Serie: Unsere Bistümer

Bistum Würzburg: Von Wandermönchen und geschichtsträchtigen Treffen

Veröffentlicht am 25.01.2020 um 12:50 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Würzburg ‐ Drei irische Missionare legten einst die Basis für eine Diözese, die im Mittelalter eine der bedeutendsten des Reichs und in der jüngeren Vergangenheit Schauplatz historischer Zusammenkünfte war. Doch auch vor dem Bistum Würzburg machen die aktuellen Herausforderungen nicht Halt.

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Der 8. Juli ist ein ganz besonderes Datum für das Bistum Würzburg. An diesem Tag gedenkt die katholische Kirche der heiligen Kilian, Kolonat und Totnan, der Würzburger Bistumspatrone. Und um diesen Tag herum, in der sogenannten Kiliani-Oktav, strömen Tausende Wallfahrer aus den Pfarreien der Diözese an deren Gräber. Eröffnet wird die Festwoche traditionell mit einer feierlichen Prozession, bei der die Häupter der drei in einem Bergkristallschrein durch die Stadt getragen werden. Neben zahlreichen Gottesdiensten gibt es in diesen Tagen ein Volksfest und einen Markt. In den Tagen des Kilians-Fests pilgern jährlich rund 15.000 Menschen in die Mainfrankenmetropole.

Kilian, Kolonat und Totnan waren irische Wandermönche, die im 7. Jahrhundert an den Main kamen, um das Evangelium zu verkünden. Vereinzelt gab es wohl schon vor ihrem Auftreten Christen in der Gegend, doch vermutlich ist es den drei "Frankenaposteln" zu verdanken, dass sich der Glaube dort etablieren konnte. Ihr Ende war allerdings tragisch: Weil sie mit Herzog Gozbert in Konflikt gerieten, wurden sie 689 umgebracht. Ihre verscharrten Leichen wurden erst über 50 Jahre später wiedergefunden. Zu diesem Zeitpunkt war Würzburg bereits Bischofssitz: Bonifatius weihte 741 Burkard zum ersten Oberhirten. Dieser ließ die Gebeine der irischen Märtyrer erheben und erklärte sie zu Diözesanheiligen. Damit legte er den Grundstein für ihre Verehrung.

Der heilige Kilian
Bild: ©stock.adobe.com/Franz Gerhard

Eine Statue des heiligen Kilian auf der Alten Mainbrücke in Würzburg.

Das Bistum Würzburg, das Ende des 8. Jahrhunderts in die damalige Kirchenprovinz Mainz eingegliedert wurde, reichte bei seinen Anfängen vom Gebirgskamm des Rennsteigs im heutigen Thüringen und der Fulda im Norden bis Feuchtwangen im Süden. Die Westgrenze lag am Mainviereck, im Osten ging es ohne feste Begrenzung bis über die Mainquellen hinaus. Doch 1007 sollte es zu einem folgenreichen Einschnitt kommen – im wörtlichen Sinn. König Heinrich II., später Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, wollte im Osten des Diözesansprengels mit Bamberg als Zentrum ein neues Bistum errichten. Die Reichsynode zu Frankfurt erhörte des Herrschers Wunsch und gab grünes Licht für die Gründung "seiner" Diözese aus ehemals Würzburger Gebieten.

Diese Entscheidung sorgte zwar für eine merkliche Abkühlung des Verhältnisses der Bischöfe zu den Kaisern, konnte jedoch nicht verhindern, dass Würzburg im Hochmittelalter zu einer der führenden wirtschaftlichen und geistigen Städte des Reichs avancierte. Ab dem 12. Jahrhundert war der Würzburger Oberhirte zugleich weltlicher Herrscher und hatte den Titel "Herzog von Franken" inne. Diese Doppelfunktion wurde durch einen bekannten lateinischen Spruch untermauert: "Herbipolis sola iudicat ense et stola" – Würzburg allein richtet mit Schwert und Stola. In dieser Periode wurde auch der romanische Kiliansdom in seiner bis heute bestehenden Form vollendet.

Strikte Rekatholisierungsmaßnahmen

Im 16. Jahrhundert zogen die Ideen Martin Luthers über das ganze Land – und auch Würzburg wurde nicht von den damit einhergehenden Auseinandersetzungen verschont. Außerhalb des Hochstifts wurde fast ausnahmslos das evangelische Bekenntnis angenommen, und selbst in das Hochstift konnte die Reformation vordringen. Wirksam Einhalt gebieten konnte der Verbreitung der neuen Lehre erst Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573-1617). Sein Motto lautete strikte Rekatholisierung: Er führte Reformen im Sinne des Tridentinischen Konzils durch, organisierte die Seelsorge neu und ließ Volksmissionen einrichten. Gleichzeitig wurden Protestanten aufgefordert, die Konfession zu wechseln oder das Land zu verlassen. Zudem gründete er 1575 eine Universität, die noch heute seinen Namen trägt. Auch im sozial-karitativen Bereich erwarb er sich große Verdienste, beispielsweise mit der Errichtung des Juliusspitals.

Nach den Erschütterungen des Dreißigjährigen Kriegs, der für Würzburg in der Besetzung durch schwedische Söldner gipfelte, folgte im 18. Jahrhundert eine Zeit der Blüte, die sich vor allem in der Architektur ausdrückte. Die Fürstbischöfe aus dem Haus Schönborn holten qualifizierte Künstler nach Würzburg, der Bau der weltberühmten Residenz und die barocke Umgestaltung der Stadt begannen. Das Bistum wurde zu einem glanzvollen Mittelpunkt der Reichskirche. Doch deren Tage waren mit der Säkularisation 1803 gezählt. Das Heilige Römische Reich ging unter, und mit ihm das Hochstift Würzburg, das 1814 endgültig an Bayern fiel. Das Bistum wurde infolge des bayerischen Konkordats von 1817 neu umschrieben und der neu geschaffenen Kirchenprovinz Bamberg zugeteilt.

Bischof Matthias Ehrenfried
Bild: ©POW

Matthias Ehrenfried war von 1924 bis 1948 Bischof von Würzburg und ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus.

Das 19. Jahrhundert mit all seinen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen stellte auch die Bischöfe vor große Herausforderungen. Denen konnten und wollten sie nur im Kollektiv begegnen. So trafen sich die deutschen Bischöfe von 23. Oktober bis 16. November 1848 erstmals zu einer Konferenz. Schauplatz dieser historischen Zusammenkunft war Würzburg. Diskutiert wurde unter anderem über das Verhältnis von Staat und Kirche, über die freie Ausbildung des Klerus und die Besetzung von Bischofsstühlen, über katholische Schulen und den Religionsunterricht. Als feste Einrichtung entstand die Bischofskonferenz schließlich 1867 in Fulda. Die nach dem Versammlungsort benannte "Fuldaer Bischofskonferenz" sollte von nun an regelmäßig zusammenkommen. Aus ihr ging später die Deutsche Bischofskonferenz hervor.

Während der NS-Zeit wurde die Würzburger Kirche besonders von den Machthabern bedrängt. Doch Bischof Matthias Ehrenfried (1924-1948) leistete entschiedenen Widerstand. Er bezeichnete die NS-Regierung als "Geißel Gottes" und ihre Vertreter als "Mächte der Unterwelt". Außerdem kritisierte er die Zugeständnisse der deutschen Bischöfe im Reichskonkordat von 1933. Trotz aller Hindernisse ließ sich die Kirche unter Ehrenfried nicht aus dem öffentlichen Leben verdrängen.

Jüngster Bischof Europas

Ehrenfrieds Nachfolger wurde Julius Döpfner. Mit 35 Jahren war er zur damaligen Zeit der jüngste Bischof Europas. Er förderte eine sozial orientierte Pastoral und die liturgische Erneuerung. 1957 wurde er als Erzbischof ins geteilte Berlin berufen, 1961 kehrte er, inzwischen zum Kardinal ernannt, nach Bayern zurück – als Erzbischof von München und Freising. Döpfner ist eine prägende Figur der jüngeren Kirchengeschichte: Er war einer von vier Moderatoren des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und ab 1965 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

1971 sollte jener Döpfner nochmal in entscheidender Funktion nach Würzburg "zurückkehren": als Präsident der "Würzburger Synode". Die gemeinsame Synode aller Bistümer der Bundesrepublik sollte die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils für Deutschland adaptieren. Nach mehr als fünf Jahren Beratung wurden in 18 Beschlüssen und sechs Arbeitspapieren die Stellungnahmen zu Kernthemen wie beispielsweise der gesellschaftlichen Aufgabe der Kirche oder Ehe und Familie festgehalten.

Blick in den Synodensaal in Würzburg 1974.
Bild: ©KNA

Von 1971 bis 1975 fand die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland im Würzburger Dom statt. Deshalb wird sie auch Würzburger Synode genannt.

Bis 1994 reichte das Bistum Würzburg formal bis in den Süden Thüringens – ein Gebiert, dass von 1949 bis 1989 in der DDR lag. Es handelte sich dabei um einen schmalen, etwa 150 Kilometer langen Gebietsstreifen zwischen Rhön und Thüringer Wald, der in staatlicher Hinsicht das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Sachsen-Meiningen umfasste. Wegen der Zugehörigkeit zur DDR entwickelte sich daraus ab 1953 ein selbstständiger Jurisdiktionsbezirk. 1973 wurden auf päpstliches Dekret die in der DDR gelegenen Teile der Bistümer Fulda und Würzburg zum Bischöflichen Amt Erfurt-Meiningen zusammengeschlossen. Dieses wurde 1994 dem neugegründeten Bistum Erfurt einverleibt. Apropos Bistumsgebiet: Blickt man auf die Bistumskarte, so merkt man, dass das Bistum Würzburg ein kleines "Loch" hat: die Kuratie Ostheim vor der Rhön. Sie gehört zwar zum Bistum Fulda, wird aber seit 1945 von der Diözese Würzburg seelsorgerisch betreut.

Aktuell warten auf das Bistum Würzburg ähnliche Herausforderungen wie auf andere Diözesen in Deutschland. Sinkende Kirchensteuereinnahmen zwingen die Diözese zu Sparmaßnahmen. Die Verantwortlichen verhängten ein Bau-Moratorium; durchgeführt werden nur noch sicherheitsrelevante Notmaßnahmen. "Wir werden uns in Zukunft auf die Hinterbeine stellen müssen", sagt dazu Bischof Franz Jung, der seit 2018 im Amt ist. Überhaupt stehe die Kirche vor einem radikalen Wandel: Vieles, auf das sich die Kirche zu sehr verlassen habe, werde wegbrechen. "Meine Hoffnung ist, dass Gebet, erneuerte Glaubensverkündigung und der Dienst an den Armen der Reichtum einer institutionell ärmeren Kirche sein werden", so der Würzburger Oberhirte.

Von Matthias Altmann