Medienkritik
„Wer sich nicht aus der Welt aussperren will, muss aufmerksam betrachten, wie sich die Welt in den Medien darstellt und wie die Medien die Welt darstellen.“
Wer die heutige Medienwelt betrachtet und sich die Geschichten anschaut, die in ihnen kursieren und uns unterhalten, fragt sich manchmal skeptisch, ob das noch Geschichten sind, die taugen, die es wert sind, betrachtet zu werden. Ist das nur noch billiges Amüsement? Schund? Provozierter Skandal? Flacher Humor? Spaß auf Kosten anderer? Sicher, all diese Tendenzen sind in den Medien zu beobachten, aber es gibt immer auch das andere: Geschichtenerzähler, die uns trösten wollen, die uns helfen wollen, die ihre eigene Unordnung sichten und überwinden wollen.
Die Medien sind nicht losgelöst von der Welt, sie stehen der Wirklichkeit nicht wie starre Spiegel gegenüber und bilden die Realität nicht nur ab. Nein, die Medien, ihre Handlungen und Erzählungen, sind die Welt, sie schaffen sie mit, sie bestimmen mit, was auf der Agenda steht, was uns beschäftigt, was wir für wichtig halten.
„Medienkritik muss bohren, muss fragen, ob nun integrative oder desintegrierende Energien am Werk sind.“
Die Beobachtung und Bewertung dessen, was in den Medien erzählt wird und was diese Erzählungen mit uns machen, ist eine Pflicht, eine Überlebensnotwendigkeit, ein Bildungs-, ja, ein Herzensbildungsauftrag.
Wer sich nicht aus der Welt aussperren will, muss aufmerksam btrachten, wie sich die Welt in den Medien darstellt und wie die Medien die Welt darstellen. Das ist eine Alltagsaufgabe, die jeder Mensch zu bewältigen hat, und das ist eine Aufgabe für professionelle Kritiker und Beobachter, die es verstehen, mit der Entwicklung der Medien und ihren immer komplexeren Angeboten Schritt zu halten. Die katholische Kirche hat zu diesem Zweck das Fachblatt "Funkkorrespondenz" gegründet, das sich in den mittlerweile 60 Jahren seines Bestehens auf diesem Feld hohe Anerkennung erworben hat. Wir brauchen professionelle Deutungen und Analysen, Einordnungen und tiefe Blicke, die uns aus der Flut des Geschehens das Rettende, das Menschenzugewandte bergen, Deutungen, die uns vor flüchtigen Urteilen bewahren, die uns helfen, nicht an und vor der Welt dumm zu werden und zugleich an ihr zu verzweifeln.
Medienkritik muss bohren, muss fragen, ob nun integrative oder desintegrierende Energien am Werk sind. Es gilt immer wieder nachzufragen:
- Wer beherrscht die Medien?
- Was für eine Botschaft wird da sichtbar?
- Werden hier Menschen und Weltanschauungen stigmatisiert?
- Wo wird Medienmacht missbraucht?
- Werden fragwürdige Tagesgötter inthronisiert und angebetet?
- Amüsiert sich hier jemand billig auf Kosten anderer?
- Dürfen wir uns an "bösen Bildern" vergnügen?
- Können wir überhaupt noch zwischen "bösen" und "guten" Bildern unterscheiden? Und welche Instanz entscheidet das?
- Wo steckt der Trost in einer scheinbar trostlosen Geschichte?
- Werden Werte propagiert, die den Frieden unserer Gesellschaft bedrohen?
- Lohnt das Einschalten, weil wir hier Halt finden im scheinbar haltlosen Strom der Bilder?
- Hat diese Geschichte vielleicht die Kraft, unseren Alltag zu bezwingen und uns ein freundliches Lächeln zu schenken?
All diese Fragen und viele, viele mehr müssen wir stellen. Denn der Mensch lebt von seinen Fragen, weil wir immer Antworten suchen.
Es geht um Medienkompetenz und Qualitätspublizistik, um Orientierungswissen in der digitalen Welt des dritten Jahrtausends, dessen grenzenlose Medienmassen uns mehr im Griff haben denn je, es geht um den aufgeklärten Menschen im demokratischen Gemeinwesen. In diesem Sinne ist Medienkritik als Kommunikationsauftrag ein elementarer Teil christlicher Verantwortung und eine niemals endende gesellschaftliche Aufgabe.