Synoden-Einkehrtage: Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie
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Die zwei Einkehrtage sind vorüber. Sie sollten keine Vorbereitung auf die Synode, sondern integraler Teil der synodalen Versammlung sein, denn sie verdeutlichen noch einmal, dass es bei der Synodalität um ein geistliches Geschehen betender Menschen geht. Andernfalls wären wir hier "eine Hauptversammlung von Glaubensunternehmern", wie es der Generalsekretär der Synode, Kardinal Grech, am ersten Tag ausgedrückt hat.
Das war ein starkes Bild. Aber ebenfalls stark war das Bild des Netzes mit den vielen Fischen, das nicht zerreißen darf. Dieses Bild wählte der Dominikaner Timothy Radcliffe am Dienstag zur Frage, wie wir in einer global gewordenen Kirche die unterschiedlichen Kulturen, die uns mit ihren Wertvorstellungen und anthropologischen Narrativen prägen, zusammenführen können, oder besser: wie bei aller kulturellen Unterschiedlichkeit die Einheit der Kirche bewahrt werden kann. Darüber haben wir auch am ersten Tag schon gesprochen: Unterschiedliche Kulturen machen das gegenseitige Verständnis nicht einfacher. Das zeigte sich an zwei ganz konkreten Themen, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten jeweils völlig verschiedene Reaktionen hervorrufen: Polygamie und Homosexualität. Was in einem afrikanisch geprägten Kulturraum als wertvoll und zutiefst menschlich angesehen werde, stoße in einem westeuropäisch-nordamerikanischen Kontext auf völliges Unverständnis und auf energische Ablehnung. Und analog gelte umgekehrt. Verantwortlich seien dafür nicht ideologische Frontstellungen, sondern kulturelle und anthropologische Unterschiede, die man wahrnehmen und denen man sich stellen müsse.
Ich muss sagen: Selten habe ich über solche auch bei uns mitunter sehr kontrovers diskutierten Themen so geschwisterlich, wertschätzend und gut sprechen können. Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie, sondern dankbares Erfahren, dass man sich die Unterschiede beschreiben kann, ohne sie wegzureden, ohne sie erklären und klären zu müssen und ohne die zelotische Absicht, den anderen unbedingt von der eigenen Position überzeugen zu wollen. Wenn Synodalität auch darin besteht, so aufeinander zu hören, dann habe ich Montag und gestern beim "Gespräch im Heiligen Geist" wirklich diesen Geist spüren dürfen, der Unterschiedliches gelten lässt und das Gegenüber auch dann als Bruder und Schwester im Glauben respektiert, wenn man ganz anderer Meinung ist. Die große Frage wird sein, wie aus der Erfahrung solcher Gespräche wirklich ein Schlussdokument entstehen kann, dass diesen "geschwisterlichen Spannungsbogen", wie ich es nennen würde, aufrecht hält und zu einer tragfähigen Brücke zwischen den Kulturen in unserer einen Kirche führt.
Hinweis
Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.