Paulusdom Münster: Tatort-Kulisse und "Wählscheibe Gottes"
Der Münsteraner Dom scheint besonders fernsehtauglich zu sein – denn das Gotteshaus ist regelmäßig sowohl in den Folgen der ARD-Krimireihe "Tatort", die in der westfälischen Großstadt spielen, als auch in der Privatdetektiv-Serie "Wilsberg" im ZDF zu sehen. Das ist kein Wunder, denn die Kathedrale gehört unbestreitbar zum Stadtbild Münsters dazu und bildet die Keimzelle der mittelalterlichen Siedlung, die ihren Namen vom lateinischen Wort "monasterium" ableitet, zu Deutsch "Kloster". Im Jahr 793 gründete der friesische Missionar Liudger bei einer sächsischen Siedlung auf einer kleinen Anhöhe nahe des Flüsschens Aa ein Kloster. 805 wurde der heilige Gründerbischof Münsters zum ersten Oberhirten der Stadt ernannt.
Im gleichen Jahr wurde die erste Münsteraner Bischofskirche gebaut, die auch als Ludgerus-Dom bezeichnet wird. Das etwas mehr als 30 Meter lange Gotteshaus blieb wohl bis ins 14. Jahrhundert hinein weitgehend unverändert bestehen und hatte seinen Platz auf dem Gebiet des heutigen Dom-Kreuzgangs. Wohl im 10. Jahrhundert baute der damalige Münsteraner Oberhirte Dodo in unmittelbarer Nähe südlich des Ludgerus-Doms eine neue Kathedrale. Eine Errichtung etwa 100 Jahre später halten Historiker ebenfalls für möglich.
Ab 1192 ließ Bischof Hermann II. von Katzenelnbogen einen Westbau im romanischen Stil am zweiten Dom hinzufügen: Ein Chor ersetzte die bisherige Westapsis und wurde nun von zwei Türmen flankiert. In den Grundzügen ist das Westwerk bis heute erhalten und prägt das Erscheinungsbild des Münsteraner Doms. 1225 wurde schließlich der Grundstein für die heute bekannte Kathedrale gelegt, für die der zweite Dom größtenteils abgerissen wurde. Bauherr war jedoch nicht wie bei den Vorgängerbauten der Bischof, sondern das Domkapitel, das in der Zwischenzeit an Einfluss dazugewonnen hatte. 1264 wurde der Dom eingeweiht.
Romanik und Gotik vereint
Der Sankt-Paulus-Dom, wie die Münsteraner Kathedrale offiziell heißt, ist ein Bauwerk mit Einflüssen aus der romanischen und gotischen Architektur: Der Westbau mit den beiden markanten Türmen ist klar romanischen Ursprungs, während das mehr als 100 Meter lange doppelte Querschiff im Stil der Frühgotik gehalten ist. An der Südseite betritt man den Dom durch einen "Paradies" genannten Vorbau, der wohl aus der Zeit des zweiten Doms stammt. Ursprünglich nach Süden hin offen, wurde hier bis zum Ende des 14. Jahrhunderts Gericht gehalten. Eine Darstellung über den Eingangstüren ins Innere der Kathedrale zeigt den Dompatron Paulus mit einem großen Richtschwert als Kennzeichens seines Martyriums in der Hand. Die Figur erinnert somit auch an die gerichtliche Nutzung des Paradieses.
1377 wurde der Ludgerus-Dom schließlich abgerissen, da beide in unmittelbarer Nähe gelegene Kirchen sich gegenseitig das Tageslicht nehmen würden, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt. An seiner Stelle wurden der heutige Kreuzgang und einige Kapellen errichtet. Auch ein sogenannter Alter Dom wurde erbaut, der den Klerikern der ersten Kathedrale als Ersatz für das nun nicht mehr existente Gotteshaus diente. Der Alte Dom wurde schließlich im 19. Jahrhundert abgerissen. Während der Herrschaft der Wiedertäufer in Münster von 1534-35 wurde der Dom Opfer des Bildersturms: Zahlreiche Figuren, Statuen und Darstellungen wurden von den Täufern zerstört, da sie in ihnen einen Verstoß gegen das biblische Bilderverbot sahen.
Nach dem Ende der Täuferherrschaft wurde der Paulusdom neugestaltet. Aus dieser Zeit stammt auch die Astronomische Uhr, die noch heute in der Münsteraner Kathedrale bewundert werden kann. Die bedeutende historische Uhr verrät nicht nur die Zeit, sondern dient auch als Kalender, Anzeiger des Planetenstands und besitzt ein Glockenspiel mit Figuren-Umgang. Regelmäßig führt die Uhr bei Gläubigen, die zum ersten Mal einen Gottesdienst im Dom besuchen, zu Verwirrung – denn die Glockenschläge sind denen der Sakristeiglocke, die den Beginn der Liturgie ankündigt, sehr ähnlich.
Ein beliebter Kardinal
Wie die Astronomische Uhr liegen auch die 1663 errichteten Von-Galenschen-Kapellen am Umgang des Ostchors. Sie verdanken diesen Namen ihrem Erbauer, Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen, der wegen seiner militärischen Tätigkeit im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) auch "Bomben-Bernd" genannt wurde. In diesen sakralen Anbauten liegen heute nicht nur die Gebeine dieses Fürstbischofs, sondern auch die eines seiner Verwandten und Amtsnachfolgers: Kardinal Clemens August von Galen.
Der Münsteraner Bischof wurde wegen seiner Predigten gegen das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten als Stimme des katholischen Widerstands in Hitler-Deutschland wahrgenommen und dafür 1946 von Papst Pius XII. mit dem Kardinalspurpur geehrt. Einen Monat nach seiner Kardinalserhebung starb von Galen jedoch an einer Blinddarmentzündung. Er wurde unter großer Anteilnahme der Gläubigen im während des Zweiten Weltkriegs (1939-45) stark zerstörten Dom beigesetzt. 2005 erfolgte die Seligsprechung durch Papst Benedikt XVI.
Von 1946 bis 1956 wurde der Paulusdom wiederaufgebaut und original rekonstruiert – jedoch mit einer großen Ausnahme: das spätgotische Portal aus dem Jahr 1400 wurde durch einen Westbau ohne eigene Toröffnung ersetzt. Damit orientierte man sich am romanischen Vorbild, das ebenfalls kein Portal besaß. Gleichzeitig wollte der damalige Bischof Michael Keller einen modernen Akzent setzen und ließ 16 zumeist kreisförmig angeordnete Rundfenster in die Westfassade einsetzen – gegen den Protest vieler Münsteraner. Heute sind die im Volksmund, in Anlehnung an den Bischof, genannten "Keller-Fenster" ein Erkennungszeichen des Paulusdoms. Sie werden von der Bevölkerung Münsters auch liebevoll "Seelenbrause" oder "Wählscheibe Gottes" genannt.