Synodale Schocker: Zwischen Berufungen und Ablehnungen
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Nachdem wohl die meisten Leser meines letzten Blogs verstanden haben dürften, dass ich keineswegs über die Wetterkapriolen in Rom schreiben wollte, möchte ich zu Beginn der letzten Woche dieser Synoden-Versammlung über eine Unterhaltung mit einem afrikanischen Synodenteilnehmer berichten, die ich nach dem sogenannten "Gespräch" der Arbeitsgruppe zum Thema der Frauen in der Kirche mit den knapp hundert anwesenden Synodalen in einer Bar außerhalb des Vatikans geführt habe.
Wie ich war auch er angesichts des Procedere des Glaubens-Dikasteriums in besagter Thematik sehr angefasst. Nach einigen Unmutsäußerungen, deren Deutlichkeit hier nicht in den Blog gehören, kamen wir aber irgendwie gemeinsam in eine Form der bei der Synode gepflegten "Konversation im Geist" hinein. Wir beide, die wir uns eigentlich gar nicht richtig kannten, geschweige denn uns je intensiver unterhalten hatten, führten ein tiefes geistliches Gespräch über die Rolle der Frau in der Kirche, also genau das, was wir uns eigentlich von dem Austausch mit der Arbeitsgruppe erwartet hätten. Irgendwann in dieser Unterhaltung kam für mich ein geistlicher Schocker: "Wie müssen sich die Frauen in der Kirche fühlen, die seit Jahrzehnten in der Spannung zwischen persönlich tief empfundenem Gefühl des Berufen-Seins zum einem Weihedienst und der kirchlich verkündeten Ablehnung der Legitimität dieser inneren Überzeugung leben?", fragte mich mein Gesprächspartner. Ich muss zugeben, diese Frage hat mich überwältigt.
Es geht bei ihr eben nicht nur um die juristische Zulässigkeit zu den Weihediensten, wie das beispielsweise bei der Diskussion um die Zulassung von "viri probati" zur Priesterweihe der Fall ist. Das ist eine kirchenrechtliche Frage, die die Kirchendisziplin betrifft. Der Papst kann durch eine Änderung der gesetzlichen Normen des "Codex Iuris Canonici", also des kirchlichen Gesetzbuches, ab morgen die Weihe von nichtzölibatär lebenden Männern ermöglichen. Das würde zwar auch viele Widerstände hervorrufen, aber dass er dazu die Vollmacht hat, wird niemand, auch nicht der konservativste Rechtsausleger dem Papst absprechen.
Bei der Frage, die mir der afrikanische Synodale stellte, geht es aber um viel mehr. Um etwas, was ich mir als Mann eigentlich überhaupt nicht vorstellen kann. Es geht darum, dass einer menschlichen Person das Recht zu einer ihr ganzes Wesen bestimmenden und prägenden Überzeugung einfach deshalb abgesprochen wird, weil sie kein Mann ist. Diese Frage, die mir ein Mann gestellt hat, hat mir deutlich gemacht, dass es beim Zugang zu den Weihen eben um viel mehr als um den gleichberechtigten Zugang zu Macht und Einfluss in der Kirche geht, wobei ja selbst das eine diskussionswürdige Frage sein darf.
Zutiefst spirituelle Frage
Es geht vielmehr um eine zutiefst spirituelle Frage, die das Wesen unserer kirchlichen Sendung betrifft: den Dienst der Unterscheidung nämlich, der eine wesentliche Aufgabe aller Getauften zu sein hat, aber bei den Bischöfen und beim Papst natürlich in ganz besonderer Weise gebraucht wird, um die Einheit der Kirche und die Vielfalt ihrer Charismen zusammenzuhalten. Wir beide, mein afrikanischer Mitsynodaler und ich, haben gemerkt, wie schwer diese Frage wiegt. Und wie schwer es unseren Bischöfen und unserem Heiligen Vater fallen muss, darauf eine wirklich geisterfüllte Antwort zu geben. Denn sie haben ja scheinbar die ganze kirchliche Tradition gegen sich stehen.
Könnte also der Versuch, in einer Studiengruppe erst einmal wieder die theologische und juristische Gleichstellung von Frau und Mann zu ermöglichen, indem man aus dem Zeugnis der Schrift und der Kirchengeschichte deutlich zeigt, dass Frauen in der Kirche stets auch das Recht zur Übernahme kirchlicher Macht hatten, der erste Schritt zu einer Öffnung zum geweihten Dienst sein? Sozusagen durch die Absicherung von Legalität auch die Frage nach der Legitimität zu öffnen? So denken wahrscheinlich zwei Männer, denen durch ihre Bereitschaft zum zölibatären Leben alle Wege in der Kirche offenstehen. Und sie denken das, weil sie in diesem synodalen Prozess durch die Methode der Konversation im Geist ein wenig geübt sind, in der scheinbar völlig konträren Position eines anderen, immer auch das Gute und Fruchtbringende entdecken zu wollen.
Aber die Frage meines geistlichen Mitbruders bleibt: "Wie müssen sich die Frauen in der Kirche fühlen, die seit Jahrzehnten in der Spannung zwischen persönlich tief empfundenem Gefühl des Berufen-Seins und der kirchlich verkündeten Ablehnung der Legitimität dieser inneren Überzeugung leben?" Um ehrlich zu sein: Ich zittere vor der Beantwortung dieser Frage.
Hinweis
Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.