Serie: Deutschland, deine Kathedralen – Teil 6

Eichstätter Dom: Wo sich Bistumsgründer und Bischof in die Augen schauen

Veröffentlicht am 29.08.2020 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 

Eichstätt ‐ Derzeit ist der Dom zu Eichstätt für eine Grundsanierung bis 2022 geschlossen. Nach der Restaurierung wird sich ein umgehender Besuch in der Bischofskirche der bayerischen Kleinstadt aber umso mehr lohnen. Das liegt unter anderem an Bistumsgründer Willibald.

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Zutritt verboten: Der Dom zu Eichstätt ist seit März geschlossen und öffnet erst in zwei Jahren wieder für Gottesdienste. Das Gebäude wird grundlegend saniert. Nun steht die Renovierung des Langhauses und des Querschiffs der Kathedrale an. Dazu gehört die umfassende Reinigung des Innenraums genauso wie Arbeiten an den Dachstühlen, den Fassaden und den Fenstern der Bischofskirche. Bereits fertig sind der Kreuzgang und die Westfassade mit den Heiligenfiguren. Die Renovierung der beiden markanten Türme des Doms bilden 2023 den Abschluss der Grunderneuerung.

Romanik, Gotik und Barock

Für die Diözese Eichstätt mag es sehr schmerzhaft sein, mehrere Jahre keine Liturgie in der Kirche feiern zu können, die das Zentrum des Bistums darstellt. Dafür wird bald ein ein Gotteshaus in neuem Glanz erstrahlen, das nach Ansicht von Kunsthistorikern zu den bedeutendsten Baudenkmälern Bayerns aus dem Mittelalter zählt. Der Eichstätter Doms vereinigt Bauphasen vom 11. bis zum 18. Jahrhundert und ist sowohl von den Stilepochen der Romanik als auch der Gotik und dem Barock geprägt.

Das Grab des heiligen Willibald im Dom zu Eichstätt
Bild: ©stock.adobe.com/Pecold

Das Grab des heiligen Willibald im Dom zu Eichstätt.

Die Anfänge des heutigen Doms sind jedoch viel früher zu finden: Bereits im 8. Jahrhundert stand an der heutigen Stelle der Kathedrale eine steinerne Saalkirche, an die sich ein Mönchskloster anschloss. Das Gotteshaus geht auf den heiligen Willibald zurück, einen Verwandten des bekannten Missionsbischofs Bonifatius. Willibald stand dem Kloster in Eichstätt vor und gilt als erster Bischof der Diözese. Im 10. Jahrhundert wurde auf den Ruinen des durch die Ungarneinfälle zerstörten Klosters das Kirchengebäude mit einer Außenkrypta für die Gebeine des Bistumsgründers ergänzt.

Im 11. Jahrhundert kam es zu einem Neubau des Eichstätter Doms, der sich an den größeren romanischen Kathedralneubauten in Augsburg und Speyer orientierte. Die beiden Türme an den Seiten des Ostchores sind rund 100 Jahre älter. Sie haben eine Höhe von 52 sowie 54 Metern und zeigen oberitalienische Einflüsse auf. Die Gotik führte zu einer Umwandlung in eine Hallenkirche mit West- und Ostchor, so wie der Dom noch heute erhalten ist. Das sogenannte Mortuarium stammt ebenfalls auf dieser Zeit und ist eine Besonderheit der Eichstätter Bischofskirche. Ursprünglich ein Teil des Kreuzgangs wurde es zu einer Halle umgestaltet, die als Grablege für die Angehörigen des Domklerus diente.

Ein herausragendes barockes Element des Doms ist die Westfassade aus dem 18. Jahrhundert, die bis heute das Stadtbild Eichstätts prägt. 1745 stiftete der damalige Bischof Johann Anton II. anlässlich des tausendsten Bistumsjubiläums den Altar im Willibaldschor im Westen der Kirche. Dieser prägt gemeinsam mit dem markanten Grab des Bistumsgründers das Innere des Gotteshauses. Nach einer Umgestaltung des Kirchenraums im neugotischen Stil des 19. Jahrhunderts hielt ab 1968 die liturgische Erneuerung im Dom Einzug, die zu Veränderungen im Innern führte.

Grabplatten im Mortuarium des Doms zu Eichstätt
Bild: ©stock.adobe.com/VS

Grabplatten im Mortuarium des Doms zu Eichstätt

Der bekannte Architekt Gottfried Böhm zeichnete für die Beseitigung der Chorschranken trotz heftiger Proteste der Denkmalpflege verantwortlich. Ebenso wurde ein Volksaltar im Ostchor installiert, um die Gottesdienste künftig entsprechend den Anregungen aus der Liturgiereform unter tätiger Anteilnahme der Gläubigen feiern zu können. Heute wird dieser Altar durch ein modernes Ambo und Kerzenleuchter in Stahloptik ergänzt.

Auch wenn das Grab des Bistumsgründers während der diözesanen Willibaldswoche und darüber hinaus viele Gläubige zu einem Besuch des Eichstätter Doms bewegt, ist die Kirche doch eigentlich eine Marienkirche. Das zeigt sich etwa am spätgotischen Hauptportal im Norden des Gotteshauses: Dort sind die Entschlafung Mariens im Kreis der Apostel und die Himmelfahrt der Gottesmutter dargestellt. An den Seiten des Eingangs zur Kirche finden sich neben der Gestalt des heiligen Willibald auch Statuen seiner Geschwister, der heiligen Walburga und des heiligen Wunibald, sowie ihres angelsächsischen Vaters, des heiligen Richard.

Kreuzgang im Dom zu Eichstätt
Bild: ©stock.adobe.com/Pecold

Der Kreuzgang im Dom zu Eichstätt.

Das Willibaldsgrab im Westchor ist im Stil der Renaissance gehalten und stammt wahrscheinlich vom bekannten Bildhauer Loy Hering. Der Bistumsgründer ist lebensgroß in einer Muschelnische sitzend als alter Mann dargestellt. Er ist mit einem Rationale bekleidet, einem liturgischen Schulterumhang, der heute nur noch von wenigen Oberhirten getragen werden darf – der Eichstätter Bischof gehört jedoch zu diesem erlesenen Kreis. Da die Willibaldsstatue in den Ostchor schaut, in dem der Bischofsstuhl der Diözese steht und der jeweils aktuelle Bischof von Eichstätt sitzt, heißt es in der Diözese scherzhaft, dass der Bistumsgründer seinem Nachfolger bei jeder Messfeier in die Augen schaut.

Besondere kunsthistorische Aufmerksamkeit findet zudem im nördlichen Querhaus des Doms der Pappenheimer Altar, der eine spätgotische Stiftung eines Domherrn ist. Der Geistliche war von einer Wallfahrt ins Heilige Land zurückgekehrt und ließ aus Dankbarkeit einen Altar errichten. Dargestellt ist die Kreuzigung Jesu, die jedoch durch detaillierte Szenen der Pilgerreise ergänzt wird. Der Altar ist trotz seiner filigranen Ausarbeitung aus einem einzigen Stein gefertigt. Bei der Wiedereröffnung des Doms nach der Grundsanierung in zwei Jahren werden dieses und die anderen Kunstschätze des Gotteshauses wieder in ihrer vollen Pracht betrachtet werden können.

Von Roland Müller