Internetportale
Ein Wunderwerk in der Hand der Kirche, die jetzt über alles verfügte, um bei der multimedialen Verkündigung selber Regie führen zu können oder, wie es gerne auch heißt, "die Deutungshoheit zu behalten". Das Playerfenster für die wenigen hundert Videos war nicht viel größer als eine Streichholzschachtel. Aber DSL-Anschlüsse galten damals noch als Seltenheit und "YouTube" oder die ZDF-"Mediathek" waren noch nicht erfunden. Selbst die Arcor-Geschäftsführung traute ihren Augen nicht, was da in ihrem bis dahin nicht ausgelasteten Netz möglich war, und promotete daraufhin den neuen zukunftsfähigen Dienst ("Überzeugend – Unternehmen auf Erfolgskurs").
Das Internet als Satellitenmodell
Was so phantastisch begann, stellt sich jedoch rückblickend als Strohfeuer heraus. Ein präpotenter Einzelerfolg, dem die Rückendeckung in der Kirche fehlte, deren diözesane Mediendirektoren zu dieser Zeit immerhin schon über eine Unzahl von konkurrierenden Einzelpräsenzen herrschten, die amtskirchlich korrekt, aber ohne Akzeptanzsuche im Internet verloren waren. Wenn Erfolg als gemeinsam zelebriertes Lösungserlebnis verstanden werden kann, dann war die Kirche damals nicht sehr erfolgreich.
Systematisch betrachtet begann das, was man gemeinhin unter "Internetportal" versteht, im kirchlichen Bereich Ende der neunziger Jahre mit den ersten Auftritten der Bistümer im Netz. Sie vereinigten unterschiedliche Dienste, vermittelten Grundlagen-Informationen über das jeweilige Bistum, waren anmutig gestaltet, berichteten vom Bischof, von Initiativen und Gemeindeaktionen. Zeitlich gesehen lief die Kirche dem allgemeinen Trend schon hinterher.
Nachdem Mitte der Neunziger die ersten Portale der ISPs (Internet Service Provider) wie AOL, Compuserve und T-Online von individualisierten Inhalte- und Dienstportalen der 2. Generation wie etwa "Jerry’s guide to the web", das spätere "Yahoo!", abgelöst wurden, reichte es bei der Kirche nach einem traumatisierenden, weil missglückten, BTX-Engagement zu kaum mehr als einfachen Informationsportalen oder, besser gesagt, -präsenzen. Der große Wurf, die Vision, das Konzept fehlte.
Von wem sollte es auch kommen, wer sollte darüber entscheiden? Initiativen kamen aus einzelnen Diözesen, Agenturen, die Geld witterten, und von Einzelpersonen, die ganz technikaffin und kirchentreu nicht mit ansehen konnten, wie die Katholiken das neue Medium schon so früh wieder verlieren würden. Die Bedeutung des Internets auch nach dessen wirtschaftlicher Krise Anfang des letzten Jahrzehnts war nicht mehr zu relativieren. Auch nicht durch Technikskepsis, die dem gemeindeverwöhnten Katholiken, der den direkten menschlichen Kontakt, den persönlichen Austausch und die direkte Predigtansprache schätzt, angeboren scheint.
Man will die Sache von allen Seiten angehen, viele Satelliten in den Informationsorbit schießen und so hoffen, dass man im All auf wenigstens ein paar Umkehrer trifft. Das Internet als Satellitenmodell drehte sich seitdem in so manchem Entscheider-Kopf weiter, wenn es galt, neben der Internetdoublette einer katholischen Wochenzeitung auch noch unter anderer Domain ein kirchliches Jugend-Portal abzufeuern. In diese Phase fallen aber auch ernst zu nehmende Aktivitäten wie die Entwicklung von wichtigen Fachportalen wie etwa die Internetseelsorge, rpp-katholisch.de und katholische-theologie.info, die auf Initiative der DBK entstehen und die – Google® sei Dank – von Spezialisten geschätzt werden.
Ein zentraler Zugang zur katholischen Welt
Im Internet gibt es keine Grenzen. Nur Urheberschützer versuchen immer wieder, geographische Nutzungsabschnitte zu definieren, die dann regelmäßig mit einigen Proxy-Tricks umgangen werden können. Im Internet gibt es aber schon gar keine Bistumsgrenzen. Das Internet öffnet für den gläubigen Katholischen neue räumliche Dimensionen. Er kann sich vor seiner Urlaubsreise darüber informieren, ob am Ferienort im Bayerischen Wald ganz nah ein sonntäglicher Gottesdienst stattfindet. Er kann aber auch sehen, dass die Basis-Informationen zur Firmung in seinem Bistum eher spärlich und auf der Portalsite des Nachbarbistums umso üppiger und bunter ausfallen. Konkurrenz belebte das fromme Streben zu einem Portal der Himmelsklasse. Die Bistumsseiten wurden jetzt regelmäßig relaunched. Profi-Agenturen verhalfen zu mehr Professionalität und besserem Look. Großzügiger besetzte Online-Redaktionen lieferten handverlesenen Content-Nachschub. Doch die vielen katholischen Seiten – neben den Bistumsportalen entstanden bis 2003 ca. 4.000 Themen-, Gemeinde-, Privatseiten – blieben Satelliten. Ein zentraler Zugang, ein einziges großes Tor zur katholischen Welt, fehlte. Das sollte sich 2004 ändern. Die DBK hatte sich der Sache angenommen, die Domain katholisch.de anwaltlich erstritten und upgradete die früher eher unauffällige Präsenz katholische-kirche.de unter neuem Namen zu einem echten Portal – "subsidiärer Dienst für Diözesen, Orden, Einrichtungen und Verbände".
Drei Säulen sollten das Portaldach tragen:
- die Wegweiserfunktion ("Wegweiser für das katholische Deutschland"),
- die Bündelungsfunktion ("Bündelung diözesaner Informationsangebote") und
- die Suchfunktionalität ("Suchsystem für katholische Inhalte").
„Und so vollzog auch die katholische Kirche die Entwicklung des Internets – allerdings eher ungeplant, zufällig, navigiert vom Heiligen Geist: Das Satellitenzeitalter ging zu Ende und das Markenzeitalter begann.“
Für die Entwicklung und den Betrieb nutzte man die gesellschaftsrechtlich eng an den VDD gebundene APG, die bereits mit kirchentv.net gezeigt hatte, was technisch möglich ist. Die bis dahin isolierte Videoplattform wurde in katholisch.de integriert und zog über die visualisierten Glaubensbekenntnisse Prominenter per Googletreffer viele User auf das Portal, wo es allein eine Nachricht aus der Provinz nicht tat. Dann folgte der technische Zusammenschluss der Videoportale von katholisch.de und kirche.tv, dem Portal der katholischen Fernseharbeit (KFA), das fortan keine eigenen Server mehr betreiben musste. Obwohl seitdem nie wirkliches Marketing für die Domain katholisch.de betrieben wurde, etablierte sich das Portal bis Ende des letzten Jahrzehnts. Es entstand eine echte katholische Marke im Internet.
Und so vollzog auch die katholische Kirche die Entwicklung des Internets – allerdings eher ungeplant, zufällig, navigiert vom Heiligen Geist: Das Satellitenzeitalter ging zu Ende und das Markenzeitalter begann. Dank Papstbesuchen erreichte katholisch.de bis zu 300.000 Visits im Monat, gewöhnlich zwischen 150.000 und 200.000. Das ist mehr als eine normale Bistumshomepage erreicht. Das ist mehr als die Auflage einer Bistumszeitschrift und deutlich höher als die Druckauflage des eingestellten "Rheinischen Merkur". Und doch war das alte katholisch.de noch nicht die Lösung für die Gemengelage Kirche und Internet.
Mit dem Studientag zur Vollversammlung der Bischöfe im Jahre 2008 sollten die Weichen in die Internetzukunft neu justiert werden. Mit einer "Internetoffensive" galt es, den Rückstand der letzten Jahre im wichtigsten Medium der Zeit gemäß der päpstlichen Pastoralinstruktion "Communio et progressio" aufzuholen. Der Hauptfehler, die Vereinzelung und Duplizität der Präsenzen, die in der überholten Satelliten-Theorie gipfelte, wurde nachdrücklich korrigiert, das Medienhaus in Bonn als Katalysator auch diözesaner Print- und Internetanstrengungen ins Leben gerufen und katholisch.de als zentrale kirchliche Marke im Internet bestätigt.
„Während die Satelliten-Präsenzen zwischen Social-Media-Hype und Mobilitätswahn verglühen, wird am Ende die Marke der Kirche stehen. Um sie herum sind weitere Präsenzen, Inhalte und Dienste zu organisieren. Sie werden damit leichter auffindbar, beliebter, wirksamer und rentabler.“
Die Entscheidung der Bischöfe war weitsichtig. Sie bewahrte die Kirche davor, sich Anfang dieses Jahrzehnts in einem neuen Social-Media-Trend zu verlaufen und zuschauen zu müssen, wie sich ihre kostbaren Inhalte in der öffentlichen Privatsphäre übereifriger Blogger verflüchtigen. Sie ersparte den Kirchensteuerzahlern ähnliche Überraschungen wie den frühen Facebook-Aktionären.
Das ist die große Wahrheit dieser Jahre, in denen Virtualität und Wirklichkeit keine getrennten Begriffe mehr sind, sondern eine fast metaphysische Verbindung eingehen: Nur die Marke überlebt. Während die Satelliten-Präsenzen zwischen Social-Media-Hype und Mobilitätswahn verglühen, wird am Ende die Marke der Kirche stehen. Um sie herum sind weitere Präsenzen, Inhalte und Dienste zu organisieren. Sie werden damit leichter auffindbar, beliebter, wirksamer und rentabler.
Von der sicheren Basis einer zentralen Marke wie katholisch.de aus lassen sich die schnellen, kurzfristigen Trends des Internets und ihrer Nutzer flexibel bespielen, auch Social Media, wenn es sein muss, auch Mobilität, auch die Allgegenwart des Virtuellen, wie es Google® derzeit in seinen Laboratorien entwickelt.
Wir stehen im Internet erst am Anfang und befinden uns analog zur Entwicklung der Eisenbahntechnologie etwa auf der Stufe Anfang des letzten Jahrhunderts. Noch ist unklar, ob die Technologie des Internetportals mehr ist als ein Hauptbahnhof im Schienennetz. Aber katholisch.de ist mehr als nur ein Internetportal, es ist eine Marke, ablösbar von Technologie.
Von Matthias-Johannes Fischer, Geschäftsführer der Allgemeinen gemeinnützigen Programmgesellschaft mbH (APG), Bonn