Internetseelsorge

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:50 Uhr – Von Norbert Kebekus – Lesedauer: 
Kirche und Medien

Kevelaer ‐ Der Missionsauftrag Jesu Christi (Matthäus 28,18–20) gilt prinzipiell unbegrenzt: Kein menschlicher Lebensbereich ist von der Verpflichtung der Kirche ausgenommen, das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat zu verkündigen. Dies gilt auch für das Internet, das nicht nur ein Mittel zur Verbreitung von Informationen ist, sondern ein menschlicher Kommunikationsraum, der zunehmend an Bedeutung gewinnt.

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Da die Kirche über eine jahrhundertelange Medienerfahrung verfügt, hat sie – nach anfänglichem Zögern – rasch gelernt, auch das Internet als pastorales Handlungsfeld zu nutzen. Ausdruck dieser Entwicklung waren die päpstlichen Botschaften zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel, vor allem von Johannes Paul II. im Jahr 2002 sowie von Benedikt XVI. 2010 und 2013.

Kirchliche Seelsorge im Internet kam in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre auf: seelsorgliche Beratung in Problem- und Krisensituationen per E-Mail (später aus Datenschutzgründen per Web-Mail) oder Chat. Nachdem 1996 die ökumenische Initiative seelsorge.net aus der Schweiz und die Telefonseelsorge Köln ihre Internetseelsorge gestartet hatten, folgten 1998 die ersten deutschen diözesanen Angebote in Würzburg (seelsorge.bistum-wuerzburg.de) und Freiburg (internetseelsorge-freiburg.de). Später kamen kirchliche sozialpsychologische Fachberatungen z. B. der Caritas (beratung-caritas.de) hinzu.

Der Umstand, dass zuerst diakonisch ausgerichtete Beratungsangebote das Internet nutzten, führte zeitweilig dazu, den Begriff der Internetseelsorge auf "beratende Seelsorge" einzuengen. Seelsorge umfasst aber alle Grundvollzüge der Kirche: neben dem selbstlosen Dienst am Nächsten (Diakonia) auch die Verkündigung des Evangeliums und das Bezeugen des Glaubens (Martyria), die gottesdienstliche Feier des Glaubens (Leiturgia) und die Bildung von Gemeinden und Gemeinschaften der Glaubenden (Koinonia). All diese Dimensionen kirchlichen Handelns müssen daher beim Begriff der Internetseelsorge mitgedacht werden; sie sind auch – in unterschiedlicher Weise – in der pastoralen Internetpraxis verwirklicht.

„In diesem Social Web sind weniger Institutionen wie "die Kirche" oder "das Bistum" gefragt, sondern vielmehr Menschen, die authentisch ihren Glauben bezeugen und als glaubwürdige Vertreter der Kirche wahrgenommen werden. Das können und sollen Amtsträger sein, etwa Priester, die sich in Facebook und anderen Netzwerken engagieren, aber auch Laien, die aufgrund von Taufe und Firmung ihre Beauftragung zur "Sendung in die Welt" annehmen und Zeugnis geben von ihrem Glauben.“

Die neuere, meist mit den Schlagworten "Web 2.0" oder besser "Social Media" bezeichnete Entwicklung des Internets kommt der Verkündigung bzw. Bezeugung des Glaubens und der Vergemeinschaftung der Gläubigen entgegen. Das Internet ermöglicht Vernetzung und Partizipation. Aus dem passiven Internet-"Surfer" ist ein aktiver User geworden, der sich in Online-Communities mit anderen vernetzt und sich über Blogs, Microblogs, in Kommentaren und Bewertungen aktiv einbringt.

In diesem Social Web sind weniger Institutionen wie "die Kirche" oder "das Bistum" gefragt, sondern vielmehr Menschen, die authentisch ihren Glauben bezeugen und als glaubwürdige Vertreter der Kirche wahrgenommen werden. Das können und sollen Amtsträger sein, etwa Priester, die sich in Facebook und anderen Netzwerken engagieren, aber auch Laien, die aufgrund von Taufe und Firmung ihre Beauftragung zur "Sendung in die Welt" annehmen und Zeugnis geben von ihrem Glauben.

Tatsächlich stellt sich die deutschsprachige katholische "Social-Media-Szene" in erster Linie als Vernetzung privater Initiativen dar.

Bisher nur anfanghaft verwirklicht ist der Grundvollzug der Leiturgia im Internet. Immerhin gibt es Chat-Gottesdienste in der "Funcity-Kirche" St. Bonifatius oder Wortgot-tesdienste in der virtuellen Kirche St. Georg in Second Life. Allerdings werden im Bereich der Liturgie auch die Grenzen der Internetseelsorge deutlich. Sakramente können im Internet nicht gespendet werden. Da aber die Kirche sakramental verfasst ist und in den Sakramenten ihr Selbstvollzug in besonderer Weise zum Ausdruck kommt, ist jedes pastorale Handeln im Internet notwendigerweise zurückgebunden an die nicht-virtuelle, physische "Offline-Realität". Wie diese – keineswegs spannungsfreie – Rückbindung im Einzelnen auszugestalten ist, bleibt noch zu bestimmen. Hier ist nicht zuletzt der Pastoraltheologie eine neue Aufgabe gegeben.

Literatur

Kebekus, Norbert: Seelsorge im Internet. In: Jacobi, Reinhold (Hg.): Medien – Markt – Moral. Vom ganz wirklichen, fiktiven und virtuellen Leben. Freiburg/Basel/Wien 2001, S. 151–159. Gelhot, Rainer / Lübke, Norbert / Weinz, Gabi: Per Mausklick in die Kirche. Reale Seelsorge in der virtuellen Welt. Altenberg 2008.
Von Norbert Kebekus

Internetseelsorge

Von der Online-Fürbitte zum seelsorglichen Einzelkontakt, von Internet-Exerzitien zu Chat-Gottesdiensten: Das Onlineportal internetseelsorge.de macht Seelsorgeangebote im Internet zentral zugänglich. Angebote der Bistümer, Orden und Verbände sowie ausgewählte Privatinitiativen werden übersichtlich vorgestellt und thematisch erschlossen.

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