"Niemand kann uns aus der Hand Gottes reißen" – auch Corona nicht
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Advent in Corona-Zeiten: Dazu fallen mir zwei Gedanken ein:
Die erste Hälfte des Advents ist in unserer Kirche nicht der Vorbereitung auf die Ankunft des Gottessohnes in unserer Welt an Weihnachten gerichtet, sondern sie ist eine Vorbereitung auf die Wiederkehr Christi am Ende der Welt und ihrer Geschichte. Gläubige Christen gehen davon aus, dass es nach oder besser gesagt hinter der Welt und ihrer Geschichte eine Wirklichkeit gibt, die Jesus als das Reich Gottes bezeichnet hat. Diese Wirklichkeit wird am Ende der Welt und ihrer Geschichte offenkundig, ist aber jetzt schon eine Wirklichkeit, die stärker ist als der Tod. "Niemand kann uns aus der Hand Gottes reißen", hat der Mainzer Kardinal Hermann Volk beim Bittgottesdienst durch den bei einem Attentat schwer verletzten Papst Johannes Paul II. gesagt. – Auch das Corona-Virus nicht. Diese Sicht der Wirklichkeit stärkt das Vertrauen, zu dem die Bibel vielfach mahnt und ermutigt. "Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?" (Mt 6,27), sagt Jesus in der Bergpredigt. Die Vernunft lehrt uns, dass Vertrauen ohne Vorsicht Leichtsinn ist. Der Glaube sagt, dass Vorsicht ohne Vertrauen Angst ist.
Der zweite Gedanke weist darauf hin, dass die Kontaktbeschränkungen, die zum Schutz vor dem Virus gefordert sind, die Feier des Advents nicht sehr beeinträchtigen. Zum größten Teil findet der Advent nämlich in der Familie statt. Die Hausgemeinschaft versammelt sich um den Adventskranz, erlebt Gemeinschaft, singt Adventslieder und lebt die Vorfreude auf das Weihnachtsfest, das ja auch in der Familie gefeiert wird. Das Adventsbrauchtum ist in der Familie beheimatet und findet durch die Infektionsschutzmaßnahmen wieder dorthin zurück. Adventsnachmittage im Gemeindesaal und Weihnachtsmärkte sind späte Erfindungen. Das sogenannte Frauentragen im Advent sieht ursprünglich nicht vor, dass sich eine halbe Kirchengemeinde vor einem Wohnhaus trifft, ein Adventslied singt und anschließend Glühwein trinkt. Ursprünglich steht dieser Adventsbrauch im Zeichen des Weges, den Maria und Josef gegangen sind. Ein Mareinbild ist jeden Tag in einem anderen Haus, das der heiligen Familie Zuflucht gewährt. Dann wird es in ein anderes Haus weitergetragen, das sich auf Weihnachten vorbereitet. Dieser alte Brauch ist auch in diesem Jahr möglich.
Der Autor
Ulrich Neymeyr ist Bischof von Erfurt.
Hinweis
Die Texte erscheinen in Kooperation mit dem kulturellem Diakonieprojekt "Denkbares.