Limburger Dom: Himmelreich auf Erden mit sieben Türmen
Wer einen Blick auf den Limburger Dom werfen will, muss die Stadt an der Lahn nicht unbedingt besuchen. Die Kathedrale ist weithin sichtbar: Wer die Autobahn A3 zwischen Frankfurt und Köln oder die Schnellbahnstrecke im gleichen Abschnitt nutzt, kann das Bauwerk in voller Pracht bestaunen. Herrschaftlich thront die Kathedrale mit ihrer in weiß und rot-brauner Farbe gestalteten Außenfassade auf einem großen Felsen, dem Domberg.
Nicht immer war das Gotteshaus eine Bischofskirche. Zur Zeit seiner Erbauung, von etwa 1180 bis 1221, gab es das Bistum Limburg noch nicht – noch über 600 Jahre sollte es bis zu dessen formaler Gründung dauern. Im Mittelalter war die heutige Kathedrale also "nur" eine Stadtkirche. Limburg war damals ein wichtiger Handelspunkt zwischen Frankfurt und Köln. So kam es, dass dort ein verhältnismäßig großes Kirchengebäude entstand, das später auch gut als Bischofskirche genutzt werden konnte.
Am Übergang von Romanik zu Gotik
Die Bauphase der früheren Stiftskirche fiel in den Wechsel von der Romanik zur Gotik; sie ist deswegen im sogenannten "Übergangsstil" erbaut. "Je weiter oben, desto gotischer wird es", so fasst es Matthias Kloft, Leiter der Abteilung Kunst und Museen im Bistum Limburg, kurz und pragmatisch zusammen. Sind unten noch Fenster mit Rundbögen zu sehen, wird es weiter oben zusehends filigraner und auch neue Fensterformen mit Spitzbögen kommen zum Einsatz. Der Dom weist eine architektonische Besonderheit auf, die es laut Matthias Kloft nur in einer kurzen, frühen Phase der Gotik gab und deswegen sehr selten ist: Einen viergeschossigen sogenannten Wandaufriss im Inneren, der den Eindruck eines Gebäudes mit mehreren Etagen entstehen lässt.
Im "ersten Stock", den sogenannten Emporen, die sich rechts und links des Hauptschiffes erstrecken, ist so viel Platz, dass sogar Kirchenbänke aufgestellt werden können. So ist der Limburger Dom zweistöckig nutzbar, weswegen er in Relation zu seinem Grundriss eine recht große Anzahl von Besuchern aufnehmen kann. Die Empore ist so gestaltet, dass man einmal komplett um den Grundriss herumlaufen kann. Eine "Etage" weiter oben, im sogenannten Triforium, sieht das schon anders aus. "Dort ist der Rundgang sehr schmal. Als junger Mann hätte ich mich noch da hinauf getraut, aber heute wäre das nichts mehr für mich", scherzt Kloft. Das letzte "Geschoss", die Obergaden, bestehen innen aus einer Fensterreihe ohne Gang.
Der Wandaufriss hat eine besondere Bedeutung. Denn das Innere des Limburger Doms soll nichts weniger als den Himmel darstellen, genauer gesagt, die himmlische Stadt Jerusalem. "Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in der Hauptstraße dieser himmlischen Stadt und schauen entlang der Fassaden mittelalterlicher Prachtbauten hinein in die himmlischen Wohnungen", so beschreibt es ein Infoblatt über den Dom. Aus ihren Wohnungen schauen die Bewohner der himmlischen Stadt auf die Besucher herunter: Bilder und Skulpturen von Aposteln, Propheten und Heiligen zieren die Wände, über der Vierung sitzt Jesus auf seinem himmlischen Thron. Matthias Kloft erklärt diesen Bilderreichtum: "In einer Zeit, in der noch nicht so viele Menschen lesen und schreiben konnten, wurden Geschichten gern bildlich dargestellt." Auch eine Darstellung der "Heiligen Sippe", des Stammbaums Jesu, findet sich unter den Malereien.
Der Limburger Dom wurde in einer recht kurzen Zeit erbaut, in nur rund 40 Jahren. "Das ist für eine Kirche dieser Größe schon selten", sagt Matthias Kloft. "Dadurch ist architektonisch alles aus einem Guss." Stückwerk verschiedener Epochen und Bauphasen wie in anderen Kathedralen gibt es hier nicht. Architektonisches Vorbild für den Dom ist übrigens die Kathedrale von Laon im Norden Frankreichs, die ebenfalls auf einem Berg errichtet wurde.
Dort wurde nicht vollendet, was den Limburger Dom als wohl einmalig in ganz Deutschland auszeichnet: Er hat gleich sieben Türme; drei große rechts und links des Hauptportals sowie über der Vierung, und jeweils zwei kleine an jedem Ende der "Querbalken" des Kreuzes, das den Grundriss der Kirche bildet. Mit den sieben Türmen ist eine vielfältige Symbolik verbunden: Die zwölf (3 mal 4) steht für das zwölftorige Jerusalem und für die zwölf Apostel, die sieben selbst für die Anzahl der Sakramente.
Linktipp: Georg: Der heroische Heilige
Sein Name steht für Tapferkeit und Nächstenliebe: der heilige Georg. Katholisch.de stellt ihn vor und zeigt auf, was es jenseits der Legenden über Georg aus Kappadokien zu wissen gibt.
Wer als Architekt den Limburger Dom entworfen hat oder wer sein Baumeister war, das ist unbekannt. Anfang des 13. Jahrhunderts sei es noch nicht üblich gewesen, die Erbauer namentlich hervorzuheben, sagt Matthias Kloft, es könnten auch gleich mehrere Personen beteiligt gewesen sein. Mehr Informationen gibt es da schon über die Stifter der Kirche: Im 10. Jahrhundert hatte ein gewisser Graf Konrad Kurzbold auf dem Gelände seiner Burg ein Kanonikerstift mit einer Georgskirche gegründet. Auf deren Grundriss errichteten dann gut 100 Jahre später wohlhabende Bürger den bis heute erhaltenen, deutlich höheren und damit größeren Bau. Das Grab Kurzbolds ist heute noch im Limburger Dom zu sehen.
Zwei Patrone
Der bedeutendste Kirchenschatz der Kathedrale ist allerdings ein Reliquiar des Kreuzes Jesu aus Jerusalem. Die sogenannte "Staurothek" (Stauros bedeutet im Griechischen "Kreuz") ist aber nur während der Fastenzeit und zum Fest Kreuzerhöhung im Dom selbst zu sehen. Die restliche Zeit des Jahres ist sie als Ausstellungsstück im Limburger Dommuseum.
Anders als andere Kirchen hat der Limburger Dom übrigens gleich zwei Patrone: den heiligen Nikolaus als Patron der Pfarrei sowie den heiligen Georg als Patron des Stifts und später des Bistums. Die Errichtung der Diözese ist nun schon fast zweihundert Jahre alt. Zwar wurde es offiziell erst 1827 gegründet, die organisatorischen Vorbereitungen begannen aber schon 1821, als nach der Säkularisation die katholischen Bistümer neu geordnet wurden. Es stehen – so Corona es zulässt – also womöglich schon bald Jubiläumsfeierlichkeiten an. Da passt es doch, dass der heutige Bischof, Georg Bätzing, seinen Vornamen mit dem Bistums- und Kathedralpatron teilt.