"Dies Lied ist für dich"
"Chanson pour l'Auvergnat" – Lied an einen guten Kerl (aus der Auvergne) von Georges Brassens
Dies Lied ist für dich,
du guter Kerl, der mir einfach so
vier Scheite Holz gegeben hat,
als es kalt in meinem Leben war.
Du hast mir Feuer gegeben,
als mir all die Selbstgerechten,
all die Menschen guten Willens
die Tür vor der Nase zuschlugen.
Es war nur ein kleines Holzfeuer,
aber gewärmt hat es mich doch.
Und in meiner Seele brennt es noch,
so wie ein Freudenfeuer brennt.
Kerl, wenn dir einst die Stunde schlägt,
wenn dich der Bestatter holt,
dann soll er dich gleich hinauf
bis zum ewigen Vater tragen.
Dies Lied ist für dich, Wirtin,
die mir einfach so
vier Scheiben Brot gegeben hat,
als in meinem Leben Hunger herrschte.
Du hast deinen Brotkasten aufgemacht,
als all die Selbstgerechten,
all die Menschen guten Willens
sich an meinem Fasten freuten.
Es war nur ein Bissen Brot,
aber gewärmt hat es mich doch.
Und in meiner Seele brennt es noch
so wie bei einem großen Festmahl.
Wirtin, wenn dir die Stunde schlägt,
wenn dich einst der Bestatter holt,
dann soll er dich gleich hinauf
bis zum ewigen Vater tragen.
Dies Lied ist für dich,
Fremder, der mir einfach so
mitfühlend zugelächelt hat,
als die Polizei mich abholte.
Du hast nicht mitgeklatscht,
als all die Selbstgerechten,
all die Menschen guten Willens
meine Festnahme feierten.
Es war nur ein bisschen Honig,
aber gewärmt hat er mich doch.
Und in meiner Seele brennt es noch
so wie eine große Sonne.
Fremder, wenn dir die Stunde schlägt,
wenn dich einst der Bestatter holt,
dann soll er dich gleich hinauf
bis zum ewigen Vater tragen.
Ein franziskanischer Advent
Mein Gedicht ist eigentlich ein Liedtext. Georges Brassens (1921-1981) spielte in der Champions League des französischen Chansons. Ich mache bei ihm große Parallelen zu Papst Franziskus aus. Die Leute lieben ihn – dabei sollten sie ihn eigentlich aus dem Dorf treiben, um endlich wieder ihre Ruhe zu haben.
Der Mann mit der ewigen Pfeife und der Gitarre hält ihnen den Spiegel vor, lässt mit seiner bildreichen Sprache keine Gelegenheit aus, Spießbürgertum, Bigotterie und Selbstgerechtigkeit bloßzustellen. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an aufgeblasenen Worten, an Ritualen und Buchstabenbeweisen.
Diese Botschaft ist unangenehm, bleibt unangenehm, muss unangenehm sein. Man möchte applaudieren – und errötet. Gut so. Passt für einen franziskanischen Advent, finde ich. Und macht obendrein noch Lust auf ein Glas Rotwein oder eine Tasse Verveine und einen guten französischen Käse.