Der spirituelle Adventskalender in der Corona-Krise

Tröstendes Dunkel im Pandemie-Winter

Veröffentlicht am 14.12.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt am Main ‐ Ein Winter mit Pandemie: Viele Menschen erfahren die Zeit vor Weihnachten als eine Zeit der Dunkelheit. Doch Joachim Hake erinnert: Es gibt unterschiedliche Arten von Dunkelheit – und nicht alle davon sind nur negativ behaftet.

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Das jährliche Warten auf die Geburt des Jesuskindes lebt von dem vertrauten Verlauf der Wochen, von Sonntag zu Sonntag und von Kerze zu Kerze im Kampf mit dem Dunkel. Dieses Jahr aber ist vieles anders und die adventliche Erwartung von Unheil geschwärzt. Tage und Wochen in der Corona-Pandemie ziehen sich hin und wirken wie sprödes, verwundbares, knisterndes Papier, durchsetzt von zahllosen Löchern kurzen Zögerns und Aufhaltens, von ungeliebten Pausen des Innehaltens, in denen die Aufmerksamkeit aufgerufen, ja gereizt ist wie vorher nicht, in den Unterbrechungen durch das Maskenaufsetzen und das ständige Einhalten von Distanzen in der Straßenbahn. Auch in der Kirche, vor allem wenn es dort an das Singen geht an den Stellen, die den Gläubigen in Berlin bleiben: beim Gloria, dem Halleluja, dem Sanctus wird der übliche Fluss der Liturge gestaut, der Atemrhythmus gestört und die adventliche Mahnung Seid wachsam (Mk 13,35.37) klingt vielfältiger und nachdrücklicher in den Ohren als bisher. Die Adventskerzen flackern unruhiger als sonst, und es fällt schwer, die rechte Haltung zu finden, die dem Advent entspricht:

Aber: Die leuchtenden Kerzen erhellen nicht nur das tägliche Dunkel unserer Welt, sondern erinnern uns auch an jenes bergende Dunkel, das das Jesuskind im Bauch seiner Mutter umgibt. „Wir haben gelebt“ – so Pascal Quignard – „bevor wir geboren wurden. Es hat sich so gefügt, dass unser Herz schlug, bevor wir atmeten. Unsere Ohren hörten, bevor unsere Lippen entdeckten, dass es Luft gibt.“ (Pascal Quignard, Die wandernden Schatten, Zürich-Berlin 2015, 62). Das Dunkel, das jeder Geburt der Menschen und auch der des Menschensohnes vorhergeht, ist schon jetzt ein Trost und Grund einer Vorfreude auf Weihnachten. Auch wenn wir in sehr schwierigen, dunklen Zeiten leben und unsere Aufmerksamkeit überreizt und ermüdet ist, sich im Advent an das Jesuskind vor seiner Geburt zu erinnern, hilft mir, vor dem Dunkel der Welt weniger falsche Angst zu haben.

Von Joachim Hake

Der Autor

Joachim Hake ist seit 2007 Direktor der Katholischen Akademie in Berlin.