Ein schwieriges und turbulentes Jahr: 2022 aus Sicht der Kirche
Für die katholische Kirche in Deutschland war 2022 einmal mehr ein Jahr voller Herausforderungen. Ob die weiter andauernde Vertrauenskrise um Kardinal Rainer Maria Woelki, der mitunter holprige Fortgang des Synodalen Wegs und die in diesem Zusammenhang auftretenden Verstimmungen zwischen der Kirche in Deutschland und dem Vatikan sowie die Veröffentlichung mehrerer Missbrauchsgutachten mit den damit verbundenen Begleiterscheinungen – als gutes oder gar positives Jahr wird 2022 in der Kirche nicht in Erinnerung bleiben. Der chronologische Jahresrückblick gibt einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse der vergangenen zwölf Monate.
20. Januar: Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum München
Er ist der prominenteste Kirchenmann, der in einem der bislang veröffentlichten Missbrauchsgutachten der katholischen Kirche in Deutschland genannt wird: der emeritierte Papst Benedikt XVI. Das Münchner Missbrauchsgutachten, das am 20. Januar vorgestellt wird, belastet den früheren Erzbischof von München und späteren Papst Joseph Ratzinger schwer. Die Anwälte werfen ihm für seine Münchner Amtszeit (1977-1982) Fehlverhalten in vier Fällen vor und äußern deutliche Zweifel an der von ihm behaupteten Unkenntnis. Diese sei mit den aus den Akten gewonnenen Erkenntnissen bisweilen "kaum in Einklang zu bringen". Auch die Angabe, bei einer wichtigen Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 nicht anwesend gewesen zu sein, sei "wenig glaubwürdig", da das offizielle Protokoll ihn an mehreren Stellen erwähne. Deutliche Kritik üben die Gutachter aber auch am amtierenden Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx. Er habe sich nicht ausreichend um die Behandlung der Fälle sexuellen Missbrauchs gekümmert. Während Marx sich nach der Veröffentlichung des Gutachtens erschüttert zeigt und – noch recht vage – Konsequenzen ankündigt, entbrennt um Benedikt XVI. und seine Verantwortung in den Tagen und Wochen danach eine aufgeregte Debatte, in deren Zuge der 94-Jährige unter anderem zugibt, doch an der Ordinariatssitzung im Januar 1980 teilgenommen zu haben.
Themenseite: Das Missbrauchsgutachten im Erzbistum München und Freising
24. Januar: Start der Initiative #OutInChurch
Es ist ein Paukenschlag, der in der katholischen Kirche für großen Wirbel sorgt: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer ARD-Dokumentation machen 125 haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende aus der katholischen Kirche Ende Januar ihr Coming-out als Teil der queeren Community öffentlich. Unter dem Motto "#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst" fordert die Initiative unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht mehr zur Kündigung führt. Wohl auch aufgrund des öffentlichen Drucks nehmen die deutschen Bischöfe diese Forderung bald danach auf und einigen sich im November auf eine Reform des Arbeitsrechts. Demnach müssen Menschen, die bei der katholischen Kirche arbeiten und in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft leben, künftig nicht mehr mit einer Kündigung rechnen.
3. bis 5. Februar: Dritte Synodalversammlung des Synodalen Wegs
Bei der dritten Synodalversammlung des Synodalen Wegs sprechen sich die Delegierten für weitreichende Reformen in der katholischen Kirche aus. Gefordert wird bei dem dreitägigen Treffen in Frankfurt am Main unter anderem eine moderne Sexualmoral einschließlich einer Neubewertung der Homosexualität, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen, eine Lockerung der Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Priester und ein anderer Umgang mit Macht. Breiten Raum bei der Versammlung nehmen zudem die Debatte über das kurz zuvor veröffentlichte Münchner Missbrauchsgutachten und die weitere Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche ein.
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24. Februar: Russischer Angriff auf die Ukraine
Es ist eine dramatische Zeitenwende: Am 24. Februar greift Russland auf Befehl seines Machthabers Wladimir Putin das Nachbarland Ukraine an. Bereits 2014 hatte das russische Militär die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektiert und den bewaffneten Kampf im ostukrainischen Donbass begonnen. Dem völkerrechtswidrigen Krieg fallen zehntausende Menschen zum Opfer, zahllose ukrainische Städte werden durch die russischen Angriffe erheblich zerstört. Als weitere Folge des Kriegs fliehen hunderttausende Ukrainer aus ihrer Heimat – vor allem nach Polen und Deutschland, wo sich auch die katholische Kirche mit ihren Hilfseinrichtungen um sie kümmert. Kirchenvertreter bis hinauf zu Papst Franziskus verurteilen den Krieg von Anfang an – gerade der Pontifex tut dies nach Ansicht vieler Beobachter lange Zeit aber eher zögerlich. Bemerkenswert ist auch die Rolle des Moskauer Patriarchen Kyrill I.: Er unterstützt und legitimiert den Angriff auf die Ukraine von Anfang an und meldet sich im Verlauf des Kriegs immer wieder mit markigen Sprüchen gegen den Westen und Ergebenheitsadressen an Machthaber Putin zu Wort – ein Verhalten, das erhebliche ökumenische Verwerfungen auslöst.
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2. März: Kardinal Woelki kehrt aus Auszeit zurück
Als Folge des Kölner Missbrauchsgutachtens und der anhaltenden Vertrauenskrise im größten deutschen Erzbistum hatte Papst Franziskus Kardinal Rainer Maria Woelki im September 2021 in eine mehrmonatige geistliche Auszeit geschickt. Aus dieser kehrt der Erzbischof am 2. März – dem Aschermittwoch – zurück. Ruhe kehrt danach im Erzbistum Köln aber nicht ein. Im Gegenteil: Vor allem das von Papst Franziskus weiterhin nicht beantwortete Rücktrittsgesuch Woelkis, die Causa Winfried Pilz (siehe 29. Juni) sowie Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft gegen den Kardinal wegen möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen sorgen das Jahr hindurch weiter für Unruhe weit über Köln hinaus. Auch die Kirchenaustrittszahlen in der Erzdiözese bleiben 2022 laut Medienberichten hoch.
Themenseite: Das Erzbistum Köln in der Vertrauenskrise
7. bis 10. März: Vollversammlung der Bischöfe in Vierzehnheiligen
Überschattet vom kurz zuvor begonnenen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kommen die deutschen Bischöfe Anfang März zu ihrer Vollversammlung im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen zusammen. Zum Abschluss des Treffens fordern die Bischöfe in einer Erklärung ein sofortiges Ende der Kämpfe und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Zentrales innerkirchliches Thema der Versammlung ist der Synodale Weg. Bei den Debatten hinter verschlossenen Türen seien auch weit auseinander liegende Positionen vertreten worden, betont der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, zum Ende des Treffens. Irritiert zeigt sich Bätzing über die Offenen Briefe der polnischen und nordischen Bischöfe zu dem Reformprozess, in denen Bedenken gegen die Reformdebatte in Deutschland geäußert wurden und vor einer Verwässerung der kirchlichen Lehre gewarnt wurde.
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25. bis 29. Mai: Katholikentag in Stuttgart
Unter dem Leitwort "leben teilen" findet Ende Mai in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag statt. Zentrale Themen des fünftägigen Treffens in der baden-württembergischen Landeshauptstadt sind die anhaltende Krise der katholischen Kirche, der Synodale Weg und seine Reformvorhaben, die Klimakrise und der russische Krieg gegen die Ukraine. Bemerkenswert: Mit rund 27.000 ist die Zahl der Teilnehmer in Stuttgart deutlich geringer als bei früheren Katholikentagen.
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13. Juni: Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Bistum Münster
Die Bischöfe im Bistum Münster seit 1945 haben im Umgang mit Missbrauchsfällen große Fehler begangen. Das ist ein zentrales Ergebnis der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster, die am 13. Juni veröffentlicht wird. Demnach hätten die Oberhirten Michael Keller (1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) verurteilte Geistliche immer wieder in der Seelsorge eingesetzt und damit weitere Taten ermöglicht, heißt es in der Studie der Universität Münster. Dem aktuellen Bischof Felix Genn bescheinigt das Forschungsteam zwar, den Umgang mit Missbrauchsfällen den Regeln der Bischofskonferenz angepasst zu haben. Gleichwohl habe Genn eine längere Phase gebraucht, um seiner Verantwortung für Intervention und Prävention gerecht zu werden. In seinen ersten Jahren sei der Bischof Missbrauchstätern, die Reue zeigten, kirchenrechtlich nicht immer mit der gebotenen Strenge begegnet. Insgesamt zählt die Untersuchung nach Auswertungen von Akten und Betroffenen-Interviews 610 Betroffene und 196 Beschuldigte zwischen 1945 und 2020. Damit liegt die Zahl der Beschuldigten für den Bereich des Bistums Münster um ein Drittel höher als in der 2018 vorgestellten MHG-Studie der Bischofskonferenz.
29. Juni: Missbrauchsvorwürfe gegen früheren "Sternsinger"-Präsidenten
Es ist ein Fall mit Sprengkraft: Am 29. Juni wird durch eine Mitteilung des Erzbistums Köln bekannt, dass der 2019 verstorbene frühere Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz, unter Missbrauchsverdacht steht. Das Erzbistum ruft in seiner Mitteilung mögliche und bisher unbekannte Missbrauchsbetroffene dazu auf, sich zu melden. Die Erzdiözese erklärt, dass Pilz bereits 2012 beschuldigt worden sei, einen "schutzbedürftigen Erwachsenen" in den 1970er Jahren missbraucht zu haben. Im vergangenen Jahr hätten sich dann Hinweise auf mögliche weitere Betroffene ergeben. Laut dem Erzbistum erteilte der damalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner Pilz 2014 einen Verweis, legte ihm eine Geldstrafe auf und verbot dem damals schon im Ruhestand lebenden Geistlichen den Kontakt zu Minderjährigen. 2018 sei der Fall zudem der Staatsanwaltschaft nachgemeldet worden, die wegen Verjährung keine Ermittlungen aufgenommen habe. Der Fall schlägt auch im weiteren Jahresverlauf hohe Wellen und bringt insbesondere Kardinal Woelki in Bedrängnis. Unter anderem wird dem Erzbischof vorgeworfen, das Bistum Dresden-Meißen, in dem Pilz seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, pflichtwidrig nicht über die Vorwürfe gegen Pilz und das Umgangsverbot mit Kindern informiert zu haben. Nachdem Woelki im Sommer in einem Gerichtsverfahren an Eides statt versichert, dass er erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Fall Pilz befasst gewesen sei, werfen ihm im Herbst zwei Zeugen vor, schon 2015 eine Liste mit Missbrauchsfällen gesehen zu haben, auf der auch der Name des früheren "Sternsinger"-Präsidenten gestanden habe. In der Folge nimmt die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen gegen Woelki auf.
21. Juli: Vatikan-Erklärung zum Synodalen Weg
Die Erklärung ist nur kurz, doch sie hat es in sich: Am 21. Juli veröffentlicht der Heilige Stuhl – der genaue Absender wird zunächst nicht genannt – eine Stellungnahme zum Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Der zentrale Satz darin lautet: "Der 'Synodale Weg' in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten." Die Erklärung ist eine deutliche Warnung Roms vor deutschen Alleingängen bei Kirchenreformen und schlägt entsprechend hohe Wellen. Während das Präsidium des Synodalen Wegs und zahlreiche Mitglieder der Synodalversammlung die Kritik am Reformprozess zurückweisen, gibt es vereinzelt auch Lob für die Wortmeldung aus der Kurie. So oder so macht die Stellungnahme deutlich, dass auch im dritten Jahr des Synodalen Wegs weitgehend unklar ist, welche Reformen der Prozess am Ende tatsächlich beschließen und umsetzen kann.
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24. bis 30. Juli: Papstreise nach Kanada
Eine Woche lang besucht Papst Franziskus Ende Juli Kanada, Stationen der Reise sind Edmonton, Quebec und Iqaluit am Nordpolarmeer. Im Zentrum der Reise stehen Gespräche zwischen dem Pontifex und Indigenen-Vertretern der First Nations, Metis und Inuit, deren Kinder im 19. und 20. Jahrhundert im staatlich-kirchlichen Internatssystem ihrer Kultur beraubt, misshandelt und missbraucht wurden. Franziskus bittet die Ureinwohner während der Reise mehrfach um Vergebung für die Beteiligung der Kirche an den Verbrechen. Weitere Auslandsreisen führen Franziskus 2022 nach Malta, Kasachstan und Bahrain.
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27. bis 30. August: Kardinalsversammlung im Vatikan
In einer feierlichen Zeremonie im Petersdom erhebt Papst Franziskus Ende August 20 Geistliche aus vier Kontinenten zu Kardinälen der katholischen Kirche. Die damit verbundene Zusammenkunft der gut 200 Purpurträger aus aller Welt im Vatikan nutzt der Pontifex zugleich für eine mehrtägige Kardinalsversammlung. Dabei geht es vor allem um die im Frühjahr vorgestellte Kurienreform "Praedicate Evangelium" und deren Umsetzung. Teilnehmer berichten hinterher von einer harmonischen und herzlichen Beratungsatmosphäre.
8. bis 10. September: Vierte Synodalversammlung des Synodalen Wegs
Bei der vierten Synodalversammlung des Synodalen Wegs wird zwar eine ganze Reihe von Reformen beschlossen – Schlagzeilen macht das Treffen in Frankfurt am Main aber vor allem wegen eines abgelehnten Reformpapiers. Mit ihrer in der Satzung festgelegten Sperrminorität bringen die Bischöfe ein umfassendes Grundsatzpapier zur Erneuerung der katholischen Sexualmoral zu Fall. Weil nur 33 von 60 anwesenden Bischöfen für das Papier stimmen, fällt der Text durch. Die Ablehnung sorgt bei der Mehrheit der Delegierten für Entsetzen und Enttäuschung, kurzzeitig steht das gesamte Treffen auf der Kippe. Doch die Tagungsleitung lernt schnell aus dem Eklat: Für die weiteren Debatten wird die erlaubte Redezeit verdoppelt, die Vertreter der konservativen Minderheit können dadurch ausführlicher und differenzierter ihre Bedenken vorbringen. Hinzu kommt ein überraschendes Manöver des DBK-Vorsitzenden Bischof Bätzing: Vor jeder weiteren Abstimmung ruft er die Bischöfe zu einer separaten Beratung hinter verschlossenen Türen zusammen. Danach gibt es in keinem Fall mehr eine blockadefähige Zahl von bischöflichen Nein-Stimmen.
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20. September: Zwischenbericht zu Missbrauch im Bistum Osnabrück
Auch im Bistum Osnabrück haben Bischöfe und andere Verantwortliche jahrzehntelang nicht angemessen auf Hinweise zu sexuellem Missbrauch reagiert. Das zeigt eine Studie der Universität Osnabrück, die am 20. September vorgestellt wird. Außerdem kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Diözese über das Jahr 2000 hinaus "teils schwerwiegend gegen die Pflichten" zur Verhinderung weiterer Straftaten verstoßen hat und die Rechte Betroffener bis in die jüngste Zeit oft verletzt wurden. Insbesondere die Bischöfe treffe "bei Entscheidungen über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung". Vor allem unter den Bischöfen Helmut Hermann Wittler (1957-1987) und Ludwig Averkamp (1987-1994) habe es etliche Pflichtverletzungen gegeben. Dies gelte auch für den amtierenden Bischof Franz-Josef Bode in seinen ersten Amtsjahren. Zudem habe er 2010 eine aufsehenerregende Bitte um Vergebung ausgesprochen und dabei versprochen, Hilfen für Betroffene ganz auszunutzen. Dieses Versprechen sei aber in der Praxis der folgenden Jahre nicht umgesetzt worden. Trotz der ihm vorgeworfenen Fehler lehnt Bode einen Rücktritt von seinem Bischofsamt danach ab. Gerade weil der Bericht ihm für die vergangenen Jahre deutliche Fortschritte bescheinige, wolle er diese Verbesserungen "mit aller Kraft" weiter vorantreiben. Am 12. Dezember wird dann bekannt, dass der Betroffenenrat der norddeutschen Bistümer Bode beim Hamburger Erzbischof Stefan Heße angezeigt hat. Der Rat wirft ihm auf Basis des Zwischenberichts vor, im Umgang mit Missbrauchsfällen gegen das Kirchenrecht verstoßen zu haben. Der Betroffenenrat beruft sich bei seinem Vorgehen auf einen päpstlichen Erlass von 2019, der den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche regelt.
26. bis 29. September: Vollversammlung der Bischöfe in Fulda
Mit einem Eklat geht Ende September die Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda zu Ende: Die deutschen Bischöfe reagieren mit großer Empörung auf einen NS-Vergleich des Schweizer Kurienkardinals Kurt Koch. Der Konferenzvorsitzende Georg Bätzing fordert eine sofortige Entschuldigung. "Wenn diese öffentliche Entschuldigung nicht umgehend geschieht, werde ich eine offizielle Beschwerde beim Heiligen Vater einreichen", so der Limburger Bischof. Der Kardinal habe sich disqualifiziert; schon seit längerem versuche Koch, den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland zu schwächen und zu delegitimieren. Die neue Äußerung sei eine "inakzeptable Entgleisung", in ihr zeige sich die "pure Angst, dass sich etwas bewegt". Koch hatte in der Wochenzeitung "Die Tagespost" über Parallelen zwischen aktuellen kirchlichen Diskussionen und solchen aus der NS-Zeit gesprochen: "Es irritiert mich, dass neben den Offenbarungsquellen von Schrift und Tradition noch neue Quellen angenommen werden; und es erschreckt mich, dass dies – wieder – in Deutschland geschieht." Koch fügte wörtlich hinzu: "Denn diese Erscheinung hat es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten 'Deutschen Christen' Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben." Nach Bätzings Kritik meldet sich Koch mit einer Erklärung zu Wort, die die Situation jedoch nicht befrieden kann. Erst eine Woche später legen Bätzing und der Kardinal bei einem Gespräch im Vatikan den Streit bei. Inhaltlich blicken die Bischöfe bei der Vollversammlung unter anderem auf die Synodalversammlung Anfang September und den dort zu Tage getretenen Streit um eine Erneuerung der katholischen Sexualmoral zurück. Bätzing macht zum Abschluss der Vollversammlung deutlich, dass die 70 Bischöfe ihre Differenzen bei diesem Thema bei der Tagung nicht beilegen konnten: "Wir haben einen Konsens, dass wir einen Dissens haben."
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1. Oktober: Rücktritt von Erzbischof Hans-Josef Becker
Mitte Juni hatte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker dem Papst aus Altersgründen seinen Rücktritt angeboten – am 1. Oktober nimmt Franziskus das Gesuch des 74-Jährigen schließlich an. Damit endet nach fast 20 Jahren die Amtszeit des gebürtigen Sauerländers an der Spitze der westfälischen Erzdiözese. In seiner Reaktion auf den Rücktritt würdigt der DBK-Vorsitzende Bischof Bätzing Beckers "unerschrockenes und umsichtiges" Wirken. Der Erzbischof habe ein ehrliches und zuversichtliches Bild von einer Kirche gezeichnet, "die ihren Weg suchen muss, auch in der Krise". Zum Diözesanadministrator wählt das Paderborner Domkapitel wenige Tage später Domkapitular Michael Bredeck. Er leitet das Erzbistum kommissarisch bis zur Wahl eines Nachfolgers – bei der nach den Plänen der Erzdiözese erstmals auch Laien direkt beteiligt werden sollen.
27. Oktober: Vorstellung des Arbeitspapiers der Bischofssynode
Das Arbeitsdokument für die zweite Phase der Weltsynode, das am 27. Oktober vom Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich im Vatikan vorgestellt wird, fasst auf 45 Seiten Sorgen und Nöte in katholischen Diözesen weltweit zusammen. Das Papier war zuvor von Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen aus aller Welt erarbeitet worden; als Grundlage dienten die Rückmeldungen zum Fragebogen des Synodensekretariats von Bischofskonferenzen, Ordensgemeinschaften, Vatikanbehörden und Privatpersonen. Am 16. Oktober kündigt Papst Franziskus zudem an, den weltweiten synodalen Prozess um ein Jahr zu verlängern. Die Weltbischofssynode solle im Oktober 2023 und zusätzlich im Oktober 2024 über die Ergebnisse des weltweiten Konsultations- und Beratungsprozesses beraten. Ursprünglich sollte der 2021 begonnene Prozess schon 2023 enden.
Themenseite: Weltweiter synodaler Prozess
1. November: Rücktritt von Erzbischof Ludwig Schick
Nicht nur das Erzbistum Paderborn verliert in diesem Herbst seinen Erzbischof – auch das Erzbistum Bamberg muss sich überraschend von seinem Oberhirten verabschieden: Am 1. November nimmt Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Erzbischof Ludwig Schick nach 20 Jahren an der Spitze der bayerischen Erzdiözese an. Mit seinem Rücktritt wolle der 73-Jährige zwei Jahre vor der offiziellen Altersgrenze für Bischöfe die bevorstehenden "wichtigen Entscheidungen und Weichenstellungen im Erzbistum" einem jüngeren Nachfolger überlassen, schreibt das Erzbistum in einer Pressemitteilung. Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing dankt Schick für dessen langjährige und vielfältige Mitarbeit: "Fast ein Vierteljahrhundert warst Du Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz und hast Dich engagiert eingebracht, Debatten wesentlich mitgeprägt und warst unsere sichere Instanz in allen Fragen des kirchlichen Rechts." Zum Diözesanadministrator wählt das Bamberger Domkapitel einen Tag später Weihbischof Herwig Gössl, der die Erzdiözese kommissarisch bis zur Wahl eines Nachfolgers leiten wird. Anders als in Paderborn werden unter Verweis auf das bayerische Konkordat in Bamberg aber voraussichtlich keine Laien an der Wahl beteiligt.
2. bis 4. November: Katholischer Medienkongress in Bonn
Nach fünf Jahren findet Anfang November erstmals wieder ein Katholischer Medienkongress statt. Drei Tage lang diskutieren 340 Fachleute dabei in Bonn unter dem Motto "Let's face it – Authentizität und Kommunikation" über mediale Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft. Im Rahmen des Kongresses wird auch der Katholische Medienpreis verliehen. Für Debatten sorgt dabei die Auszeichnung für die ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf" über den Umgang der Kirche mit sexuellen Minderheiten. Mehrere Mitglieder der Initiative #OutInChurch entrollen während der Veranstaltung ein Banner und demonstrieren gegen Diskriminierung und für Veränderungen im kirchlichen Arbeitsrecht.
14. bis 18. November: Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe
Nach sieben Jahren reisen die deutschen Bischöfe Mitte November erstmals wieder zu einem verpflichtenden Ad-limina-Besuch in den Vatikan. Im Mittelpunkt der Gespräche mit Papst Franziskus und wichtigen Kurienvertretern steht die aktuelle Lage der katholischen Kirche in Deutschland mit dem vom Vatikan kritisch begleiteten Synodalen Weg und der verfahrenen Situation im Erzbistum Köln. Vor allem mit Blick auf den deutschen Reformprozess zeigen sich dabei – das verdeutlichen unter anderem die nach dem Besuch veröffentlichten Redebeiträge der Kurienkardinäle Luis Ladaria und Marc Ouellet – deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen der Kurie und einer Mehrheit der Bischöfe. Immerhin: Ein vom Vatikan ins Gespräch gebrachtes Moratorium für den Synodalen Weg können die Deutschen am vorletzten Tag des Besuchs mit großer Mehrheit abwenden.