Wir sollten einen Blick hinter die Masken wagen
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Was für ein Advent dieses Jahr. Keine glänzenden Weihnachtsmärkte und keine gemütlichen Glühweinabende mit Freunden beim Kerzenschein. Stattdessen kurze dunkle Tage, kahle Bäume, eine dunstigen Atmosphäre. Statt dem Zauber der festlich-heiteren Geselligkeit die trostlose Stille von Vergänglichkeit und Vergeblichkeit.
Die letzten Monate haben uns geschafft, in eindringlicher und schrecklicher Weise wurden wir gefordert. Und das betrifft alle – auf der ganzen Erde. Individuelle und globale Not, wie wir sie wohl alle nicht für möglich gehalten haben.
Das ist das Besondere, das Unheimliche, Erschreckende der gegenwärtigen Lage: Unser vertrautes und gewohntes Verhältnis zur Zeit ist massiv gestört. Advent findet nicht wie gewohnt statt. Corona nimmt kein Ende. Normalerweise geschieht ein Unglück, dann begibt man sich tatkräftig an die Behebung der Schäden: Nach einem Erdbeben beseitigt man den Schutt und baut neue Häuser. Es gibt eine Perspektive der Wiederherstellung und Heilung. Nunmehr aber scheint die Zeit sich unendlich zu dehnen. Der Mensch kann nur existieren mit einer Zeit-Struktur: einem vorher und nachher, mit einer Beständigkeit des Verlässlichen und Wiederkehrenden.
Und jetzt Advent. Ganz anders. Worauf kommt es an? Vielleicht ist es jetzt besonders wichtig, Netze der achtsamen Wahrnehmung zu knüpfen. Zu den Kindern, den alten Menschen, zu den Nachbarn: Der virologischen Distanz muss umgekehrt eine empathische Aufmerksamkeit entsprechen. Gerade die Masken können uns jetzt trainieren. Dass wir hinter die Masken schauen. Und Einblick nehmen in die Herzen der anderen. Und dort die unscheinbaren und versteckten Nöte und Ängste schärfer und klarer zu entdecken.
Das bevorstehende Weihnachtsfest mit der Geburt des Kindes in der Krippe führt in aller Deutlichkeit vor Augen: Es lohnt sich, genau hinzuschauen. In das Gesicht eines jeden Menschen. Denn dort findet sich die Möglichkeit zur Entdeckung Gottes. Hinter dem Schleier des menschlichen Angesichtes ist Gott selbst zu finden.
Der Autor
Dominik Meiering ist Domkapitular im Erzbistum Köln und Pfarrer in der Kölner Innenstadt.
Hinweis
Die Texte erscheinen in Kooperation mit dem kulturellem Diakonieprojekt "Denkbares.