Schwartz auf Weiß – Der Blog aus der Aula der Weltsynode: Teil 8/2024

Synodale Einsichten über das Espressotrinken und den Fußball

Veröffentlicht am 17.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Schwartz – Lesedauer: 

Bonn ‐ In seinem neuen Blog-Beitrag gibt Synodenteilnehmer Thomas Schwartz zu, nicht bei allen Wortmeldungen in der Synodenaula gleich interessiert zuzuhören. Beim Espressotrinken und Fachsimpeln über Fußball geht ihm dazu jedoch ein Licht auf.

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"Ormai ci conosciamo! – Mittlerweile kennen wir uns ja schon!" Mit diesen Worten stellt mir lächelnd morgens während der Pause Signor Filippo, ein liebenswürdiger älterer Herr von fast 80 Jahren, der am hinteren Ende der Lobby der Synodenaula am Frühstücks-Büffet bei der Kaffee-Bar seinen Dienst tut, ungefragt immer eine wunderbar dampfende Tasse mit Espresso hin. Signor Filippo kennt mich schon. Er weiß, was ich morgens brauche. Er weiß, wie ich ticke und braucht dementsprechend nicht mehr zu fragen, ob ich lieber einen Cappuccino oder doch eher einen Ristretto trinken möchte.

"Ormai ci conosciamo!" Das scheint mir aber auch ein Bild dafür zu sein, was sich bei der Synode seit dem vergangenen Oktober bewegt und verändert hat. Viele der 375 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich auf die ein oder andere Weise, in den Arbeitsgruppen an den Tischen, bei Pausengesprächen in der Lobby oder bei den zahlreichen Veranstaltungen, zu denen neben und am Rande der Synode eingeladen wird, kennenlernen können.

Das hat Vorteile, kann aber auch Effekte zeitigen, die man eigentlich verhindern sollte, wenn man ernsthaft etwas gemeinsam erreichen möchte. Denn ich bemerke bei mir schon manchmal eine gewisse Tendenz zum selektiven Hinhören bei den freien Interventionen während der Generalkongregationen. Man kennt sich schon und weiß, was man von dem einen oder der anderen Synodalen als Redebeitrag zu erwarten hat. Entweder man wird dann neugierig und greift zum Notizblock, um etwas mitzuschreiben, was interessant sein könnte, oder man schaut ein wenig geistesabwesend in seine Unterlagen hinein und nimmt sogar den Kopfhörer ab, den ich jedenfalls normalerweise selbst dann trage, wenn ich auf eine Simultan-Übersetzung verzichte, denn da ist weniger Hall zu hören als in der Aula.

Beratungen bei Weltsynode
Bild: ©KNA/CPP/Alessia Giuliani (Symbolbild)

Ein Blick in die Synodenaula bei der Eröffnung der letzten Phase der Weltsynode am 2. Oktober 2024 im Vatikan.

"Ormai ci conosciamo!" Das Umeinander-Wissen hat eben auch seine Schattenseiten. Doch es gibt immer wieder Überraschungen. Eine hatte ich am Dienstag morgen: Da unterhielt ich mich kurz mit einem Synodenteilnehmer über das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Niederlande. Ich war über den Sieg unserer Mannschaft natürlich entzückt. Erst recht über die Art und Weise, wie unser Team gespielt hat. Eigentlich ist so ein Fußballspiel ein nicht gerade weltbewegendes Thema, sollte man meinen. Und doch traten plötzlich vier oder fünf andere Synodale hinzu, die mich als deutschen Teilnehmer schon kannten, und gaben ihre fachmännischen Kommentare über den Fußball im Allgemeinen und die deutsche Mannschaft im Besonderen ab.

Dann sagte plötzlich jemand im Kreis: "Ja, so eine Fußballmannschaft könnte ja auch ein Bild für eine synodale Kirche sein: verschiedene Aufgaben, unterschiedliche Persönlichkeiten, aber ein gemeinsames Ziel." Ich war leider im ersten Augenblick zu perplex, um das Bild aufzugreifen und darauf hinzuweisen, dass echte Synodalität aber auch ein "Mixed Team" fordert, um wirklich das gemeinsame Ziel einer missionarischen Kirche in dieser Welt glaubwürdig zu erreichen. Aber es hat mir trotzdem zu denken gegeben. Besonders, weil der, der dieses Bild in die Runde gestellt hat, von mir bislang nicht als ein allzu sehr von dem Thema der Synodalität begeisterter Synodenteilnehmer wahrgenommen worden war, also eher einer für das "selektive Weghören" im Plenum.

Mein Fazit: Manchmal kommen ganz spannende Einsichten zutage, selbst wenn man meint, man wisse schon fast alles von fast jedem. "Ormai ci conosciamo!"– das reicht nicht. Wir müssen im kontinuierlichen Gespräch bleiben. Dann kann das etwas mit einer synodalen Kirche werden.

Von Thomas Schwartz

Hinweis

Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.