Hedwigs-Kathedrale Berlin: Symbol religiöser Toleranz und Streitobjekt
Es war nur eine kleine Notiz am Rand einer Eingabe, doch insbesondere für die katholische Minderheit in Preußen sollte sie große Bedeutung erlangen. "Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden", schrieb der preußische König Friedrich II. am 22. Juni 1740. Und weiter: "Hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden", heute besser bekannt in der oft zitierten Variante "Jeder soll nach seiner Façon selig werden." Friedrich II. stellte diese Maxime auf, kurz nachdem er auf den preußischen Thron gekommen war. Der junge Monarch antwortete damit auf die Frage, ob die katholischen Schulen im mehrheitlich protestantischen Preußen wieder abgeschafft werden sollten. Eine Schließung lehnte der König jedoch ab, er wünschte sich Toleranz.
Preußen ermöglichte als eines der ersten Länder in Europa ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Glaubensbekenntnisse. "Der preußische Staat war konfessionell gleichgültig", schrieb der Publizist Sebastian Haffner in seinem Buch "Preußen ohne Legende" über Friedrichs Verhalten: "Seine Untertanen durften katholisch oder protestantisch, lutherisch oder calvinistisch sein." Dem König sei alles gleich recht gewesen, solange die Untertanen nur ihre Staatspflichten erfüllten. Friedrich stand den Religionen selbst dabei nicht besonders nahe. Im Gegenteil: Persönlich hielt er ihre Rituale für lächerlich, für Aberglauben – und er übergoss das Christentum mit Spott. Aber der Preußenkönig orientierte sich an dem, was ihm für den gewünschten Aufstieg Preußens zur Großmacht nützlich erschien.
Ein Bauplatz mitten im Zentrum der preußischen Hauptstadt
Bereits wenige Jahre nach seiner Anordnung konnte Friedrich II. beweisen, wie ernst es ihm mit der ausgerufenen Toleranz war. Nach der bis 1745 erfolgten Eroberung Schlesiens stieg der Anteil der Katholiken in Preußen deutlich an. Daraus ergab sich die Frage, welchen Platz die katholischen Neubürger im Staatswesen einnehmen sollten. Der König beantwortete diese Frage, indem er sich an seine eigene Maxime hielt. Um seine Neutralität in religiösen Dingen zu beweisen, schenkte er den nach Berlin zugewanderten Katholiken 1747 ein Grundstück für einen Kirchenneubau. Doch nicht nur das war bemerkenswert, auch der Ort des Bauplatzes war es: Denn Friedrich II. überließ den Katholiken nicht irgendeinen Acker am Rande Berlins, sondern eine Fläche mitten im Zentrum der preußischen Hauptstadt.
Das maßgeblich vom König initiierte Forum Fridericianum – der heutige Bebelplatz unmittelbar an der Straße Unter den Linden – umfasste Pläne für mehrere repräsentative Neubauten, darunter ein Opernhaus, ein Palais für Prinz Heinrich von Preußen, die Königliche Bibliothek und eben eine katholische Kirche. Friedrich II. selbst lieferte eigene Baupläne für die Gebäude, das geplante Gotteshaus skizzierte er dabei nach dem Vorbild des römischen Pantheons als runden Kuppelbau. Konkreter ausgearbeitet wurden die Pläne später von Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff.
Die Bauzeit der Kirche erstreckte sich von 1747 bis 1773, wobei die Arbeiten zwischenzeitlich aufgrund des Siebenjährigen Kriegs weitgehend zum Erliegen kamen. Auch Geldmangel sorgte immer wieder für Unterbrechungen, denn die Baukosten mussten fast vollständig von der kleinen katholischen Gemeinde getragen werden (wohl auch deshalb hatte der Vatikan im Vorfeld die verschwenderisch anmutenden Baupläne kritisiert). Das alles hatte Folgen, denn die Verzögerungen führten unter anderem dazu, dass der unvollendete Bau eine Zeit lang ungeschützt dem launischen Berliner Wetter ausgesetzt war. Schließlich jedoch konnte durch Spendenaufrufe in ganz Europa und eine vom König gestattete Lotterie das nötige Geld für die weitgehende Vollendung der Kirche eingesammelt werden. Bauleiter Johann Boumann war aus Kostengründen allerdings gezwungen, die hölzerne Kuppel lediglich mit einer Ziegeldeckung zu versehen und auf die geplante Laterne ganz zu verzichten.
Weihe an Allerheiligen 1773
An Allerheiligen 1773 wurde die Kirche schließlich von Ignatius Krasicki, dem Fürstbischof von Ermland, geweiht. Sie war damit die erste neu errichtete katholische Kirche in Berlin seit der Reformation und das sichtbarste Zeichen der Rückkehr der Katholiken in die Stadt. Weil es besonders für die aus Schlesien zugewanderten Gläubigen errichtet worden war, wurde das Gotteshaus dem Patrozinium der schlesischen Schutzheiligen Hedwig von Andechs unterstellt.
Themenseite: Sanierung der Berliner Hedwigs-Kathedrale
Die Hedwigs-Kathedrale gehört zu den prominentesten Kirchen Berlins. Die geplante Sanierung des Gotteshauses in zweistelliger Millionenhöhe sorgt seit Jahren für Kritik und Diskussionen. Inzwischen nimmt das Umbauprojekt aber Fahrt auf.Es sollte nach der Weihe noch mehr als 100 Jahre dauern, ehe die Kirche 1886/1887 auf die Initiative von Propst Johannes Maria Assmann hin gänzlich vollendet wurde. Auf Basis der Knobelsdorffschen Originalpläne deckte der Architekt Max Hasak die Kuppel mit einem Kupferdach und bekrönte sie mit einer Laterne und einem weithin sichtbaren Kreuz. Auch der Innenraum wurde verändert, indem er eine neobarocke Ausstattung erhielt.
Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg
1927 verlieh Papst Pius XI. (1922-1939) der Hedwigskirche den Titel einer Basilica minor, doch schon drei Jahre später folgte eine noch größere Ehre: Das Gotteshaus wurde zur Kathedrale des neu errichteten Bistums Berlin erhoben. Um den neuen Anforderungen als Bischofskirche gerecht zu werden, wurde die Kirche von 1930 bis 1932 erneut umgebaut. Nach Plänen des österreichischen Architekten Clemens Holzmeister entstand dabei eines der wichtigsten Zeugnisse expressionistischer Sakralarchitektur der späten Weimarer Republik. Holzmeister betonte die Längsachse, indem er den Hauptraum zur damaligen Sakramentskapelle – der heutigen Sakristei – öffnete. Geschickt bezog er zudem hergebrachte Ausstattungsobjekte wie den barocken Altar und die zwölf barocken Apostelfiguren in den Innenraum ein. Außerdem entfernte er den Zierrat der wilhelminischen Zeit, ohne jedoch die Spuren der verschiedenen Ausstattungsschichten vollständig zu verwischen.
Die neue Pracht im Inneren der Kathedrale sollte allerdings nicht von langer Dauer sein, denn nur etwa zehn Jahre später – am 1. März 1943 – wurde das Gotteshaus im Zweiten Weltkrieg durch einen alliierten Luftangriff bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Der Wiederaufbau der nun im sozialistischen Ostteil der Stadt liegenden Kathedrale begann 1952. Zunächst wurde die eingestürzte Kuppel wiedererrichtet, auf die Laterne wurde allerdings verzichtet. Von 1960 bis 1963 folgte dann die Umgestaltung des Innenraums. Gemeinsam mit ostdeutschen Künstlern gestaltete der Düsseldorfer Architekt Hans Schwippert das Innere der Kathedrale vollständig neu und schuf eine außergewöhnliche Raumaufteilung. Auffälligste Veränderung war eine rund acht Meter große Bodenöffnung, die Schwippert im Zentrum des Kirchenraums anlegte. Über eine Treppe war damit die Unterkirche mit den Grabkapellen der Berliner Bischöfe und des NS-Widerstandskämpfers Bernhard Lichtenberg erreichbar.
Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, der Erhebung des Bistums Berlin zum Erzbistum am 8. Juli 1994 und dem 1999 erfolgten Umzug von Bundestag und Bundesregierung nach Berlin wuchs auch die Bedeutung der Hedwigs-Kathedrale. Als Bischofskirche der Hauptstadt-Erzdiözese wurde sie – als Pendant zum evangelischen Berliner Dom – gleichsam zur katholischen Hauptkirche der Berliner Republik. Regelmäßig kamen Bundespräsident, Bundeskanzlerin und die Abgeordneten des Bundestags hier in den vergangenen Jahren zu Gottesdiensten und Gedenkfeiern zusammen.
Streit um die Umgestaltung des Innenraums
Derzeit allerdings ist das nicht möglich, denn seit dem 1. September 2018 ist die Kathedrale geschlossen. Wie schon so oft in ihrer Geschichte soll die Kirche (ebenso wie das benachbarte Bernhard-Lichtenberg-Haus) in den kommenden Jahren umfangreich saniert und umgestaltet werden; rund 60 Millionen Euro sind für das Gesamtprojekt veranschlagt. Berlins damaliger Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, hatte die Sanierung mit der Ausschreibung eines Architekten-Wettbewerbs an Allerheiligen 2013 auf den Weg gebracht, und sein Nachfolger Heiner Koch trieb das Projekt nach seinem Amtsantritt im September 2015 weiter voran.
Der Umbau ist allerdings bis heute heftig umstritten. Die Kritiker der Neugestaltung – darunter Gläubige, Denkmalpfleger und Künstler, die am Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt waren – haben in den zurückliegenden Jahren immer wieder versucht, das Bauprojekt zu verhindern. Ihr Hauptkritikpunkt ist die geplante Schließung der Schwippertschen Bodenöffnung, die das Erzbistum mit liturgischen Vorgaben begründet; der Altar soll künftig ins Zentrum der Rundkirche gerückt werden. Mit ihrem auch vor Gericht ausgetragenen Protest sind die Gegner wiederholt gescheitert – es wird also weitergebaut. Ziel des Erzbistums ist es, die Bauarbeiten bis zum 250. Jahrestag der Kirchweihe am 1. November 2023 abzuschließen. Ob das noch zu schaffen ist, bleibt abzuwarten.