"O, lasst uns dieses Kindlein preisen!"
"Zur heiligen Weihnacht" von Adolph Kolping
Es strebte aus der Nacht des Lebens
Die Menschheit stets nach Glück und Licht,
Doch suchte sie den Weg vergebens
Jahrtausende und fand ihn nicht.
Da ließ den Friedensgruß erschallen
Durch Engelsmund das Christuskind,
Es bot den wahren Frieden allen,
Die eines guten Willens sind.
Es nahm auf sich der Menschheit Bürde
Und gab des reinen Herzens Glück,
Es gab dem Weibe seine Würde,
Dem Sklaven gab es sie zurück.
O, lasst uns dieses Kindlein preisen,
Das uns versöhnte mit dem Grab,
Das uns das große Ziel der Weisen,
Den Frieden und die Wahrheit, gab.
Ihr Mütter, eilt im Geist zur Krippe,
In der das Kindlein Jesu lag,
Und betet nicht bloß mit der Lippe,
Nein, mit dem Herzen betet nach:
"O Jesu, segne mein Bestreben
Für meine Kinder, dass ich sie,
Die Du für Dich mir hast gegeben,
Für Deinen Himmel auch erzieh'!
Lass mich sie lehren, Dir zu dienen,
Steh Du mir auch, Maria, bei,
Damit ein jedes unter ihnen
Dem Kinde Jesu ähnlich sei!"
Heil euch, ihr Mütter, Heil am Tage
Der Rechenschaft, wenn jede dann
Auf ihres Richters ernste Frage
Mit frohem Herzen sagen kann:
"Die Kinder, Herr, die ich geboren,
Ich führte sie zum Heil, zum Glück,
Ich habe keines Dir verloren,
Ich geb' sie Dir, mein Gott, zurück!"
Der Retter ist da!
Sind katholisch.de jetzt die Advents-Gedichte ausgegangen? Möglicherweise stellen Sie sich gerade genau diese Frage. Warum sonst haben wir wohl für den letzten Tag unserer Gedichte-Reihe – den Heiligen Abend – ausgerechnet einen Text von Adolph Kolping ausgewählt? Der ist für vieles bekannt: als eifriger Seelsorger, bedeutender Sozialreformer und natürlich als Gründer des später nach ihm benannten katholischen Sozialverbands – des Kolpingwerks. Man könnte also meinen, dieser Adolph Kolping (1813 bis 1865) hätte in seinem Leben genug anderes zu tun gehabt. Doch in der Tat betätigte er sich auch als Dichter und Publizist.
Ehrlich möchten wir an dieser Stelle trotzdem sein: Mit unseren Gedicht-Ideen wurde es zum Ende hin tatsächlich ein wenig knapp, und eher aus Zufall sind wir auf den weihnachtlichen Kolping-Text gestoßen. Aber der gefiel uns auf Anhieb. Denn Kolping schlägt in seinem Gedicht den heilsgeschichtlichen Bogen aus der vorchristlichen Zeit über die Geburt Jesu und seinen Tod bis in unsere Gegenwart: Was fehlte der Welt vor Christus? Was er hat er den Menschen gebracht? Und wie gehen wir heute damit um?
Wahrheit, Glück, Frieden und Freiheit – all das suchte die Menschheit über Jahrtausende vergeblich, schreibt Kolping. Erlösung fand sie erst mit der Geburt Jesu Christi. Den früher Entrechteten – Frauen und Sklaven mit Namen – gab Jesus ihre Würde zurück, heißt es weiter. Und am Ende "versöhnte" Christus die Menschen sogar mit dem Grab, indem er durch Kreuz und Auferstehung den Tod besiegte. Für Kolping Grund genug, dass alle "dieses Kindlein" in der Krippe preisen sollen.
In der zweiten Hälfte des Gedichts werden dann explizit die Mütter angesprochen. Gerade sie sollen die Botschaft Jesu beherzigen und an ihre eigenen Kinder weitergeben. Zu dieser Aufforderung zu einer christlichen Erziehung liefert Kolping in den Strophen 6 und 7 gleich noch das passende Gebet mit. Und zum Schluss erinnert er daran, dass der Mensch einst Rechenschaft vor seinem göttlichen Richter ablegen muss: Inwiefern habe ich in meinem Leben die Botschaft, die mit Jesus an Weihnachten in die Welt gekommen ist, weitergetragen?
Imposante Zeilen für einen Mann, der eigentlich nur nebenberuflich als Dichter tätig war. Jedenfalls bringt Kolping die weihnachtliche Botschaft – Christus, der Retter, ist da – auf den Punkt und betont ihre Relevanz für die Menschen von heute. Ob der Gesellenvater es aber in Sachen Weihnachts-Gedichte auch mit einem Schwergewicht wie Eichendorff aufnehmen kann? Das muss am Ende wohl jeder für sich selbst entscheiden.