Hinter jedem von uns steht ein unsichtbarer Engel
"Engel" von Peter Dyckhoff
Der Herr sprach mich an
mit einem Zeichen seiner Liebe,
damit ich sah, was verborgen ist.
Hinter jedem von uns
steht ein unsichtbarer Engel,
das reine Bild unseres Wesens –
Wegführer in dieser Welt
und Wegbegleiter zum Himmel.
Er möchte uns lehren, Gefühle zuzulassen,
rechte Entscheidungen zu treffen
und die irdische Welt
als Brücke ins Unendliche zu sehen.
Herr, lass mich niemals
den Engel aus meinem Blick
und meinem Herzen verlieren.
Durch ihn, deinen Liebesimpuls,
wird die Nacht zum Tag
und die raue Wirklichkeit
zum Besseren hin verwandelt.
Der Münsteraner Schriftsteller und Theologe Peter Dyckhoff (80) glaubt an Schutzengel. Zumindest macht dies sein Adventsgedicht deutlich. Auf meine Frage hin, warum er dieses Engelsgedicht geschrieben habe, erzählt er, dass sich ihm in der dunkelsten Zeit seines Lebens genau ein solcher himmlischer Bote offenbarte. Dieser Engel lehrte ihn, Gefühle zuzulassen und die Welt wieder in hellen Farben zu sehen. Wen genau er mit diesem Engel meint, bleibt offen in dem Gedicht. Vielleicht mag ihm, genau im richtigen Moment, ein Mensch begegnet sein, der ihm als mitfühlender Begleiter zum Richtungsweiser wurde? Ein Mensch, dessen Anwesenheit allein schon genügte, um in schweren Stunden wieder an die Leichtigkeit des Lebens zu glauben. Was für eine tiefe Sehnsucht aus diesen Worten spricht.
Dabei geht es Dyckhoff in seinem Engelsgedicht bestimmt nicht um einen verniedlichenden Kinderglauben oder sogar Kitsch. Vielmehr entspringen seine Worte einer ernsthaften Glaubensüberzeugung. Engel sind für Dyckhoff Boten der Liebe Gottes, Liebesboten, schreibt er. Doch geht es im Gedicht weder um Magie noch um Esoterik. Schließlich sind rund 40 Kirchengebäude in Deutschland den heiligen Schutzengeln geweiht. Seit dem 17. Jahrhundert feiert die katholische Kirche offiziell am 2. Oktober ein Schutzengelfest. Und was wären die vielen festlich geschmückten Adventsmärkte ohne schwebende Barockengel?
Für mich sind Engel Zeichen einer Hoffnung, dass das Lieblose nicht das letzte Wort hat auf dieser Welt. Warum soll mich die Vorstellung, dass mein Leben geborgen und behütet unter den Flügeln eines Engels ist, nicht trösten? Vermerkt doch schon die Bibel diese Zusage Gottes: "Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen" in Psalm 91, 11.
Doch die Zweifel nagen, ob die Welt nicht genau das Gegenteil uns lehrt. Wie unfair, kalt und leer sie doch sein kann. Wohl daher mündet das Gedicht in ein Gebet. Vielleicht weil Dyckhoff, der auch Seelsorger und Priester ist, damit auch den letzten Zweifler sagen will: "Gott sehnt sich nach dir, du Mensch. Weil er dich unendlich liebt, schickt er dir seinen Boten. Er lässt dich nicht allein, sondern will dir nahe sein." Gottes Weihnachtswelt ist voller Boten. Ich suche sie jeden Tag mit glänzendem Blick. Vielleicht sitzt er schon neben mir? Mein Begleiter durch den Advent!