Fuldaer Dom: Lichtdurchfluteter Barock über dem Grab des Bonifatius
Ein ambitionierteres Vorbild hätte sich Architekt Johann Dientzenhofer vor gut 300 Jahren kaum nehmen können: An der Barockarchitektur Roms, ja sogar am Petersdom selbst wollte er die Kathedrale orientieren, die er im Begriff war zu bauen. Der Fuldaer Dom ist zwar deutlich kleiner ausgefallen – besticht aber durch eine ganz besondere Spielart des Barocks.
Im Jahr 1704 begann der Bau der Kathedrale, rund acht Jahre sollte er dauern. Der Dom befindet sich heute inmitten des schmucken Barockviertels der rund 70.000 Einwohner zählenden Stadt in Osthessen. Eingerahmt ist die Kathedrale durch Paulustor und Stadtschloss, beide gebaut zur gleichen Zeit, ebenfalls nach den Entwürfen Dientzenhofers. Der Dom ist übrigens, wie sein berühmtes Vorbild in Rom, nach Westen ausgerichtet.
Figuren der zwölf Apostel
Gut 90 Meter lang und gut 60 Meter hoch ist das barocke Gebäude. Eine überbordende, prunkvolle Innengestaltung mit üppigen Engelsfiguren wie sonst in dieser Epoche oft üblich findet sich hier aber nicht. Der Innenraum ist sehr schlicht gehalten, Wände und Decke strahlen in weißer Farbe, Stuck- und Zierelemente sind eher sparsam eingesetzt. Nur die überlebensgroßen, ebenfalls in weiß gehaltenen Figuren der zwölf Apostel stechen heraus.
Mit dieser Inneneinrichtung habe man einerseits Geld gespart, sagt Martin Matl, der kommissarische Diözesanbaumeister der Diözese. Gleichzeitig mache die Gestaltung den Raum aber auch sehr hell. Es handele sich eben nicht um "schweren ", sondern um "leichten Barock". Zur Weihe des Doms befand Fürstabt Adalbert von Schleifras, es sei ein "neuer Himmel" oder "himmlischer Saal" entstanden: "Fecit caelum novum". Wer einmal an einem sonnigen Weihnachts- oder Ostermorgen im Fuldaer Dom bei einem Gottesdienst erlebt, wie die Sonnenstrahlen den Raum durchfluten, kann das durchaus nachvollziehen.
Unterbrochen wird das Weiß der Wände durch den Kontrast der in schwarzem Marmor gehaltenen Altäre. So kommt dann doch etwas Prunk in die Kirche, genau wie durch die Darstellung der Himmelfahrt Mariens über dem Hauptaltar, passend zum Weihedatum an Mariä Himmelfahrt am 15. August 1712. Weitere Kontraste setzen Orgel und Kanzel, gebaut aus dunklem, reich verziertem Holz mit goldenen Elementen. Über der Vierung im Hauptschiff findet sich eine mit Fresken verzierte Kuppel. Sie erinnert genauso an den Petersdom wie die Nachbildung der dortigen bronzenen Petrusstatue – in Fulda steht sie seitlich vor dem Hauptaltar. Das Original am Fuß zu berühren, soll Glück bringen – und auch der Zeh des osthessischen Exemplars ist schon ganz abgewetzt.
Der wohl berühmteste Teil des Domes befindet sich aber in der Krypta, die über zwei breite Treppen hinter dem Hauptaltar erreichbar ist: Hier ist der heilige Bonifatius begraben, der "Apostel der Deutschen". Der Mönch war in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts aus England nach Germanien gekommen, um dort den Glauben zu verbreiten. Mit der Gründung des Klosters Fulda hatte er zwar seinen Gefährten Sturmius beauftragt. Doch, wie die Fuldaer stolz erzählen, sei Fulda die Lieblingsgründung Bonifatius' gewesen, weswegen er auch hier begraben werden wollte. Nach seiner Ermordung im Jahr 754 oder 755 auf einer Reise nach Dokkum in den heutigen Niederlanden wurden seine Gebeine also hierher gebracht. Noch heute treffen sich die deutschen Bischöfe – wie gerade in der vergangenen Woche - in jedem Jahr zur ihrer Herbstvollversammlung in Fulda am Grab des Heiligen. Dann nächtigen sie in der Regel im Priesterseminar, das sich direkt im Anschluss an dem Dom in den Gebäuden des früheren Klosters befindet.
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Er ist der Apostel Deutschlands: der heilige Bonifatius. Mit seiner Körpergröße von 1,90 Metern muss er seinen Zeitgenossen riesig vorgekommen sein, zudem wurde er gut 80 Jahre alt. Winfried, wie er eigentlich hieß, war ein sehr ungewöhnlicher Mann.Schon gut 50 Jahre nach dessen Gründung im Jahr 744 war mit dem Vorgängerbau des heutigen Domes begonnen worden, der sogenannten Ratgar-Basilika. Benannt war sie nach ihrem Erbauer, dem Benediktinermönch Ratgar, später auch Abt des Klosters. Die Kirche entstand im vorromanischen Stil und soll damals der größte Kirchenbau nördlich der Alpen gewesen sein. Zu dieser Zeit entwickelte das Fuldaer Benediktiner-Kloster eine florierende Klosterschule mit berühmter Bibliothek, die es zu einem wichtigen Ort der Bildung machte. Es war direkt dem Papst unterstellt. Ab dem späten 12. Jahrhundert waren seine Äbte Fürstäbte, hatten also auch die weltliche Herrschaft inne. Zum (Fürst-)Bistum wurde Fulda dann schließlich 1752, einige Jahrzehnte nach der Fertigstellung des Doms.
Napoleon nutzte Dom als Gefangenenlager
Teile der alten Ratgar-Basilika existieren übrigens noch in ihrem Nachfolgebau weiter: die eckigen Türme der neuen Kirche wurden um die runden Türme des Vorgängers einfach herumgebaut. Durch eine Tür am Nordturm können die Besucher die alten Mauern noch sehen. Ein Zeuge der frühen Zeit des kirchlichen Lebens im heutigen Fulda steht übrigens weiter erhöht auf einer Galerie direkt gegenüber dem Dom: Die Michaelskirche, erbaut von 820 bis 822 als mittelalterlicher Sakralbau, wird noch heute gern für Trauungen genutzt.
Der neue Dom Sankt Salvator, wie sein Vorgänger Christus dem Erlöser geweiht, machte in seiner mit 300 Jahren noch recht kurzen Geschichte wechselhafte Zeiten durch. Knapp einhundert Jahre nach Fertigstellung kam die Säkularisation. Die kirchlichen Besitztümer wurden enteignet. Zur Zeit Napoleons war die Kirche gar ein Gefangenenlager. Im Jahr 1905 dann brannte der Nordturm – und stand für Jahre ohne seinen Turmhelm da, die Metallkonstruktion oberhalb des gemauerten Teils. Zwischen 1978 und 1996 wurde der Dom dann von innen und außen aufwendig saniert, 2012 wurde schließlich das 300-jährige Jubiläum gefeiert. Sieben Jahre später hießen die Fuldaer Gläubigen dann im Dom den neuen Bischof Michael Gerber willkommen – und wer weiß, vielleicht hat auch ihn damals neben dem warmen Applaus auch die schlichte Schönheit "seiner" Kathedrale beeindruckt.