Erstaunliche Vielfalt in den synodalen Postfächern
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wenn man morgens und nachmittags an stramm salutierenden Schweizergardisten und ebenfalls – allerding weniger stramm – grüßender vatikanischer Gendarmerie vorbei die Lobby der Synodenaula betritt, bietet sich ein recht prosaisches Bild. Rechts die Garderobe und im Anschluss ein Stand, in dem man Fotos der letzten Generalkongregationen einsehen und bestellen kann (was besonders interessant ist, wenn es am Vortag zu einer kurzen Begegnung mit dem Heiligen Vater kam). Es schließen sich an die Auslagen der vatikanischen Buchhandlung mit kirchenoffiziellem Schrifttum (zum Beispiel dem neuesten "Annuario Pontificio", päpstliche Enzykliken, Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils etc.), aber auch neuerer theologischer Literatur und vielen erbaulichen geistlichen Schriften. Der Reigen der Verkaufsstände schließt mit einem kleinen, aber feinen Sortiment von Schreibwaren, die mit vatikanischem oder päpstlichen Wappen versehen sind, und den Schreibblocks, Notizheften und Kugelschreibern, die man dann nach Hause mitnehmen kann, schon einen Hauch absoluter Exklusivität verleihen.
Auf der linken Seite hingegen ziehen sich lange Reihen von Postfächern die Wand entlang, die dann gegen Ende rechts in den Raum abknicken und fast eine Art Sichtschutz vor dem hinteren Teil der Lobby bilden. Jeder Teilnehmer der Synode hat ein eigenes Fach mit seinem Namen. Sie sind alphabetisch und gemäß dem Status, den man während der Synode einnimmt, zwischen ordentlichen Mitgliedern, "Geschwisterlichen Delegierten" und "Besonderen Gästen" untergliedert.
Drastische Veränderungen zu anderen Synoden
Diese synodalen Postfächer scheinen für sich genommen zwar notwendig, aber wenig interessant zu sein. Sie sind es aber in gewisser Weise doch, denn wie bei Vielem anderen gilt auch hier: Auf den Inhalt kommt es an! Und der hat sich gegenüber dem des vergangenen Jahres erheblich verändert. Manche Synodale, die schon an mehreren anderen Synoden in der Vergangenheit teilgenommen haben, sagen mir sogar, dass diese Veränderungen wirklich drastisch seien.
Zwar finden sich weiterhin Briefe und Informationen zum weiteren Procedere der Versammlung oder Einladungen zu Empfängen verschiedener päpstlicher Organisationen, diverser Botschaften und in Rom arbeitender Institute. Daneben werden aber auch Einladungen zu Gesprächen mit verschiedenen Gruppen verteilt, die man im vergangenen Jahr noch nicht gesehen hat und die bei früheren Synoden überhaupt nicht vorstellbar gewesen wären. Ein paar Beispiele: In der letzten Woche gab es einen Flyer mit der Einladung zu einem Gespräch mit Christinnen und Christen aus der LGTBQ-Community. Eine andere Einladung stammte von einer internationalen Gruppe von Frauen, die sich aktiv für die Öffnung zu den Weiheämtern aussprechen. Auch eine Einladung der weltweiten Bewegung "Wir sind Kirche" und von global vernetzten jungen Erwachsenen, die engagiert den synodalen Gedanken in der Kirche verbreiten wollen, habe ich in meinem Fach vorgefunden.
All das gab es im vergangenen Jahr in dieser auffälligen Dichte noch nicht. 2023 fanden sich neben manchem wichtigen päpstlichen Schreiben wie "Laudate Deum" oder "C'est la confiance" auch noch diverse Einladungen und Anschreiben eher konservativer Kreise und Gruppierungen. Bei früheren Versammlungen müssen diese in rauen Mengen ausgelegen haben. Das ist in diesem Jahr überhaupt nicht der Fall. Das verwundert mich ein wenig, denn es ist ja nicht so, dass es keine starken Gegenbewegungen gegen die Synodalität und auch das Programm von Papst Franziskus gäbe. Aber diese sind augenblicklich nicht sichtbar, scheinen geradezu "abgetaucht" zu sein. Über die Gründe mag man weidlich spekulieren. Ich tue das nicht. Vielmehr freue ich mich einfach über die erstaunliche Vielfalt, die sich in den synodalen Postfächern zeigt. Die Kirche ist bunter als man meint und sie darf es sein, solange man in der Vielfalt das einende Band des Glaubens und der gemeinsamen Sendung, die uns als Volk Gottes aufgetragen ist, nicht aus dem Blick verliert. Und darum geht es ja schließlich bei dieser Synode.
Hinweis
Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.