ließ den ersten Dom bauen. Vier Jahre später starb er in Billerbeck, einer Kleinstadt in der Nähe von Münster. Nicht nur dort erinnert eine Kirche mit seinem Namen an ihn.

Bild: ©Fotolia.com/photofranz56

Am Turm der Lambertikirche in Münster hängen die drei Eisenkäfige, in denen die Überreste der Anführer der Täuferbewegung zur Schau gestellt wurden.

Das Mittelalter war für das Bistum Münster eine religiöse Blütezeit: Zahlreiche neue Pfarreien, Stifte und Klöster entstanden, oft mit ihnen angeschlossenen Schulen und Hospitälern. Die Einwohnerzahl der Domstadt wuchs und 1170 erhielt Münster das Stadtrecht. Kurze Zeit später bestieg mit Hermann von Katzenelnbogen der erste Oberhirte den Münsteraner Bischofsstuhl, der neben der geistlichen zudem die weltliche Herrschaft über das Bistumsgebiet ausübte. Die Diözese hatte sich also auch politisch etabliert.

Münsteraner Bischöfe werden zu Fürsten

Die Reformation fasste 1524 in Münster Fuß, als vier Kapläne im Namen der erstarkten Bürgerschaft die Vorrechte der Geistlichkeit kritisierten. Neun Jahre später bekannten sich Rat und Klerus der Stadt zur Lehre Luthers. Nach dem kurzen aber umso grausameren Zwischenspiel des Täuferreichs bemühte sich Bischof Franz von Waldeck um die erneute Einführung der Reformation. Das Münsteraner Domkapitel weigerte sich jedoch und blieb katholisch. Andernorts in der Diözese konnte sich der Protestantismus hingegen durchsetzen – wenn auch nur zeitweise. Denn die nachfolgenden Fürstbischöfe setzten sich für die Rekatholisierung ihrer Gebiete ein, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen war.

1648 wurden in Münster und im nahegelegenen Osnabrück die Verträge zwischen den teilnehmenden Staaten des Dreißigjährigen Krieges geschlossen, die als Westfälischer Frieden in die Geschichte eingegangen sind. In den folgenden Jahren regierten die Münsteraner Fürstbischöfe ihre Diözese als absolutistische Herrscher, mitunter auch mit kriegerischen Mitteln. So wurde etwa Bischof Christoph Bernhard von Galen wegen seiner Vorliebe für den Einsatz von Mörsergeschossen von seinen Feinden als "Bomben-Bernd" verspottet.

Prangerte die Euthanasie an: Münsters Bischof von Galen.
Bild: ©KNA

Er prangerte die Tötung behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten an: Münsters Bischof Clemens August von Galen.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Existenz des bischöflichen Staates im Zuge der Säkularisation beendet. Die Münsteraner Oberhirten waren nun keine Landesherren mehr, sondern nur noch für die religiösen Belange der Bürger zuständig. Ein Großteil des Fürstbistums mit seiner fast ausschließlich katholischen Bevölkerung wurde dem protestantischen Königreich Preußen zugeschlagen. Aus der Spannung zwischen den Konfessionen resultierte der Kulturkampf. Im Bistum Münster führte diese Auseinandersetzung dazu, dass Preußen im Jahr 1875 Bischof Johannes Bernhard Brinkmann für abgesetzt erklärte. Er musste mehrere Jahre im niederländischen Exil leben und wurde von den Gläubigen als "Bekennerbischof" verehrt. Wegen der Treue zum Katholizismus selbst angesichts der Konflikte mit den preußischen Herrschern, schwärmte der Zentrums-Politiker Ludwig Windthorst 1885 über die Region: "Ich kenne keinen schwärzeren Flecken Erde als das Münsterland."

"Löwe von Münster" wird Kardinal

Windthorsts Ausspruch sollte sich auch für die Zeit des Nationalsozialismus bewahrheiten. Auf dem Gebiet der Diözese Münster war es für die Nazis besonders schwer, mit ihrer menschenverachtenden Ideologie zu Punkten. Nicht zuletzt wegen des damaligen Bischofs, Clemens August von Galen. Bereits ein Jahr nach seiner Bischofsweihe 1933 wendete er sich gegen das nationalsozialistische Regime, etwa in Auseinandersetzungen um die Inhalte des Religionsunterrichts. Bis heute berühmt sind drei Predigten von Galens, in denen er die Tötung behinderter Menschen durch die Nazis scharf verurteilt. 1946 wurde der "Löwe von Münster" von Papst Pius XII. zum Kardinal erhoben – als bisher einziger Münsteraner Bischof.

Kardinal von Galen stammte aus einer Region des Bistums Münster, die eine kirchenrechtliche Einzigartigkeit darstellt: aus dem Offizialatsbezirk Oldenburg. Dieses Gebiet im Nordwesten Niedersachsens gehört zum Bistum Münster, doch nicht der zuständige Diözesanbischof übt dort die Amtsgewalt aus, sondern ein mit besonderen Vollmachten ausgestatteter Weihbischof mit Sitz im niedersächsischen Vechta. Der als Offizial bezeichnete Geistliche ist in administrativen, finanziellen und personellen Fragen vom Münsteraner Bischof unabhängig.

Initiative "Maria 2.0"
Bild: ©KNA/Andre Zelck

Frauen der Bewegung "Maria 2.0" bei einer Mahnwache vor dem Dom in Münster.

Hintergrund dieser kuriosen Regelung ist, dass das Bistum Münster seit dem 13. Jahrhundert in zwei Gebiete geteilt ist, die territorial nicht aneinandergrenzen: das Hochstift im Münsterland und am Niederrhein sowie das Niederstift mit den Ämtern Meppen, Cloppenburg und Vechta auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens. Bei der Neuordnung der deutschen Diözesen nach der Säkularisation im 19. Jahrhundert hatte der Großherzog von Oldenburg, zu dessen Herrschaftsgebiet das Niederstift inzwischen gehörte, ein wichtiges Anliegen. Er wollte vermeiden, dass ein Bischof, der dem preußischen König gegenüber loyal sein musste, auch für seine katholischen Untertanen zuständig war. So kam es 1830 zur Unterzeichnung der "Convention von Oliva", die den Offizialatsbezirk Oldenburg und seine Unabhängigkeit vom "Mutterbistum" begründete.

Heute hat das Bistum Münster 1,8 Millionen Gläubige und ist ein Hort des Laienkatholizismus. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, stammt aus Münster und auch die Bewegung "Maria 2.0" hat ihre Ursprünge in der Hauptstadt Westfalens. Neben ihrer Forderung nach einer geschlechtergerechten Kirche mahnen sie die konsequente Verfolgung von Missbrauchsfällen durch Priester an – eine Herausforderung, der sich auch das Bistum Münster unter seinem derzeitigen Bischof Felix Genn stellen muss.

Von Roland Müller

Hinweis

Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage der Diözese.