Görlitzer Kathedrale: Der Weltkrieg machte sie zur Bischofskirche
Wer Görlitz nur von Fotos oder Postkarten kennt, könnte meinen, dass die kleine Bischofsstadt an der Neiße über eine besonders repräsentative und prominent im Herzen der Stadt liegende katholische Kathedrale verfügt. Doch die Peterskirche, die auf eben jenen Fotos und Postkarten vielfach zu sehen ist und mit ihrem kupfergedeckten Dach und den beiden weithin sichtbaren, 84 Meter hohen Türmen mächtig über der historischen Altstadt thront, ist lediglich die Pfarrkirche der evangelischen Innenstadtgemeinde.
Die katholische Bischofskirche in Deutschlands östlichster Stadt kommt im Vergleich dazu deutlich bescheidener daher. Das zeigt sich schon am Standort, denn die Kathedrale St. Jakobus liegt nicht etwa in der schmucken Altstadt mit ihren vielen denkmalgeschützten Häusern, sondern etwas abseits davon in der Südstadt unmittelbar südlich vom Görlitzer Bahnhof. Diese Lage führt unter anderem dazu, dass Besucher oder Gläubige, die mit dem Zug in der Stadt ankommen und direkt zur Kathedrale möchten, den Bahnhof nicht durch das repräsentative Hauptgebäude verlassen können, sondern einen schmuddeligen Personentunnel durchqueren und den nur über eine steile Treppe zu erreichenden Südausgang nutzen müssen. Von dort geht es rund 200 Meter über eine leicht ansteigende Straße, ehe man schließlich am Eingang zum Kathedralgelände steht.
Kurze Wege – auch für Bischof Wolfgang Ipolt
Doch die Lage der Kathedrale hat für das katholische Leben in Görlitz keineswegs Nachteile. Im Gegenteil: Weil das Gotteshaus auf einem der höchsten Punkte der Stadt steht, ist es mit seinem 68 Meter hohen Turm aus allen Himmelsrichtungen gut sichtbar. Hinzu kommt, dass die Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bischöflichen Ordinariat und dem von der Kirche genutzten St.-Otto-Stift liegt. Dadurch sind die Wege für die Mitarbeiter des Bistums meist sehr kurz. Das gilt auch für Bischof Wolfgang Ipolt, der nicht nur von seinem Schreibtisch im Ordinariat, sondern auch von seinem nur rund fünf Minuten entfernten Wohnhaus im Amselgrund schnell in seiner Bischofskirche sein kann.
Derzeit allerdings kann auch Ipolt nicht ohne Weiteres in die Kathedrale gehen, denn das Gotteshaus ist seit dem 10. Februar wegen Bauarbeiten im Inneren geschlossen. Es ist innerhalb weniger Jahre bereits das zweite Mal, dass Bauarbeiter der Kathedrale zu Leibe rücken. Zuletzt war das Gotteshaus von 2012 bis 2016 außen umfangreich saniert worden. Damals waren der Turmschaft, die Klinkerfassade, das Dach und die Fenster restauriert und erneuert worden. Noch bestehende Schäden aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wurden dabei ebenfalls behoben. Denn die Kirche war noch am 7. Mai 1945, einen Tag vor der deutschen Kapitulation, schwer beschädigt und anschließend nur notdürftig renoviert worden. Immerhin aber: Eine vollständige Zerstörung der Kirche wurde durch mutige Görlitzer Bürger verhindert, die einen Blindgänger im Mittelgang einfach hinausrollten.
Die Liste der derzeit laufenden und auf rund 3,7 Millionen Euro bezifferten Arbeiten ist lang und betrifft unter anderem das Mauerwerk. "Wir werden bis zu drei Schichten Ziegel austauschen", kündigte Architektin Doris Kohla vor Beginn der Sanierung an. Dies sei notwendig, weil das Baumaterial durch Umwelteinflüsse stark versalzen sei. Konkret hätten etwa die schwefelsaure Luft zu DDR-Zeiten sowie der Rauch der Lokomotiven im nahen Bahnhof über Jahrzehnte auch im Inneren der Kirche ihre Spuren hinterlassen.
Dass die Kathedrale zwei Jahre geschlossen bleibt ist "ein Schmerz"
Auch farblich wird der Innenraum der Kathedrale erneuert. Dabei setzt das Bistum auf eine Mischung von Alt und Neu. Neben der Wiederherstellung von Malereien aus der Entstehungszeit der Kirche um 1900 werden andere Wand- und Gewölbeflächen durch den Berliner Künstler Helge Warme neu gestaltet – jedoch angepasst an die historische Bemalung. Hinzu kommen laut dem Bistum die Instandsetzung und Ergänzung des Hochaltars, der Bau eines neuen Beichtraums und die Sanierung der historischen Beichtstühle, die Reparatur und Instandsetzung des zweiflügeligen Hauptportals sowie die Aufarbeitung der liturgischen Sitzmöbel.
Schließlich werden auch die elektrischen Einrichtungen in der Kirche verbessert. Geplant sind etwa eine neue Lautsprecheranlage sowie eine neue Beleuchtung für Kirchenschiff und Altarraum. "Wir wollen einen schönen Blick nach vorne ermöglichen. Denn das Zentrum ist ja immer die Gottesverehrung", sagte Generalvikar Alfred Hoffmann bei der Vorstellung der Pläne. Dass die Kirche für die Zeit der Bauarbeiten geschlossen bleiben muss, sei "ein Schmerz"; eine Alternative habe es aber nicht gegeben, betonte Hoffmann.
St. Jakobus wurde in den Jahren 1898 bis 1900 nach Plänen des Architekten und Diözesanbaurats Joseph Ebers errichtet und am 6. Oktober 1900 geweiht. Auffällig an dem dreischiffigen Bau sind die vielen Stützmauern, die aufgrund des stark abfallenden Geländeprofils notwendig waren. Ursprünglich war das neugotische und in Ziegelbauweise errichtete Gotteshaus lediglich als Filialkirche gedacht, wurde dann aber 1918 durch den Breslauer Kardinal Adolf Bertram – Görlitz gehörte damals zum Erzbistum Breslau – zur Pfarrkirche der neuen Gemeinde St. Jakobus erhoben. Damit erhielten die Katholiken im Süden der Neißestadt ein eigenes religiöses Zentrum.
Nicht nur Bischofs, sondern auch Pfarrkirche
Knapp drei Jahrzehnte später kam es durch das Ende des Zweiten Weltkriegs auch für die Katholiken in Görlitz zu einem tiefen Einschnitt. Weil Oder und Neiße ab 1945 die neue deutsche Ostgrenze bildeten, wurde das westlich der beiden Flüsse gelegene Diözesangebiet mit Görlitz als Zentrum vom restlichen – nun in Polen gelegenen – Erzbistum Breslau abgetrennt. Da eine Wiedervereinigung des Erzbistums unmöglich erschien, begann eine Gruppe um den Breslauer Kapitularvikar Ferdinand Piontek bereits kurz nach Kriegsende damit, eigene kirchliche Strukturen in Görlitz aufzubauen. Dies hatte auch Auswirkungen auf St. Jakobus, denn die Kirche wurde – zunächst nur vorläufig – zur Kathedrale der von Breslau getrennten Region erhoben. Erst seit 1994, als nach der deutschen Wiedervereinigung das Bistum Görlitz errichtet wurde, hat die Kirche diesen Status ganz offiziell inne.
Doch St. Jakobus ist auch heute nicht nur Bischofs-, sondern weiterhin auch Pfarrkirche. Als Teil der 2012 gegründeten Pfarrei Heiliger Wenzel ist sie – wenn sie nicht gerade baubedingt geschlossen ist – auch jenseits der Pontifikalämter mit Bischof Ipolt ein wichtiger Ort des Glaubenslebens in Görlitz. Schon jetzt fiebern die Katholiken in der Stadt deshalb der Fertigstellung der Bauarbeiten entgegen. Wenn weiter alles nach Plan läuft, soll das Gotteshaus zum Advent 2021 wiedereröffnet werden.